Koreander
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"Warum ich kein Christ bin"
07.04.2014 um 11:04Kommentar zu "Warum ich kein Christ bin" von Bertrand Russell
In verzückter Betrachtung eines Aufsatzes von Bertrand Russell, den er am 6. März 1927 für die National Secular Society, South London Branch in der Battersea Town Hall hielt, erlaube ich mir einige blasphemische Kommentare.
Der vollständige Aufsatz von Russell ist hier zu finden: http://www.bfg-bayern.de/ethik/Personen/Russell_Bertrand.htm (Archiv-Version vom 06.04.2014)
Wieso hindern uns die Gene an diesem Experiment? Weil es uns sonst nicht gäbe. Sonst hätte wir uns beispielsweise schon selbst als Nahrung entdeckt. Bei Hunger einfach mal am Unterarm knabbern... Wir müssen uns aber erhalten. Und nicht nur uns selbst, sondern auch die anderen von unserer Art. Sonst wären wir nicht vorhanden. Deshalb prägte die Evolution unsere Empathie. Deshalb lächeln wir, wenn uns ein Baby anlächelt. Deshalb gibt es das Lächeln. Obwohl das Leben an sich- anderes zu behaupten wäre ja wieder nur Teleologie- keinen Zweck hat. Da das Leben aber nunmal (zufällig!) besteht, ist es daran interessiert, weiter zu bestehen. Es gibt einfach zu viele Belohnungen. Nicht nur beim Orgasmus. Was wir als gut empfinden, ermöglicht die Orgasmen, zu denen auch unsere Augenblicke der Begeisterung gehören. Verunmöglichungen von gehirnbelohnenden Botenstoffen dagegen sind für uns das Böse. Neurologen wissen das. Wir haben also ein ein genetisch eingepflanztes, sinnlich- konkret erfahrbares ethisches System. Wozu braucht es da noch Religion?
Religion ist die Nebenwirkung einer lebenswichtigen Gehirnfunktion. Diese heißt Vereinfachung, Verkürzung, vorübergehende Verblödung zwecks rascher Handlungsmöglichkeit zur Abwehr von Gefahr. Wir nehmen einen "intentionalen" Standpunkt ein, folgen der Intention und nicht dem Verstand. In Gefahr oder bei Erschöpfung begnügen wir uns mit der Bildzeitung der Evolution. Schlagzeilen ohne Storys.
Ähnlich wie bei Motten. Sie orientieren sich am Licht. So finden sie wieder nach Hause. Gewöhnlich haben sie also die Sonne und nachts den Mond und die Sterne. Offene Flammen gehören nicht in ihr natürliches Orientierungsschema. Motten sind keine Kamikaze- Flieger. Sie erliegen nur dem Irrtum, die Flamme sei eine Art Kompass und nicht eine Gefahr. Was der Motte die Flamme ist, bedeutet für den Menschen die Religion.
Dabei wollen wir doch eigentlich nur bestehen, und nicht verblöden, oder?
Diese mitunter lebenswichtige angeborene Fähigkeit zu völliger Irrationalität zeigt sich auch, wenn wir uns verlieben. Es ist im Sinne der Arterhaltung, wenn wir nicht nur mit einer beliebigen PartnerIn kopulieren, sondern wenn wir uns an sie tatsächlich gebunden fühlen, psychisch und physisch.
Dafür tun wir viel "dummes Zeug". Anstatt wie Hunde nur ein wenig herumzuschnüffeln und dann handfest zu werden, um hernach das Ganze wieder zu vergessen, pflegen wir allerlei Riten, Bewegungen und Aufmerksamkeits- Versicherungen bis hin zu jahrelanger Treue. Eigentlich unlogisch, denn auch durch Polyamorie würde die Menschheit weiter bestehen. Aber nein, wir sind verliebt, wir stehen unter Drogen.
