Bin Laden plant Anschlag auf Petersdom
06.04.2005 um 23:52
Über ein hierarchisches, mit zahlreichen Sicherheitsbarrieren ausgestattetes Überwachungssystem wird seit rund 20 Jahren Kommunikation weltweit abgehört und ausgewertet. Anfang der 80er Jahre wurde ein verteiltes Netz von 52 Supercomputern (`Platform´) eingerichtet, um Nachrichten zu entschlüsseln und zu verarbeiten. Zeitgleich wurden die Computer der UKUSA-Stationen miteinander verbunden und in die `Platform´, integriert. Codename: ECHELON.
Ob Telefonate, EMails, Faxe oder Telex, ECHELON hört den gesamten über Satelliten geleiteten Kommunikationsverkehr ab. Konzipiert und koordiniert wurde das ECHELON-System von der NSA; realisiert wurde es zusammen mit den anderen UKUSA-Vertragsstaaten. Involviert in ECHELON sind das Government Communications Headquarters (GCHQ) in Großbritannien, das Communications Security Establishment (CSE) in Kanada, das Defence Signals Directorate (DSD) in Australien und das Government Communications Security Bureau in Neuseeland.
Im wesentlichen besteht das Abhörsystem aus drei Komponenten, um möglichst den kompletten Kommunikationsverkehr zu erfassen: Zum einen dient es der Überwachung von internationalen Telekommunikations-Satelliten (Intelsats), die von den Telefongesellschaften in den meisten Ländern benutzt werden. Weiterhin belauscht es regionale Kommunikationssatelliten, die nicht von Intelsat getragen werden, sowie Kabel und Mikrowellen-Türme.
Intelsats werden durch UKUSA-Stationen abgehört. Eine der ECHELON-Schlüsselstationen steht in Morwenstow in Cornwall, um Europa, den Atlantik und den Indischen Ozean abzuhören. Eine NSA-Station in Sugar Crove, 250 Kilometer südwestlich von Washington, D. C., deckt neben dem Atlantik Nord- und Südamerika ab. Der Pazifik wird von einem Armeestützpunkt aus dem Yakima Firing Center, 200 Kilometer südwestlich von Seattle, abgehört. Was in Yakima nicht erfaßt werden kann, wird an Stationen in Australien und Neuseeland abgegeben. Die neuseeländische Station in Waihopai sowie die westaustralische Geraldton Station überwachen den gesamten Südpazifik und den Indischen Ozean.
Geostationäre SIGINT-Satelliten werden von Schlüsselstationen in Bad Aibling/Bayern, Menwith Hill/Yorkshire, Shoal Bay/Nordaustralien, Leitrim/ Kanada und Misawa/Nordjapan abgehört. Da die Anlagen zum Abhören von Radio- und Satellitenkommunikation in der Regel sehr groß und die Abhörantennen nicht leicht zu verstecken sind, sind ihre Standorte seit Jahrzehnten wohlbekannt. Um jedoch die über Seekabel und Mikrowellentürme geleiteten Datenströme anzuzapfen, genügen eher unauffällige Maßnahmen. Zwar ist Kommunikation via Seekabel gegen Abhören gut geschützt. Doch sobald die Daten die Anlandestationen verlassen, um über Mikrowellentürme oder Kabel in die inländische Kommunikation weitergeleitetet zu werden, sind sie angreifbar: Geheime Abzwei- gungen in unterirdischen Kabelschächten und Abhöranlagen in Gebäuden für Richtfunkstrecken greifen die Daten ab.
Filter für Datensauger
Gefiltert werden die riesigen Informationsmengen mit Hilfe des intelligenten Rastersystems `Memex´. Memex ist ein Analyseprogramm aus der Künstlichen Intelligenz (KI), das Daten auf Schlüsselwörter hin untersuchen kann. Entwickelt wurde es von der britischen Firma Memex Technology Ltd., die vom US-Verteidigungssystem noch heute mit Millionenaufträgen eingedeckt wird. Erst im Juni letzten Jahres erhielt Memex Technology zwei Aufträge im Wert von 1,25 Millionen Pfund, um die britische Polizei mit einem intelligenten System namens CRIMINT auszustatten. Es soll den Fahndern ermöglichen, im Zugriff auf mehrere Datenbanken Daten zu sammeln, zu durchsuchen, und Querverweise zu finden. Dabei wird höchstwahrscheinlich dieselbe Technologie eingesetzt, die Jahre zuvor für die NSA entwickelt wurde.
