Politische Lieder
22.06.2007 um 20:50
Konstantin Wecker, 1974: Willy
Willy
Mei, Willy, jetz wo i di sodoliegn sich, so weit weg hinter dera Glasscheibn, genau oa Lebn zweit weg, da denk i madoch, es hat wohl so kumma müaßn, i glaub oiwei, du hast as so wolln,Willy.
Ogfanga hat des ja alles 68, woaßt as no: Alle zwoa san ma mitglaffa fürdie Freiheit und fürn Friedn, mit große Augn, und plärrt habn ma: Bürger laßt das Glotzensein, kommt herunter, reiht euch ein! Und du warst halt immer oan Dreh weiter wia mir,immer a bisserl wuider und a bisserl ehrlicher.
Mia habns eana zoagn wolln, Willy,und du hast ma damals scho gsagt: Freiheit, Wecker, Freiheit hoaßt koa Angst habn, vorneamands, aber san ma doch ehrlich, a bisserl a laus Gfühl habn ma doch damals schoghabt, wega de ganzen Glätzen, die einfach mitglaffa san, weils aufgeht, wega deSonntagnachmittagrevoluzzer: d´Freindin fotzen, wenns an andern oschaugt, aber über debürgerliche Moral herziagn! Die gleichn, Willy, die jetzt ganz brav as Mei haltn, weilseana sonst naß nei geht! Und du hast damals scho gsagt, lang halt des ned, da is zvuiMode dabei, wenn scho die Schickeria ihrn Porsche gegan 2 CV umtauscht, dann muaß wasfaul sei an der großen Revolution, mitlaffa ohne Denken ko heut nia guat sei, aa ned füra guate Sach.
Gestern habns an Willy daschlogn,
und heit, und heit, und heitwerd a begrobn.
Dann hast plötzlich mim Schlucka ogfanga, und i glaub, a bisserlaufgebn hast damals scho. I versteh di, des is ja koa Wunder, wenn man bedenkt, was alleswordn is aus de großen Kämpfer. Heit denkas ja scho mit 17 an ihr Rente, und de Madlnschütteln weise an Kopf, wenn d´Muater iam Mo as Zeig hischmeißt und sagt, mach doch deinKrampf alloa, i möcht lebn, trotzdem, Willy, ma muaß weiterkämpfen, kämpfen bis zumUmfalln, a wenn die ganze Welt an Arsch offen hat, oder grad deswegn.
Undirgendwann hast dann ogfanga, die echten Leit zum suacha, de wo ned dauernd "Ja HerrLehrer!" sagn, hinten in dene Kneipn am Viktualienmarkt und am Bahnhofseck. Echter san descho, Willy, aber i hab di gwarnt, aufpassen muaßt bei dene, weil des san Gschlagene, undwer dauernd treten werd, der tritt halt aa amoi zruck, aber du hast koa Angst ghabt, ikenn di doch, mia duad koana was, mei, Willy, du dummer Hund du, jetzt sickst as ja, wiada koana was duad.
Gestern habns an Willy daschlogn,
und heit, und heit, undheit werd a begrobn.
Sakrament, Willy! Warst gestern bloß aufm Mond gwesen oderaufm Amazonas in am Einbaum oder ganz alloa aufm Gipfel, drei Schritt vom Himme weg,überall, bloß ned in dera unselign Boazn!
I hab in da Früah no gsagt, fahrn maraus, as Wetter is so glasig, die Berg san so nah, schwänz ma a paar Tag, wia damals inda Herrnschui, an Schlafsack und die Welt in der Taschn, aber du hast scho wiederamoi oansitzn ghabt in aller Früah, und am Abnd hast as dann wiedar amoi zoagn müaßn, daßd dochno oana bist.
Am Anfang wars ja no ganz gmüatlich. Und natürlich habn ma den altenSchmarrn wieder aufgwärmt, wieder amoi umanandgstritten, wer jetz eigentlich mim LehrerHuber seiner Frau poussiert hat am Faschingsball, sentimental san ma gwordn, so richtigschee wars, bis der Depp an unsern Tisch kumma is mit seim Dreikantschlüsselkopf, kloa,schwammig und braun. Und dann hat a uns gfragt, ob ma beim Bund gwesen san, na ja, deshabn ma ja noch ganz lustig gfunden, und daß a so froh wär, daß jetzt wieder Ordnungkummt in die rote Staatssauce, und die Jugend werd ja aa wieder ganz vernünftig, und dieBayern wissens as eh scho lang, wos lang geht politisch, Willy, i hab gnau gwußt, deshaltst du ned lang aus, und dann hat a plötzlich as Singa ogfanga, so was vom HorstWessel. Hinten an de andern Tisch habns scho leise mitgsummt, und dei Birn is ogschwolln,und plötzlich springst auf und plärrst:
Halts Mei, Faschist!
Stad wars,knistert hats. Die Luft war wiara Wand. Zum Festhalten. Da hätt ma no geh kenna, Willy,aber na, i verstehs ja, du hast bleibn muäßn, und dann is losganga an de andern Tisch:Geh doch in d´Sowjetunion, Kommunist! Freili, Willy, da muaß ma narrisch werdn, wennsscho wieder soweit is, aber trotzdem, laßn geh, hab i gsagt, der schad doch neamandsmehr, der oide Depp, nix, hast gsagt, alle schadens, de oiden und de junga Deppen, unddann hat der am Nebentisch plötzlich sei Glasl daschlogn, ganz ruhig, und is aufgstanden,Willy, du dumme Sau, i hab di bei da Joppen packt und wollt di rausziagn, obwohl i´s schonimmer glaubt hab, und du hast di losgrissen: Freiheit, des hoaßt koa Angst habn vorneamands, und bist auf ean zua und nacha hat a halt auszogn... Willy, Willy, warn ma bloßweggfahrn in da Früah, i hätt di doch no braucht, wir alle brauchen doch solche, wia duoana bist!
Gestern habns an Willy daschlogn,
und heit, und heit, und heit werda begrobn.