Warum? Weil es die Evolution als sinnvoll "erachtete", dass wir an der Aufzucht unserer Brut interessiert sind. (Ich setze "erachtete" bewusst in Anführungszeichen, um mich gegen Kreationisten zu wappnen.) Und so ist auch die Liebe eine irrationale, aber lebensnotwendige Erscheinung, die es uns ermöglicht, andere irrationale Verhaltensmuster auszubilden, auch dann, wenn diese überhaupt nicht lebenswichtig sind. Religion etwa. Oder Patriotismus. Wir sind anfällig für alle möglichen geistigen Viren. So kommt es zu Geistes- Krankheiten. Diese werden vor allem von jenen befördert, die von ihnen profitieren.
In verzückter Betrachtung eines Aufsatzes von Bertrand Russell, den er am 6. März 1927 für die National Secular Society, South London Branch in der Battersea Town Hall hielt, erlaube ich mir einige blasphemische Kommentare.
Der vollständige Aufsatz von Russell ist hier zu finden: http://www.bfg-bayern.de/ethik/Personen/Russell_Bertrand.htm (Archiv-Version vom 06.04.2014)
Die moralischen GottesbeweiseEs erscheint logisch, dass ohne die Trennung von Gut und Böse alles egal wäre. Ob wir uns atomar zerstören oder nicht- dem Universum ist das (Stern- ) schnuppe. Lediglich unsere Gene hindern uns an dem "Experiment" der Selbsttötung. Wissenschaftlich interessant wäre es schon. Theologisch interessant allemal, denn dann könnten wir uns hinterher darüber unterhalten. Im Himmel oder in der Hölle.
Wir kommen jetzt zu einem weiteren Stadium der geistigen Entwicklung, wie ich es bezeichnen möchte, die die Theisten mit ihren Beweisen durchgemacht haben, und zwar zu den sogenannten moralischen Argumenten für die Existenz Gottes. Früher gab es bekanntlich drei Vernunftbeweise für die Existenz Gottes, die alle von Immanuel Kant in der "Kritik der reinen Vernunft" entkräftet wurden; aber kaum hatte er sie abgetan, erfand er einen neuen, einen moralischen Beweis, und dieser überzeugte ihn vollkommen. Wie so viele Menschen war er in intellektuellen Fragen skeptisch, aber in Dingen der Moral glaubte er bedingungslos an die Maximen, die er auf dem Schoß seiner Mutter in sich aufgenommen hatte. Das veranschaulicht nur, was die Psychoanalytiker so sehr betonen - nämlich, wie unendlich stärker wir von unseren frühkindlichen Assoziationen beeinflusst werden als von denen späterer Altersstufen. Wie gesagt, Kant erfand ein neues, moralisches Argument für die Existenz Gottes, das in verschiedenen Fassungen im neunzehnten Jahrhundert außerordentlich beliebt war. Man hört es in allen möglichen Versionen. Eine davon besagt, ohne die Existenz Gottes gäbe es weder Gut noch Böse. Im Augenblick befasse ich mich nicht damit, ob zwischen Gut und Böse überhaupt ein Unterschied besteht; das ist eine andere Frage. Das Problem, mit dem ich mich auseinandersetze, ist folgendes. Wenn man ganz sicher ist, dass zwischen Gut und Böse ein Unterschied besteht, sieht man sich vor folgende Frage gestellt: Besteht dieser Unterschied durch einen Machtspruch Gottes oder nicht? Wenn er durch einen Machtspruch Gottes besteht, dann gibt es für Gott selbst keinen Unterschied zwischen Gut und Böse, und es bedeutet nichts mehr, wenn man feststellt, Gott sei gut. Wenn man wie die Theologen sagt, Gott sei gut, so muss man auch sagen, Gut und Böse haben eine Bedeutung, die vom Machtspruch Gottes unabhängig ist; denn dass Gottes Befehle gut und nicht schlecht sind, ist unabhängig von der bloßen Tatsache, dass er sie gab. Dann muss man aber einräumen, dass Gut und Böse nicht durch Gott entstanden sind, sondern ihrem Wesen nach logisch vor Gott kommen. Wenn man wollte, könnte man natürlich sagen, es gebe eine übergeordnete Gottheit, die dem Gott, der unsere Welt erschaffen hat, Befehle erteilt, oder man könnte sich die Auffassung einiger Gnostiker zu eigen machen -die ich oft ganz plausibel finde -‚ dass nämlich unsere Welt in einem Augenblick, als Gott nicht achtgab, vom Teufel erschaffen wurde. Man könnte für diese Auffassung eine ganze Menge Grunde anführen, und es ist nicht meine Aufgabe, sie zu widerlegen.