Das KI-System Memex greift auf nationale Wörterbücher zurück, die mit länderrelevanten Informationen versehen sind. Jede der fünf Schlüsselstationen verfügt über einen eigenen `Wörterbuch´-Computer, der sich über einen Codenamen von den anderen im Netzwerk unterscheidet. Die Codenamen werden an den Anfang jeder abgehörten Botschaft eingefügt, bevor sie stark verschlüsselt über das ECHELON-Netzwerk an die Geheimdiensthauptquartiere weitergeschickt werden. In Washington, Ottawa, Cheltenham und Wellington können die Wörterbücher über ein Inhaltsverzeichnis mit verschiedenen Kategorien abgerufen oder nach Schlüsselwörtern durchsucht werden.
Die Kategorien werden in einem vierziffrigen Zahlencode angegeben. Nicky Hager führt als Beispiel an, daß Kategorie `1911´ die Kommunikation von japanischen Diplomaten in Lateinamerika beinhalten könnte, `8182´ alle Botschaften über die Verbreitung von Verschlüsselungstechnologie und so weiter. Per Mausklick sehen die Nachrichtenanalytiker sofort, wieviel Nachrichten in einer Kategorie über Nacht aufgelaufen sind.
Stück für Stück werden die Nachrichten durchkämmt. Sind sie interessant, wird ein Bericht verfaßt. Nachrichten, die nicht in Englisch vorliegen, werden übersetzt. Durch die Anordnung und Organisation der Wörterbücher wird jedoch deutlich, daß die NSA auch hier ihren Verbündeten keinen Zugang zu allen abgehörten Informationen gewährt, daß nur sie über den großen Datenpool verfügt. Jeder Geheimdienst legt seine eigenen Kategorien entsprechend seiner Zuständigkeiten fest. Rund 10 bis 50 Schlüsselwörter werden für jede Kategorie ausgearbeitet, die Namen von Personen, Transportmitteln, Organisationen, Ländern oder Sachverhalten, aber auch Telex- und Faxnummern, EMail-Adressen und Telefonnummern bestimmter Personen, Ministerien oder Firmen enthalten könnten. Die Schlüsselwörter werden in bestimmten Kombinationen in den Wörterbuch-Computern abgelegt. Die Geheimdienste können dann nur die eigenen Kategorien abrufen, über den Zugriff auf andere Kategorien muß verhandelt werden.
US-Abhöranlagen in Deutschland
In periodischen Abständen geraten die Abhöranlagen immer wieder ins Visier von Presse und Politikern. In Deutschland werden seitens der Bundesregierung jedoch parlamentarische Anfragen immer wieder mit denselben Floskeln abgebügelt, obwohl dem Bündnispartner ab und zu schon auf den Finger geklopft wird.
Die europaweit größte `Signals Intelligence´ Anlage steht auf dem Lechfeld bei Gablingen. Das kreisförmige, im Durchmesser circa 300 Meter große und 100 Meter hohe Antennengitter horchte in den Zeiten des Kalten Krieges auf Kurzwelle gen Osten. In zwölf Stockwerken unter der Anlage sollen gigantische Computeranlagen das Abgehörte auswerten.
