Über das Verschwinden des bürgerlichen Bewusstsein
26.06.2004 um 14:00Ich erlaube mir auch hier zunächst den Hinweis auf die neue, eingestellte Radiosendung zum CAMPO - http://www.campodecriptana.de/index.php?page=presse
Über das Verschwinden des bürgerlichen Bewusstseins
Kurt Tucholsky schrieb kurz vor seinem Tode im schwedischen Exil: „„Die freiheitlichen Ideen des Bürgertums aber sind tot, niemand lässt sich dafür ohrfeigen. Hier ist etwas zu Ende gegangen. Daß auf dem Champs Elysées antisemitische Blätter verkauft werden, zeigt, dass niemand das als schändlich empfindet – achselzuckend, murrend und gleichgültig gehen die Leute daran vorbei, und die Juden sind ja auf Meilen nicht zu sehn. Nun, was sich nicht aggressiv verteidigt, das geht unter, und man soll es noch stoßen, denn es ist nicht mehr lebensfähig. Es ist für uns andere, die wir weder Faschisten noch Kommunisten sind, keinerlei Idee da, für die wir ein Opfer bringen könnten, keine, die uns befeuert, wir wissen nur, was wir nicht wollen.“ (Aus dem Beitrag von Fritz J. Raddatz)
Diese resignierenden Worte erreichen siebzig Jahre nach ihrer Entstehung ebenso wenig das Herz „der anderen“, erst recht nicht den Verstand, als sie es damals vermochten. Das Subjekt hatte sich schon fast aufgelöst. Heute fehlt daran beinahe jede Erinnerung.
Geblieben ist eine vage Vorstellung; eine Vorstellung der ökonomischen Wirkung, die beinahe ausschließlich negativ gesehen, „erlebt“ wird. Die kommunistische, „Dimitroffsche Doktrin“, nach dem „der Faschismus“ „die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals" sei, ward inzwischen selbst von konservativ-liberalen Personen so verinnerlicht, dass ideologischer Widerstand gegen diese infantilste aller Deutungen (die zudem den ambivalenten Faschismus mit dem Nationalsozialismus verwechselt, resp. gleichsetzt), nicht mehr stattfindet, oder nur von Einzelpersonen, die jedoch kaum noch Gehör finden. Das Bürgertum stellt keine politischen Vertreter mehr, schlimmer aber: Seine Herkunft, seine Entwicklung, seine Facetten, seine Verdienste, geraten ins Vergessen, sind vom linken Mainstream - der selber nicht mehr in der Tradition seiner Klassiker steht, sondern populistisch- lumpenproletarischen Phantasien anhängt – überzeichnet bis zur Unkenntlichkeit.
Ehedem war das anders, da wusste die Linke um die fortschrittliche, liberale Gesinnung der erwachenden Bürgertums, gab es eine weitgehende Gleichheit der Interessen, zumindest in so weit, als das die gemeinsam anerkannten Prinzipien Handelsfreiheit, Bürgerrechte und Forschungsfreiheit, als Ziele einer entwickelten, säkularen Gesellschaft unstrittig im Vordergrund standen. So schrieb Karl Marx im „Manifest der Kommunistischen Partei, 1848:
„Jede Entwicklungsstufe der Bourgeosie (der Bürgerklasse, Anm. TK) war begleitet von einem entsprechenden politischen Fortschritt. Die Bourgeosie hat durch die Exploitation (Nutzbarmachung) des Weltmarkts die Produktion und Komsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre (!) den nationalen Boden der Industrie den Boden unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren EINFÜHRUNG EINE LEBENSFRAGE FÜR ALLE ZIVILISIERTEN NATIONEN wird. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine ALLSEITIGE ABHÄNGIGKEIT DER NATIONEN VONEINANDER. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen werden GEMEINGUT. Die nationale Einseitigkeit und Beschränktheit wird mehr und mehr unmöglich, und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine WELTLITERATUR. Die Bourgeosie reißt durch die rasche VERBESSERUNG aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich verbesserte Kommunikationen (!) alle, auch die barbarischten Nationen in die ZIVILISATION. DIE WOHLFEILEN PREISE IHRER WAREN SIND DIE SCHWERE ARTILLERIE, MIT DER SIE DEN HARTNÄCKIGSTEN FREMDENHAß DER BARBAREN ZUR KAPITULATION ZWINGT. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeosie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die sogenannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen.“
