Link: www.sopos.org (extern) (Archiv-Version vom 10.05.2006)"@gsb
das ist eine Ahmadiyya Gemeinde, eine Sekte. omg...."
Ja und?Haben Sekten nicht das Recht auf einen Erlöser zu hoffen?
Jeder Mensch stelltsich seinen Erlöser anders vor. Wir haben ja nun lesen können, zB Lesslow meint, nur erkönne sich selbst erlösen. Muss nun Lesslow darum eine Religion gründen oder eine Sekte,etc., um sich seiner Sache sicher sein zu dürfen?
Nein.
Jeder, wie ermag. Wir leben im Hier und Heute - da sind Religionen nicht mehr so wichtig - ausser manist fanatisch auf der Suche nach einem Heilsbringer, einem Laternenstab, einem Sehenden,der dem Blinden den Weg weist...Ein entspannter Suchender ist sich darüber im klaren,dass der Weg das Ziel ist.
;) Und darum, nicht "Jedem das Seine!", sondern "Jeder, wie ermag", denn warum wir aufgeklärten Nicht-Muslime den Spruch "Jedem das Seine!" nicht mehrkolportieren, ist für intelligente Menschen keine Frage.
Wie ein Schlagwort insGerede kam:
"Jedem das Seine!"
...Jedem das Seine! ist ins Geredegekommen. Sehr sogar, und mit politischer Brisanz. Ein Schlagwort also, das Schlagzeilenmacht. Auch das ist nicht das Gängige, zumal dieses Schlagwort uralt und der Skandalbrandneu ist. Normalerweise droht Schlagworten eher das Schicksal, daß sie bis zurbuchstäblichen Sinnlosigkeit abgegriffen werden. Oder sie rutschen ins Banale. So hättedie Gerechtigkeitsformel Jedem das Seine! zum Spaßgesellschaftsmotto Jedem Tierchen seinPläsierchen! abflachen können.
Es kam jedoch ganz anders. Die Reklametextereiniger Großfirmen hatten sich nämlich auf das Sprüchlein mit seinem werbeträchtigenAllquantifikator »jeder« besonnen. Statt die mediale Fremdbestimmung des Käuferverhaltensmit: »Katzen würden Whiskas kaufen« oder mit: »Persil, da weiß man, was man hat« zufruktifizieren, suggerierten unter anderem Microsoft, Burger King, Nokia, REWE undTelekom dem ehrenwerten Publikum mit Jedem das Seine!, daß sich eben ein »jeder«, deretwas auf sich hält, »sein« Handy, »sein« Grillzubehör, »sein« Laptop-Programm oder»seinen« Hackfleisch-Sandwich der entsprechenden Handelsmarke kaufen müsse.
Eswaren nicht etwa die Altphilologen, die dagegen protestierten, daß des schnöden Mammonswegen mit antikem Gedankengut Schindluder getrieben und ein Sakrileg begangen werde,indem ein ehrwürdiges Gerechtigkeitsmaß zu einem profanen Werbeslogan herabgewürdigtworden sei. Vielmehr empfand es eine historisch-politisch sensibilisierte Öffentlichkeitals obszön, daß für Kapitalistenkommerz mit einem Text geworben werde, den dieNazibarbaren in das Eingangstor ihres Konzentrationslagers Buchenwald hatten einschmiedenlassen, um ihre Opfer auch noch zu verhöhnen.
In das auf dem Ettersberg beiWeimar eingerichtete KZ Buchenwald mit seinem Einlieferungsmotto Jedem das Seine warenvon 1937 bis 1945 an die 240 000 Menschen aus 32 Nationen verschleppt worden, von denenetwa 56 000 den Terror nicht überlebten, darunter der Kommunist Ernst Thälmann, derSozialdemokrat Rudolf Breitscheid und der Pfarrer Paul Schneider. In den 136Außenkommandos dieses KZ waren die Häftlinge zu Sklavenarbeit gezwungen worden, unteranderem bei den kapitalistischen Rüstungsbetrieben BMW, Bochumer Verein,Braunkohle-Benzin-AG, IG-Farben, Junkers, Krupp, Rheinmetall-Borsig und Wintershall.
Daß die Nazis Meister perversester Demagogie waren, gehörte bekanntermaßen zuihren Wirkungsbedingungen. Daß zu den Geschäftsbedingungen von Werbetextern nicht gradeSensibilität für inhumane Assoziationen ihrer Slogans gehört, sondern bedenkenloseInteressenwahrnehmung für die Warenproduzenten und - verkäufer, ist eine Binsenwahrheit.Den Reklamemachern von heute entgeht doch nicht, daß die Schlüsselkategorie derbürgerlichen Gesellschaft, was auch immer der Verfassungstext besagt, nicht die Würde derMenschen ist, sondern deren Wert für die Mehrwertgewinner. Empörend ist es allerdings,daß sich bundesrepublikanische Firmen angesichts eskalierender neofaschistischer Untatenin Deutschland, einer immer wieder in Nationalismen entgleisenden Offizialpolitik und derjämmerlichen Querelen um die Entschädigungszahlungen an die NS- Zwangsarbeiter weigerten,die in ihrem Auftrag hergestellten (steuerabzugsfähigen!) Werbematerialien mit Jedem dasSeine! umgehend aus dem Verkehr zu ziehen, wenn sie schon der Hinweise von außenbedurften, um ihrer frivol, wenn nicht gar sadistisch wirkenden zumindestGedankenlosigkeit gewahr zu werden.
Hatten aber seinerzeit die Nazis mit ihrerjedenfalls provokativen Verwendung von Jedem das Seine! für ihr Ausbeutungs- undMordregime dieses Schlagwort mißbraucht oder doch bloß gebraucht? So einfach, wie es aufden ersten Blick scheinen mag, ist diese Frage gar nicht zu beantworten. Die Meinungen,ob im Falle des KZ Buchenwald ein Gebrauch oder ein Mißbrauch des Schlagwortes vorliegt,gehen diametral auseinander. Während der deutsche Rechtsphilosoph Arthur Kaufmann dieBenutzung von Jedem das Seine! durch die Nazis als Beweis für deren Frivolität wertete,mit der sie Recht und Gerechtigkeit verhöhnten, meinte der österreichische PhilosophErnst Topitsch, daß gegen diese Inschrift »vom rein logischen Standpunkt nichtseinzuwenden« sei.
.../
Um noch einmal auf das Skandalon in derVerwendungsgeschichte von Jedem das Seine! zurückzukommen: Der Mißbrauch einesSchlagwortes hebt dessen künftige Brauchbarkeit nicht auf; eher umgekehrt, denn eineunbrauchbare Formel kann gar nicht mißbraucht werden. Freilich setzt der weitere Gebraucheines inzwischen mißbrauchten Schlagwortes eine Sensibilität voraus, die man zumindestvon denjenigen wird erwarten dürfen, deren Beruf im Umgang mit Worten und deren Bedeutungbesteht.
Jedem das Seine! Geschichte eines Schlagworts ->siehe Link.
Gruß