Im Mai 1996 stellte der bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Reinhold Kamm der bayerischen Landesregierung einige Fragen zur Abhörstation. Nur in den Zwischentönen der Antwort lassen sich Unstimmigkeiten herauslesen. Die bayerische Landesregierung erklärte, Gablingen sei zur Aufklärung `ausländischer militärischer Funkverbindungen konzipiert´. Die Regierung habe keine Erkenntnisse, daß mit dieser Anlage `gegen deutsches Recht verstoßen´ werde [5]. Nur war nach deutschem Recht das Abhören zu diesem Zeitpunkt nicht illegal, da es nicht von Mitarbeitern von TK-Anbietern durchgeführt wurde. Auch die US-Streitkräfte selbst gaben eine Erklärung ab: `Wir erklären hiermit offiziell, daß die Behauptung, daß ausgehend von den Antennenanlagen in der Kaserne Gablingen - die von der 66. Nachrichtendienstgruppe betrieben wird - Spionagetätigkeiten gegen das Gastland getätigt werden, absolut unbegründet ist.´ Ob diese standardmäßig abgegebenen Erklärungen jedoch glaubhaft sind, das ist zu bezweifeln.
Gerüchte, die Funküberwachungsstation würde in diesem Jahr noch von den US-Streitkräften aufgegeben, erwiesen sich als gegenstandslos. Indes wurde die `Field Station Berlin´ auf dem Berliner Teufelsberg geräumt, ebenso die Frankfurter NSA-Filiale. Die NSA hatte jahrelang direkt über der Frankfurter Hauptpost eine Abhörzentrale betrieben. Auch nach dem Umzug in ein nahegelegenes Gebäude war die NSA über gepanzerte Telefonleitungen direkt mit dem Telekommunikations-Knoten der Bundespost in Frankfurt verbunden. Nach längerem Verwirrspiel outete sich der Bundesnachrichtendienst (BND) als Mieter der Räume, doch die Besucher waren mehrheitlich Amerikaner gewesen.
Geheimnisumwittert und umstritten ist nach wie vor Bad Aibling: deutsche Schaltzentrale des ECHELON-Abhörrings und Steuerzentrum für amerikanische Spionagesatelliten. Gigantische Antennenanlagen liegen unter Schutzhauben wie Champignons auf der Ebene, um `russisches Militär´ auszuhorchen. Bis 1995 galt die Station offiziell als Einrichtung der NSA, dann übernahm ein Oberstleutnant der U.S. Air Force das Kommando. Heute ist es offiziell eine `Anlage des Intelligence and Security Command der US Army in Europa zur Unterstützung der amerikanischen Streitkräfte´.
Noch immer arbeiten nach Schätzungen des BND rund 1000 Personen auf dem riesigen Komplex, die meisten US-Kryptologen sollen dort gedient haben. Insider behaupten, daß in den letzten Jahren die Ausrichtung der Überwachungsanlagen um 180 Grad verändert wurden. Damit würden sie nicht mehr den Ostern, sondern das Inland überwachen. Auf eine entsprechende Anfrage des SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss erklärte die Bundesregierung, dafür `keine Anhaltspunkte´ zu haben. Nebenan in der deutschen Mangfall-Kaserne sitzt die Fernmeldeweitverkehrsstelle des deutschen Geheimdienstes. Rund 100 BND-Experten lauschen hier mit Hilfe der US-Anlagen in den Äther, doch der Zutritt zu den US-Anlagen bleibt ihnen verwehrt.
Gesetzliche Unterstützung
Rechtlich gesehen sitzt der BND schon heute im gemachten Bett. Nach § 92 Telekommunikations-Gesetz (TKG) muß jeder, der `geschäftsmäßig Telekommunikations-Dienste erbringt´, der Regulierungsbehörde `Auskünfte über die Strukturen der Telekommunikations-Dienste und -Netze´ geben. Voraussetzung: der BND erteilte dazu den Auftrag. Ziel: die kontinuierliche Anpassung der BND-Überwachungstechnik an die technische Entwicklung.
Unterstützt wird der BND in der Entwicklung neuer Aufklärungstechniken nach Ansicht von Experten durch die nahe Bonn residierende `Forschungsgesellschaft für Angewandte Naturwissenschaften´ (FGAN). Neben ihrer Arbeit an Steuerungstechniken für Flugzeuge arbeitet die FGAN auch an der Nutzung von Computern in Aufklärungssystemen, wofür das `Institut für Funk und Mathematik´ in Wachtberg-Werthhoven aufwendige Elektronik nutzt.