Heute herrscht das Bild eines Bürgertums vor, das für sämtliche Verbrechen aller Zeiten und Orte verantwortlich gemacht, dessen eigentliche Tätigkeiten gar – Herstellung und Handel – zur kriminellen Handlung stilisiert wird. Obwohl Maßregelungen, wie sie zur Zeit des NationalSOZIALISMUS herrschten, dem Geist der Freiheit des Wettbewerbs völlig widersprachen, und – im Gegenteil – aus den Untiefen der Regulationssüchtigen, der Angsterfüllten, der Unfreien und der Massenmenschen stammten, werden sie in groteskerweise denen unterstellt, dessen Prinzipien dadurch über Bord geworfen wurden. Auch heute gibt es gerade von der Seite der Wirtschaft kein Interesse an Kriegen oder Spannungen – verdient wird, dies ist eine alte Erkenntnis – nur dann, wenn Freiheit herrscht.
Dafür jedoch wird nicht mehr gekämpft, man geniert sich. Verschämt bekennen sich Politiker zu den Grundmotiven des schaffenden, unkonventionellen und unabhängig denkenden Menschen, werden Projekte wie die Gentechnologie entschuldigt, wird der Bevormundung – die selbst bis in den Ernährungsbereich neuer Frauenschaftlerinnen mit Schwarzbrot – Empfehlungen reicht – nicht mit dem nötigen Widerstand begegnet, wird der alltägliche Geschlechterrassismus durch Feministinnen, inklusive des Babymordes, stillschweigend aus der öffentlichen Debatte ausgeklammert. Fehlt jedoch die Möglichkeit zur Forschung, zur Wissensmehrung, sinkt der Grad der Freiheit eigenständiger und eigen williger Möglichkeiten zur Entscheidung in gleicher Qualität, wie die Ohnmacht und Desorientierung des Einzelnen steigt. Es bedurfte eines langen Kampfes, ehe die Menschheit aus dem Dunkel der Geschichte trat, den Ballast abwarf und sich neue Horizonte in einer sukzessiv offenen Gesellschaft eroberte.
Der Mensch wird zum Tabu erklärt, wer forschen will, muss sich erklären – das Trauma der Naziideologie wird als schlecht begründete Moralbremse auf alle Bereiche ausgedehnt. Selbst eindeutig und ausschließlich positive Optionen der Menschheitsforschung, sind mit dem Geruch der Manipulation behaftet. Die Gefahren, mit der herrschenden „Political Correctness“, Wissenschaft und Entscheidungsfreiheit einzuengen oder sogar zu ersticken, wachsen von Tag zu Tag, obwohl ohne sie der „relativ freie Wille“ – stärker denn je – zur bloßen Abstraktion wird. Es bedarf des Willens zur Aufklärung, um das Prinzip: „Ich will“ zu verteidigen, und das „Du sollst“ jenen zuzueignen, welche mit untauglichen Mitteln, Erkenntnisse verhindern möchten – als eine quasi Neuauflage der Erbsünde…
Aktuell dominiert eine laxe Haltung zur Verteidigung der Werte einer bürgerlichen Gesellschaft, eines nachvollziehbaren Rechtssystems und einer Eigenverantwortlichkeit, zuletzt gar die Aufgabe der eigenen Existenz durch allgemeine Postulierung der Wehrlosigkeit. Verteidiger des Status Quo werden mit plakativen Begriffen wie rassistisch oder faschistisch abgestraft, die politischen Vertreter bei jedem öffentlichen Auftritt beschimpft, verleumdet oder durch Krawalle in den Zustand der Mitteilungsunfähig gesetzt – die Versammlungsfreiheit besteht für das konservative Spektrum längst nicht mehr. Niemand wehrt sich dagegen; die liberal-konservative Jugend pflegt ihre Frisuren, schaut, ob die Krawatte sitzt und gibt sich zum Wochenende seinen wenig exklusiven Neigungen, die sich von anderen in so weit unterscheiden, als dass sie weniger lustig sind, in gleicher Decadence hin, wie es der Vorsitzende einer Spaßpartei auf dem CSD oder im Container bei den ausgesuchten Lumpenproletarierdarstellern macht.