Wieso hindern uns die Gene an diesem Experiment? Weil es uns sonst nicht gäbe. Sonst hätte wir uns beispielsweise schon selbst als Nahrung entdeckt. Bei Hunger einfach mal am Unterarm knabbern... Wir müssen uns aber erhalten. Und nicht nur uns selbst, sondern auch die anderen von unserer Art. Sonst wären wir nicht vorhanden. Deshalb prägte die Evolution unsere Empathie. Deshalb lächeln wir, wenn uns ein Baby anlächelt. Deshalb gibt es das Lächeln. Obwohl das Leben an sich- anderes zu behaupten wäre ja wieder nur Teleologie- keinen Zweck hat. Da das Leben aber nunmal (zufällig!) besteht, ist es daran interessiert, weiter zu bestehen. Es gibt einfach zu viele Belohnungen. Nicht nur beim Orgasmus. Was wir als gut empfinden, ermöglicht die Orgasmen, zu denen auch unsere Augenblicke der Begeisterung gehören. Verunmöglichungen von gehirnbelohnenden Botenstoffen dagegen sind für uns das Böse. Neurologen wissen das. Wir haben also ein ein genetisch eingepflanztes, sinnlich- konkret erfahrbares ethisches System. Wozu braucht es da noch Religion?
Das Argument der ausgleichenden GerechtigkeitFür das Entstehen von Religionen gibt es verschiedene Thesen. Biologisch- evolutionär betrachtet steht die hier auch von Russell erwähnte Beobachtung, dass ein Kind darauf angwewiesen ist, den Erwachsenen zu glauben. Denn der Mensch ist nicht besonders instinktsicher beim Erkennen von Gefahren. Und so können die Erwachsenen den Kindern viel Unsinn erzählen, neben all dem Nützlichen und Lebenserhaltendem, was sie den Kindern mitgeben. Aber wie entstand nun überhaupt Religion? Es ist oft notwendig, einfach zu denken. Bedroht mich ein Tiger, muss ich meine Fähigkeit zu komplexem Denken ausblenden, um rasch zu handeln. Ich überlege nicht, wie die Muskeln des Tigers heißen oder welche Augenfarbe er hat. Ich muss verkürzt denken, um fliehen zu können. Ich brauche eine einfache Antwort. Ich muss das Ding, das mir gegenübersteht, nach seinem äußerlichen Schein bewerten. Ich muss ihm einen Namen geben. Diese Fähigkeit zu temporärer Idiotie, oder, wen das als Mensch beleidigt, zu rein instinktivem, irrationalem Bewerten ist lebenswichtig. Man musste Gott benennen, als Synonym für alles, was nicht erklärt werden konnte. Gott ist kein Forschungsgegenstand, sonst wüssten wir heute wahrscheinlich schon, wie er aussieht.