Über die FGAN ist wenig bekannt, Publikationen der Forschungsgesellschaft unterliegen der Geheimhaltung. Immerhin verfügt die FGAN im Bundeshaushalt 1996 über einen Etat von 44,835 Millionen Mark, 1997 waren es knapp 3 Millionen mehr. Der Löwenanteil entfällt dabei auf das Institut für Funk und Mathematik. Doch die Zahlen sind wenig aufschlußreich, da hier die üblichen Angaben über die Anzahl der Beschäftigten fehlen, nicht zuletzt um Aufschlüsse über Sachinvestitionen zu verschleiern.
Flaschenhälse
Seit 1994 darf der BND im Rahmen der Verbrechensbekämpfung den `nicht leitungsgebundenen´ Telefon-, Fax- und Fernschreiberverkehr mit dem Ausland anzapfen. Der BND ist jedoch mit den Ergebnissen seiner Telefonüberwachungen unzufrieden. Aus seiner ersten Abhörstatistik, die er Anfang des Jahres der Bundesregierung vorlegte, ließ sich entnehmen, daß nur etwa zehn Hinweise auf Schwerstverbrecher an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet wurden. Der Grund: ein echter Tatverdacht mußte vorliegen.
Jetzt wird überprüft, ob auch EMails in die `strategischen Kontrollmaßnahmen´ einbezogen werden sollen. Wenn man nicht von der angenehm leichten Lesbarkeit unverschlüsselter elektronischer Nachrichten ausgeht, sondern von deren physikalischem Versand, ist jedoch die Überwachung des EMail-Verkehrs mit erheblichem Aufwand verbunden. Schließlich handelt es sich beim Internet nicht um ein Telegrammsystem mit Punkt-zu-Punkt-Verbindung, sondern um ein paketvermitteltes Netz.
Wer lauschen will, muß die Flaschenhälse des Netzes kontrollieren. In den USA ist dies auch heute noch der früher der NSF (National Science Foundation) gehörende Internet-Backbone. Nach Angaben von `Puzzle Palace´-Co-Autor Wayne Madsen sitzt die NSA an mehreren wichtigen Internet-Routern und Gateway-Hosts. So werden zwei Internet-Router der NASA überwacht, einer in College Park/Maryland unter dem Codenamen `Fix East´, der andere am NASA Ames Research Center in Sunnyvale/Kalifornien unter dem Codenamen `Fix West´. Ferner sollen die Router `Mae East´ an der Ostküste und `Mae West´ an der Westküste, CIX in San Jose und SWAB, ein von Bell Atlantic betriebener Router in Nordvirginia abgegriffen werden. Auch einige Network Access Points (NAPs) stehen unter dem Verdacht, unter der Überwachung der NSA zu stehen. Madsen behauptet sogar, die NSA habe Deals mit Microsoft, Lotus und Netscape abgeschlossen, um anonyme EMails zu verhindern sowie dem von der NSA entwickelten Digital Signature Standard (DSS) zum Durchbruch zu verhelfen.
Zwar beruft sich Madsen auf eine Quelle in der US-Bundesregierung, bislang ließen sich jedoch diese Gerüchte nicht bestätigen. Fakt ist, daß auf dem Weg über den Atlantik der Datenverkehr nur über wenige physikalische Wege abgewickelt wird. Gerade mal zehn Seekabel verbinden zur Zeit Nordamerika mit Europa. In Deutschland bereiten die Provider derzeit der Internet-Überwachung einen guten Boden, indem sie ausgerechnet in Frankfurt einen zentralen Austauschknoten für ihre Netze, den DE-CIX, etablieren. Nach Auskunft des Electronic Commerce Forum (eco) werden schon jetzt weit über 80 Prozent des gesamten Datenaufkommens über den DE-CIX abgewickelt. Nicht angeschlossen ist das Netz der Deutschen Telekom. Es wird noch über einen Knoten in München geroutet. Wer sich mit genügend Rechenleistung in solche Netzknoten hängen kann, ist auch in der Lage, die über verschiedene Wege kommenden Datenpakete herauszufiltern und zusammenzusetzen.
Ich will daran glauben!