Es herrscht Einigkeit darüber, man dürfe uns solle anderen „Kulturkreisen“ nicht vorschreiben, welche Lebensart man wählen solle, als würden „wir“ anderen unseren Willen aufzwingen, und nicht – im Gegenteil – die Herrschaft anderswo ihren Bürgern die freie Wahl ihres Lebensstiles untersagen. In Wirklichkeit spricht aus diesen Worten aber die Kapitulation. Der Kampf um die Werte der westlichen Welt wurde zugunsten eines auf Angst basierenden Rückzuges aufgegeben. Wie Tucholsky ja im eingangs zitierten Satz sinngemäß sagte, lässt sich niemand mehr für die „freiheitlichen Ideen des Bürgertums ohrfeigen“.
Wie schrieb ich jedoch schon direkt nach dem Attentat vom 11. Septembers 2001:
„Die Demokraten Deutschlands müssen den Gegnern der freiheitlichen Lebensweise, wesentlich entschiedener und offensiver entgegentreten als in der Vergangenheit, sonst haben wir den Kampf um die Aufklärung - der Prinzipien von Verstand und Vernunft, der Freiheit und der Demokratie – binnen kürzester Zeit endgültig verloren. Aber genau darum geht es: Die Früchte der französischen Revolution - auch ihres amerikanischen Vorläufers - und die von dort ausgehende Basis weiterer Verbesserungen, wären auf ewig verdorben, ja selbst die Erinnerung an ihren Geschmack, an ihre Schönheit, unrettbar im Menschheitsgedächtnis ausradiert.“
Doch Deutschland pausiert. Wie lange noch?
www.campodecriptana.de
Über das Verschwinden des bürgerlichen Bewusstseins
Kurt Tucholsky schrieb kurz vor seinem Tode im schwedischen Exil: „„Die freiheitlichen Ideen des Bürgertums aber sind tot, niemand lässt sich dafür ohrfeigen. Hier ist etwas zu Ende gegangen. Daß auf dem Champs Elysées antisemitische Blätter verkauft werden, zeigt, dass niemand das als schändlich empfindet – achselzuckend, murrend und gleichgültig gehen die Leute daran vorbei, und die Juden sind ja auf Meilen nicht zu sehn. Nun, was sich nicht aggressiv verteidigt, das geht unter, und man soll es noch stoßen, denn es ist nicht mehr lebensfähig. Es ist für uns andere, die wir weder Faschisten noch Kommunisten sind, keinerlei Idee da, für die wir ein Opfer bringen könnten, keine, die uns befeuert, wir wissen nur, was wir nicht wollen.“ (Aus dem Beitrag von Fritz J. Raddatz)
Diese resignierenden Worte erreichen siebzig Jahre nach ihrer Entstehung ebenso wenig das Herz „der anderen“, erst recht nicht den Verstand, als sie es damals vermochten. Das Subjekt hatte sich schon fast aufgelöst. Heute fehlt daran beinahe jede Erinnerung.
Geblieben ist eine vage Vorstellung; eine Vorstellung der ökonomischen Wirkung, die beinahe ausschließlich negativ gesehen, „erlebt“ wird. Die kommunistische, „Dimitroffsche Doktrin“, nach dem „der Faschismus“ „die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals" sei, ward inzwischen selbst von konservativ-liberalen Personen so verinnerlicht, dass ideologischer Widerstand gegen diese infantilste aller Deutungen (die zudem den ambivalenten Faschismus mit dem Nationalsozialismus verwechselt, resp. gleichsetzt), nicht mehr stattfindet, oder nur von Einzelpersonen, die jedoch kaum noch Gehör finden. Das Bürgertum stellt keine politischen Vertreter mehr, schlimmer aber: Seine Herkunft, seine Entwicklung, seine Facetten, seine Verdienste, geraten ins Vergessen, sind vom linken Mainstream - der selber nicht mehr in der Tradition seiner Klassiker steht, sondern populistisch- lumpenproletarischen Phantasien anhängt – überzeichnet bis zur Unkenntlichkeit.