Dann gibt es noch ein sehr eigenartiges moralisches Argument, nämlich die Behauptung, die Existenz Gottes sei nötig, um Gerechtigkeit in diese Welt zu bringen. In dem Teil des Universums, den wir kennen, herrscht große Ungerechtigkeit. Oft leiden die Guten, während es den Schlechten wohlergeht, und es ist schwer zu sagen, was ärgerlicher ist. Wenn jedoch im Universum als Ganzem Gerechtigkeit herrschen soll, muss man annehmen, dass ein zukünftiges Leben den Ausgleich zum irdischen Leben herstellen wird. So wird also behauptet, es müsse einen Gott geben und es müsse Himmel und Hölle geben, damit auf die Dauer Gerechtigkeit herrschen könne. Das ist ein sehr merkwürdiges Argument. Wollte man die Angelegenheit vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachten, so müsste man sagen: "Schließlich kenne ich nur diese Welt. Ich weiß nicht, wie das übrige Universum beschaffen ist, aber soweit man überhaupt mit der Wahrscheinlichkeit argumentieren kann, muss man annehmen, dass diese Welt ein gutes Beispiel für das Universum ist, und dass, wenn es hier Ungerechtigkeit gibt, sie höchstwahrscheinlich auch anderswo vorhanden sein wird." Nehmen wir an, Sie bekommen eine Kiste Orangen und beim Öffnen stellen Sie fest, dass die ganze oberste Lage Orangen verdorben ist. Sie würden daraus nicht schließen: "Die unteren müssen dafür gut sein, damit es sich ausgleicht." Sie würden vielmehr sagen: "Wahrscheinlich ist die ganze Kiste verdorben." Und so würde auch ein wissenschaftlich denkender Mensch das Universum beurteilen. Er würde sagen: "Hier in dieser Welt finden wir sehr viel Ungerechtigkeit, und das ist ein Grund anzunehmen, dass nicht Gerechtigkeit die Welt regiert; es liefert uns ein moralisches Argument gegen Gott und nicht für Gott." Natürlich weiß ich, dass nicht solche verstandesmäßigen Argumente, wie ich sie Ihnen dargelegt habe, die Menschen wirklich bewegen. Was sie dazu bewegt, an Gott zu glauben, ist überhaupt kein verstandesmäßiges Argument. Die meisten Menschen glauben an Gott, weil man es sie von frühester Kindheit an gelehrt hat, und das ist der Hauptgrund. Der zweitstärkste Beweggrund ist wohl der Wunsch nach Sicherheit, nach einer Art Gefühl, dass es einen großen Bruder gibt, der sich um einen kümmert. Das trägt sehr wesentlich dazu bei, das Verlangen der Menschen nach einem Glauben an Gott hervorzurufen.
Religion ist die Nebenwirkung einer lebenswichtigen Gehirnfunktion. Diese heißt Vereinfachung, Verkürzung, vorübergehende Verblödung zwecks rascher Handlungsmöglichkeit zur Abwehr von Gefahr. Wir nehmen einen "intentionalen" Standpunkt ein, folgen der Intention und nicht dem Verstand. In Gefahr oder bei Erschöpfung begnügen wir uns mit der Bildzeitung der Evolution. Schlagzeilen ohne Storys.
Ähnlich wie bei Motten. Sie orientieren sich am Licht. So finden sie wieder nach Hause. Gewöhnlich haben sie also die Sonne und nachts den Mond und die Sterne. Offene Flammen gehören nicht in ihr natürliches Orientierungsschema. Motten sind keine Kamikaze- Flieger. Sie erliegen nur dem Irrtum, die Flamme sei eine Art Kompass und nicht eine Gefahr. Was der Motte die Flamme ist, bedeutet für den Menschen die Religion.
Dabei wollen wir doch eigentlich nur bestehen, und nicht verblöden, oder?
Diese mitunter lebenswichtige angeborene Fähigkeit zu völliger Irrationalität zeigt sich auch, wenn wir uns verlieben. Es ist im Sinne der Arterhaltung, wenn wir nicht nur mit einer beliebigen PartnerIn kopulieren, sondern wenn wir uns an sie tatsächlich gebunden fühlen, psychisch und physisch.
Dafür tun wir viel "dummes Zeug". Anstatt wie Hunde nur ein wenig herumzuschnüffeln und dann handfest zu werden, um hernach das Ganze wieder zu vergessen, pflegen wir allerlei Riten, Bewegungen und Aufmerksamkeits- Versicherungen bis hin zu jahrelanger Treue. Eigentlich unlogisch, denn auch durch Polyamorie würde die Menschheit weiter bestehen. Aber nein, wir sind verliebt, wir stehen unter Drogen.
Warum? Weil es die Evolution als sinnvoll "erachtete", dass wir an der Aufzucht unserer Brut interessiert sind. (Ich setze "erachtete" bewusst in Anführungszeichen, um mich gegen Kreationisten zu wappnen.) Und so ist auch die Liebe eine irrationale, aber lebensnotwendige Erscheinung, die es uns ermöglicht, andere irrationale Verhaltensmuster auszubilden, auch dann, wenn diese überhaupt nicht lebenswichtig sind. Religion etwa. Oder Patriotismus. Wir sind anfällig für alle möglichen geistigen Viren. So kommt es zu Geistes- Krankheiten. Diese werden vor allem von jenen befördert, die von ihnen profitieren.