Träume und Utopien
01.04.2007 um 13:50
http://www.klett-cotta.de/geschichte_buecher_e.html?&tt_products=1918&backPID=60&seite=leseprobe
"Abschaffung ALLER Religionen. Die sind und waren nämlich für fast alle Kriege, Konflikteund Opfer verantwortlich."
was für ein Quatsch. Spirituelle Werte empfinde ichals positiv. okay, vielleicht nicht immer in der Art und Weise, wie dieReligionsvertreter sie vermitteln.
aber du erwähnst es ja bereits, der Menschist verantwortlich für den ganzen Mist, der so abläuft und abgelaufen ist, der Mensch hatdie Religion instrumentalisiert.
">Ich will eine Welt ohne Kriege< - Arno Gruen
Träume sind Lebendigkeit
Wünscht sich ein Kind eine Welt ohne Kriege,wird es von Erwachsenen als naiv abgetan, genauso wie der Jugendliche, der für Friedendemonstriert. Aber was ist naiv an solchen Wünschen? Was ist lächerlich daran, sich eineWelt ohne Gewalt vorzustellen? Warum wird ein von Liebe bestimmtes menschlichesZusammenleben verächtlich als naiver Traum abgetan? Es gilt als erwachsen undrealistisch, sich mit Kriegen abzufinden. »Erwachsene« halten Gewalt für ein Naturgesetz.Der Mensch sei nun mal böse, heißt es. Sogenannte Realisten haben viele solcherWeisheiten auf Lager: »Was im Leben zählt, ist der Erfolg«, »Einer muss immer das Sagenhaben«, »Wenn man etwas haben will, muss man es sich erkämpfen«, »Die Welt ist schlecht«:Sätze wie in Stein gemeißelt, die vermeintliche Wahrheiten verkünden und doch nichtsanderes sind als Behauptungen von Menschen, die nicht mehr bereit sind, an dieMöglichkeit einer anderen und besseren Welt zu glauben. »Vielleicht fehlt uns derTräumer, und wir wissen noch nicht einmal, dass er uns fehlt ... der Träumer, der wahrebegeisterte Irre, der Einsame, der wirklich Verlassene, der einzige tatsächlicheRebell.«1 Das schrieb vor etwa 60 Jahren der Schriftsteller Henry Miller. Träume könnensubversiver sein als politische Ideologien, deshalb sind sie für die selbsternanntenRealisten so bedrohlich.
Eine Patientin erzählte mir einmal, wie sie mit fünfoder sechs Jahren im Garten auf einen wunderschönen mit Schnee bedeckten Baum schaute.Plötzlich schlug ihr die Mutter, die sich von hinten genähert hatte, mit der flachen Handin den Nacken und schrie sie an: »Hör auf zu träumen!« Die Erinnerung der Patientin warso stark, so gegenwärtig, dass sie mich fragte, ob ich es gesehen hätte.
»Hörtauf zu träumen!« ist eines der typischen Diktate, die Erwachsene zwischen sich undJugendliche stellen. Träumen macht vielen Erwachsenen Angst, denn Träumen bedeutetFreiheit von den Einschränkungen des Alltags, von einer Ordnung, die dem Denken Grenzensetzt, aber auch Schutz vor Zweifeln und Unsicherheiten bietet. Viele Erwachsene habensich in ein Bollwerk aus Pseudo-Wahrheiten eingemauert. Eine solche Festung gibt ihnendas Gefühl, sicher vor Überraschungen zu sein und das Leben unter Kontrolle zu haben.Doch was ist das Leben ohne Überraschungen? Sicherheit ist das Gegenteil von Spontaneitätund Neugier, von Mitmenschlichkeit und der Freude am Neuen, am Anderen, am Unbekannten.Kurz: Sicherheit ist der Tod alles Lebendigen. Träume dagegen bedeuten Lebendigkeit.Träume durchdringen die Mauern der Ignoranz und öffnen den Blick für das, was im Lebenalles möglich wäre.
Die amerikanischen Indianer verstanden dies. Deshalb hattensie ein volles Leben – trotz materieller Not und Unsicherheit. In ihrer Weisheit wolltensie diese Unsicherheit auch gar nicht aufgeben. Diese Menschen besaßen, was wir heuteweitgehend verloren haben: Gleichmut in der Unsicherheit, Sicherheit in derHilflosigkeit. Denn ihre Stärke wurzelte nicht in Unverletzlichkeit, sondern imAkzeptieren von Leid und Schmerz als einem selbstverständlichen Bestandteil des Lebens(auf diesen Punkt werde ich noch zurückkommen). Eine Jugend, die noch träumen kann, hatnoch etwas von diesem Potential. Der Verlust kommt erst später, wenn das Träumen ausGründen der Anpassung aufgehört hat.
In seinem Roman »Nachtzug nach Lissabon«schreibt Pascal Mercier über die Jugend: »Wieviel Leben sie noch vor sich haben; wieoffen ihre Zukunft noch ist; was noch alles mit ihnen passieren kann; was sie noch alleserleben können.«
Eltern, aber auch Gesellschaften im Allgemeinen, haben dreiAlternativen, sich gegenüber diesem Zukunftspotential ihrer Kinder zu verhalten: Entwedersie lieben deren Möglichkeiten und fördern diese so gut sie können. Oder sie missbrauchensie, um ihre eigenen Vorstellungen als gute Eltern zu bestätigen. Oder sie unterdrückendieses Lebendige, weil sie es selbst nie leben durften, weil sie es ihren Kindern neidenund deshalb niedermachen müssen. Darum geht es in diesem Buch – und natürlich um dieFrage, was das alles mit unserem Wunsch nach einer friedlichen Welt zu tun hat."