Ehedem war das anders, da wusste die Linke um die fortschrittliche, liberale Gesinnung der erwachenden Bürgertums, gab es eine weitgehende Gleichheit der Interessen, zumindest in so weit, als das die gemeinsam anerkannten Prinzipien Handelsfreiheit, Bürgerrechte und Forschungsfreiheit, als Ziele einer entwickelten, säkularen Gesellschaft unstrittig im Vordergrund standen. So schrieb Karl Marx im „Manifest der Kommunistischen Partei, 1848:
„Jede Entwicklungsstufe der Bourgeosie (der Bürgerklasse, Anm. TK) war begleitet von einem entsprechenden politischen Fortschritt. Die Bourgeosie hat durch die Exploitation (Nutzbarmachung) des Weltmarkts die Produktion und Komsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre (!) den nationalen Boden der Industrie den Boden unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren EINFÜHRUNG EINE LEBENSFRAGE FÜR ALLE ZIVILISIERTEN NATIONEN wird. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine ALLSEITIGE ABHÄNGIGKEIT DER NATIONEN VONEINANDER. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen werden GEMEINGUT. Die nationale Einseitigkeit und Beschränktheit wird mehr und mehr unmöglich, und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine WELTLITERATUR. Die Bourgeosie reißt durch die rasche VERBESSERUNG aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich verbesserte Kommunikationen (!) alle, auch die barbarischten Nationen in die ZIVILISATION. DIE WOHLFEILEN PREISE IHRER WAREN SIND DIE SCHWERE ARTILLERIE, MIT DER SIE DEN HARTNÄCKIGSTEN FREMDENHAß DER BARBAREN ZUR KAPITULATION ZWINGT. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeosie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die sogenannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen.“
Heute herrscht das Bild eines Bürgertums vor, das für sämtliche Verbrechen aller Zeiten und Orte verantwortlich gemacht, dessen eigentliche Tätigkeiten gar – Herstellung und Handel – zur kriminellen Handlung stilisiert wird. Obwohl Maßregelungen, wie sie zur Zeit des NationalSOZIALISMUS herrschten, dem Geist der Freiheit des Wettbewerbs völlig widersprachen, und – im Gegenteil – aus den Untiefen der Regulationssüchtigen, der Angsterfüllten, der Unfreien und der Massenmenschen stammten, werden sie in groteskerweise denen unterstellt, dessen Prinzipien dadurch über Bord geworfen wurden. Auch heute gibt es gerade von der Seite der Wirtschaft kein Interesse an Kriegen oder Spannungen – verdient wird, dies ist eine alte Erkenntnis – nur dann, wenn Freiheit herrscht.
Dafür jedoch wird nicht mehr gekämpft, man geniert sich. Verschämt bekennen sich Politiker zu den Grundmotiven des schaffenden, unkonventionellen und unabhängig denkenden Menschen, werden Projekte wie die Gentechnologie entschuldigt, wird der Bevormundung – die selbst bis in den Ernährungsbereich neuer Frauenschaftlerinnen mit Schwarzbrot – Empfehlungen reicht – nicht mit dem nötigen Widerstand begegnet, wird der alltägliche Geschlechterrassismus durch Feministinnen, inklusive des Babymordes, stillschweigend aus der öffentlichen Debatte ausgeklammert. Fehlt jedoch die Möglichkeit zur Forschung, zur Wissensmehrung, sinkt der Grad der Freiheit eigenständiger und eigen williger Möglichkeiten zur Entscheidung in gleicher Qualität, wie die Ohnmacht und Desorientierung des Einzelnen steigt. Es bedurfte eines langen Kampfes, ehe die Menschheit aus dem Dunkel der Geschichte trat, den Ballast abwarf und sich neue Horizonte in einer sukzessiv offenen Gesellschaft eroberte.
