Heftige Kritik an Nominierung von Paul Wolfowitz
Die Begeisterungsstürme im `Alten Europa` halten sich in engen Grenzen.
Über den künftigen Chef der Weltbank zeigen sich jedoch die `Schwellenländer`besorgt.
Die Nominierung von US-Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz als
künftiger Chef der Weltbank hat besonders in Europa heftige Kritik
ausgelöst. In Kreisen der Weltbank hieß es jedoch, die Chancen der
Europäer seien gering, die Ernennung zu verhindern.
Wolfowitz gehörte zu den Planern und stärksten Befürwortern des
Irak-Kriegs und gilt zudem als ausgesprochen konservativer Vertreter der
US-Außenpolitik. Offenbar um Widerstand zuvorzukommen, hatte
US-Präsident George W. Bush vor Bekanntgabe der Nominierung die
Kriegskritiker, Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident
Jacques Chirac, sowie andere Staats- und Regierungschefs angerufen.
Erste Reaktionen fielen dann dennoch negativ aus: "Die
Begeisterungsstürme im alten Europa halten sich in engen Grenzen", sagte
etwa Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.
Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte Bush allerdings telefonisch zu, die
Kandidatur konstruktiv zu begleiten.
In europäischen Weltbank-Kreisen hieß es, Wolfowitz' Name sei in den
vergangenen Wochen bereits informell unter den Mitgliedern des
Direktoriums zirkuliert und abgelehnt worden. US-Finanzminister John
Snow habe gewußt, daß die Reaktion nicht zu Wolfowitz' Gunsten ausfalle.
?Die Nominierung von Herrn Wolfowitz heute zeigt uns, daß den USA egal
ist, was der Rest der Welt denkt?, hieß es.
Trotz des Widerstands sind die Möglichkeiten der Europäer im Direktorium
der Weltbank begrenzt, die Ernennung zu verhindern. Die USA haben den
größten Anteil an den Kapital-Einlagen des Instituts und daher das
größte Stimmengewicht, gefolgt von Japan, Deutschland, Großbritannien
und Frankreich. Zudem stellen die USA traditionell den Präsidenten der
Weltbank, während Europa den Chef des Internationalen Währungsfonds
(IWF) auswählt.
Wolfowitz schlug in seiner ersten Stellungnahme nach der Nominierung
versöhnliche Töne an. "In einer solchen Aufgabe verstehe ich mich als
internationaler Beamter, der an ein multinationales Direktorium
berichtet und sich die Ansichten aller Mitglieder anhört", sagte der
61-Jährige. Bush lobte Wolfowitz als Mann mit viel Erfahrung und großen
diplomatischen Fähigkeiten. Er werde ein starker Präsident der Weltbank
werden, sagte Bush. Der gebürtige Australier soll im Juni Amtsinhaber
James Wolfensohn ablösen, der den Chefsessel bei dem Institut nach zehn
Jahren räumt.
Der bei der US-Wahl unterlegene Präsidentschaftskandidat John Kerry
schloß sich der europäischen Kritik an Wolfowitz an. "Die Nominierung
läßt mich fragen, ob die Ankündigungen der Regierung, die Gräben zu den
Partnern wieder zu schließen, nicht doch nur bloße Lippenbekenntnisse
sind", sagte er. Der französische Außenminister Michel Barnier riet
umgehend dazu, den Vorschlag im Vergleich zu anderen Kandidaten noch
einmal zu prüfen. Als weitere Kandidaten für den Chefposten galten bis
zuletzt die Ex-Chefin des US-Computerkonzerns Hewlett Packard (HP),
Carly Fiorina, und US-Arbeitsministerin Elaine Chao.
In Schwellenländern wie Ägypten äußerten Experten die Sorge, Wolfowitz
stehe für eine Politik des freien Marktes, ohne zugleich angemessen für
die Armen zu sorgen. In diesem Sinne warnten auch Hilfs- und
Umweltorganisationen wie Oxfam und Greenpeace davor, daß die Weltbank
unter Wolfowitz' Führung das Ziel einer Bekämpfung der Armut aus den
Augen verlieren werde. Die Weltbank vergibt langfristige Kredite an
Länder und soll den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt ihrer
weniger entwickelten Mitgliedstaaten fördern.
Die Wahrheit ist seltsamer als die Fiktion, weil die Fiktion Sinn machen muss.