@0815DenkerDer Erste Weltkrieg war die Kulmination des russisch-englischen, des englisch-deutschen und des slawisch-habsburgischen Konfliktes. Er war ein absolut unvermeidbarer Aderlass.
Punkt Eins.
Die Briten haben Russland die Meerengen im Schwarzmeerraum nicht gegönnt und wollten sich selber dort festigen; sie wollten Afghanistan und damit den großindischen Raum sichern und Russland als Konkurrenten im südasiatischen Raum entfernen. Dazu war es nötig, ihnen die Dardanellen, den Bosporus und den Balkan zu versprechen, da der russisch-japanische Krieg die russische Expansion in Asien quasi beendet hat. Das war den Engländern rechtens.
Punkt Zwei.
Die Briten wollten jegliche Expansion Deutschlands unterbinden und die Entstehung eines "Imperium Germanicum" um jeden Preis verhindern; dazu gehörten vor allem Kolonien und Flotten - sowie natürlich die Vormachtstellung auf dem europäischen Festland.
Frankreich war Englands kleiner Schoßhund und wollte sich aus seiner Position als Knecht der Briten befreien indem es Deutschland auf dem Festland besiegte und sich die 1871 verlorenen Territorien wiederholte.
Fazit: Die Entente Cordiale wollte den Krieg um jeden Preis.
So viel zum "Global Game". Sehen wir uns nun den Balkan selbst an.
Punkt Eins.
Russland konzentrierte sich wegen der Schmach im Osten auf den Balkan, da Russen und Serben immer schon eng verwobene Brüdervolker waren und es massenhaft russische Freiwillige in den Balkankriegen gab. Russland war die Schutzmacht der armen slawischen Brüderchen auf dem Balkan, die von den Türken geknechtet worden waren und wollte a) seine Vormachtstellung auf dem europäischen Festland weiter ausbauen durch die Errichtung russlandtreuer, slawischer Staaten auf dem Gebiet Südosteuropas und b) die Türken endgültig als Balkanmacht vertreiben.
Russland wollte den Krieg nicht zwangsläufig, aber sie waren in jedem Falle dazu bereit!
Punkt Zwei.
Die Serben wollten die Unabhängigkeit, sie haben sich brav benommen und waren gerade erst von den Türken befreit worden. Es gab starke nationalistische Strömungen, die Serben hatten seit 1389 darum gekämpft, endlich eine starke, unabhängige Nation zu sein. Und es ging nicht nur um Serbien: es ging um alle Slawen auf dem Balkan, um den russozentrischen Panslawismus, der wie oben beschrieben ein Konglomerat oder einen einzigen slawischen Staat auf dem Balkan errichten will, der ein enger Partner Russlands wäre; das wollte und konnte Österreich nicht zulassen, weswegen sie sich sogar mit ihren Todfeinden (den Türken) verbündeten, um die Gefahr des erstarkenden Slawentums zu bannen.
Fazit hier: Viele Kräfte in Österreich wollten den Krieg, viele serbische Nationalisten waren sehr militant und Russland war bereit, sich einzusetzen.
Zu Deutschland muss man nicht viel sagen - dass Wilhelm II. ein größenwahnsinniger Kriegstreiber war ist allgemein bekannt.
Die Kriegsschuld kann nicht eindeutig festgelegt werden; und die einseitigen Behauptungen hier, die Ermordung des Großherzogs hätte zum Krieg geführt sind das Ergebnis von Entente-Kalkül oder deutschnationaler Verherrlichung und purer Ignoranz. Den Krieg hätte es in JEDEM Falle gegeben, da zu viele Parteien ihn wollten und bereit dazu waren.
Der Große Krieg war absolut unabdingar; die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts war meines Erachtens nach Folge des Zusammenbruches der Heiligen Allianz und des Großen Spiels und begann viele, viele Jahrzehnte vor der Julikrise.