Der Mensch wird zum Tabu erklärt, wer forschen will, muss sich erklären – das Trauma der Naziideologie wird als schlecht begründete Moralbremse auf alle Bereiche ausgedehnt. Selbst eindeutig und ausschließlich positive Optionen der Menschheitsforschung, sind mit dem Geruch der Manipulation behaftet. Die Gefahren, mit der herrschenden „Political Correctness“, Wissenschaft und Entscheidungsfreiheit einzuengen oder sogar zu ersticken, wachsen von Tag zu Tag, obwohl ohne sie der „relativ freie Wille“ – stärker denn je – zur bloßen Abstraktion wird. Es bedarf des Willens zur Aufklärung, um das Prinzip: „Ich will“ zu verteidigen, und das „Du sollst“ jenen zuzueignen, welche mit untauglichen Mitteln, Erkenntnisse verhindern möchten – als eine quasi Neuauflage der Erbsünde…
Aktuell dominiert eine laxe Haltung zur Verteidigung der Werte einer bürgerlichen Gesellschaft, eines nachvollziehbaren Rechtssystems und einer Eigenverantwortlichkeit, zuletzt gar die Aufgabe der eigenen Existenz durch allgemeine Postulierung der Wehrlosigkeit. Verteidiger des Status Quo werden mit plakativen Begriffen wie rassistisch oder faschistisch abgestraft, die politischen Vertreter bei jedem öffentlichen Auftritt beschimpft, verleumdet oder durch Krawalle in den Zustand der Mitteilungsunfähig gesetzt – die Versammlungsfreiheit besteht für das konservative Spektrum längst nicht mehr. Niemand wehrt sich dagegen; die liberal-konservative Jugend pflegt ihre Frisuren, schaut, ob die Krawatte sitzt und gibt sich zum Wochenende seinen wenig exklusiven Neigungen, die sich von anderen in so weit unterscheiden, als dass sie weniger lustig sind, in gleicher Decadence hin, wie es der Vorsitzende einer Spaßpartei auf dem CSD oder im Container bei den ausgesuchten Lumpenproletarierdarstellern macht.
Es herrscht Einigkeit darüber, man dürfe uns solle anderen „Kulturkreisen“ nicht vorschreiben, welche Lebensart man wählen solle, als würden „wir“ anderen unseren Willen aufzwingen, und nicht – im Gegenteil – die Herrschaft anderswo ihren Bürgern die freie Wahl ihres Lebensstiles untersagen. In Wirklichkeit spricht aus diesen Worten aber die Kapitulation. Der Kampf um die Werte der westlichen Welt wurde zugunsten eines auf Angst basierenden Rückzuges aufgegeben. Wie Tucholsky ja im eingangs zitierten Satz sinngemäß sagte, lässt sich niemand mehr für die „freiheitlichen Ideen des Bürgertums ohrfeigen“.
Wie schrieb ich jedoch schon direkt nach dem Attentat vom 11. Septembers 2001:
„Die Demokraten Deutschlands müssen den Gegnern der freiheitlichen Lebensweise, wesentlich entschiedener und offensiver entgegentreten als in der Vergangenheit, sonst haben wir den Kampf um die Aufklärung - der Prinzipien von Verstand und Vernunft, der Freiheit und der Demokratie – binnen kürzester Zeit endgültig verloren. Aber genau darum geht es: Die Früchte der französischen Revolution - auch ihres amerikanischen Vorläufers - und die von dort ausgehende Basis weiterer Verbesserungen, wären auf ewig verdorben, ja selbst die Erinnerung an ihren Geschmack, an ihre Schönheit, unrettbar im Menschheitsgedächtnis ausradiert.“
Doch Deutschland pausiert. Wie lange noch?
www.campodecriptana.de