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Stachelschwein Dilemma

22 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Dilemma, Metapher, Schopenhauer ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Stachelschwein Dilemma

27.07.2012 um 05:35
Stachelschwein Dilemma
"Eine Gemeinschaft Stachelschweine drängte sich an einem kalten Wintertag recht nahe zusammen, um sich durch die gegenseitige Wärme vor dem Erfrieren zu schützen. Bald empfanden sie jedoch die gegenseitigen Stacheln, welche sie wieder voneinander entfernten. Wenn sie nun das Bedürfnis der Erwärmung wieder näher zusammenbrachte, wiederholte sich jenes zweite Übel, so dass sie zwischen beiden Leiden hin- und hergeworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten.

So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab.

Was nun andererseits die Menschen gesellig macht ist ihre Unfähigkeit, die Einsamkeit, und in dieser sich selbst, zu ertragen."
Quelle: Arthur Schopenhauer, aus Parerga und Paralipomena.
Ich finde es ist eine schöne Parabel und Metapher, welche einen ewigen inneren Kampf im Menschen beschreibt und ich denke das sie es wert ist sich darum Gedanken zu machen.

Hatte Schopenhauer eurer Meinung damit recht oder inwieweit hinkt der Vergleich?
Wie würdet ihr es persönlich interpretieren?
Wie manifestiert es sich in der Gesellschaft und beim Individuum?
Welche Fragen wirft es auf und kann man aus dieser Zwickmühle entkommen?

Ich mag ja Fragen als Diskussionsgrundlage nicht besonderst, aber von mir aus soll es eine Richtline sein. An sich dachte ich an eine ungezwungene und freie Diskussion zum Stachelschwein Dilemma.

(Diese "Hier-hast-du-ein-Handbuch-mit-Lösung" Mentalität mag ich sowieso nicht. Der Weg ist das Ziel)


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Stachelschwein Dilemma

27.07.2012 um 07:25
Zitat von ChicagoBearChicagoBear schrieb:Hatte Schopenhauer eurer Meinung damit recht oder inwieweit hinkt der Vergleich?
Auf dem ersten Blick scheint es recht schlüssig zu sein und recht gut auf dem Menschen zu übertragen - nur happert es mir etwas an der Definition der Stacheln. Das das Stachelschwein Stachel besitzt steht außer Frage, aber welche sind das im Menschen, welchen ihm einen Balaceakt zwischen einem Gemeinschaftswesen und einem Emiriten drängt. Ist das Instinktive Verhalten bzw. die Mentaltiät des Menschen oder der erlenernte Kompromiss einer Gesellschaft.
Schopenhauer hätte gern seine Idee darin einfließen lassen, denn beides wäre meiner Ansicht nach richtig - dennoch finde ich kleine Anstöße recht hilfreich.
Zitat von ChicagoBearChicagoBear schrieb:Wie würdet ihr es persönlich interpretieren?
Ich würde es mal auf das Alltägliche Leben, aber nicht Überleben projizieren mit dem Beispiel
Frau und Mann haben streit - und obwohl dieser Streit im Sprichwörtlichen Sinne die Fragen offenlässt ob die Frau von der Venus und der Mann vom Mars stammt, denn man merkt das diese so verschieden sind und nur noch Kraft kosten sich gegenseitig - die Liebe oder Wunsch nach einem Partner zusammenhält (oder der gesellschaftliche Druck einen Partner haben zu müssen), obwohl beide gleich gepolt sein zu scheinen. Klingt zwar nicht so romantisch, ist aber so bei vielen.
Beim Überleben können Menschen (metaphorisch -30°C bei den Stachelschweinen) sich komplett zueinanderdrängen und Jedes Vorurteil, Leid, Feindseligkeit und Unmenschlichkeit vergessen lassen.
Zitat von ChicagoBearChicagoBear schrieb:Wie manifestiert es sich in der Gesellschaft und beim Individuum?
Man kann das beobachten, dass bestimmte Personengruppen machmal "erlernte" Fesseln, welche sagen die anderen sind gut für dich, der Gesellschaft tragen und sind in den meisten Fällen (wie etwa Gläubige und Atheisten, Weiße und weniger Weiße, Otto-Normal und Öko-Pazifist) es eigentlich zu Konflikten kommen müsste, aber beide sich ohne komplett zu isolieren auch nicht zunahe treten, sondern einen gewissen Sicherheitsabstand bewahren, bevor es wehtut.

Bei den einzelenen Personen sieht man das an den Menschen, die meinen "Sie könnten völlig ohne soziale Interaktion auskommen" - das das nicht möglich ist, ist seit entwicklung der Isolationshaft bekannt. Das Gehirn bzw. der Mensch benötigt soziale Reize, damit dieser nicht "eingeht".
Wie lässt sich das aber erklären, dass Menschen die nach ihren eigenen Angaben ihr gesamtes Leben ein Einzelgänger sind und dabei nicht Wirr geworden sind?
Das ist der Balaceakt - sie halten sich aus der Gesellschaft raus und minimieren ihre Sozialen Konate auf das Minimun, obgleich weil alle zu gleich sind, was besonderes sein wollen oder sich unfähig fühlen den "Trend" mitzugehen. Aber dafür such sie gelichzeitig die nähe - meist unbewusst durch das Internet, die kleinen aber alltäglichen Kontakte mit dem Bäcker, Verkäufer, Nachbar oder Arbeitskollege - auch ohne bewusst etwas teilzunehmen wie eine Feier z.B. - wird der Einzelgänger auch mit Sozialer Interaktion gefüttert.
Zitat von ChicagoBearChicagoBear schrieb:Welche Fragen wirft es auf und kann man aus dieser Zwickmühle entkommen?
Meines Ansichts gibt es keine Zwickmühle in der Idee - es gibt keine Faustformel dabei und keine Möglichkeit zu Wissen wie nahe man sich noch kommen kann, bis die Stacheln wehtun.
Jeder muss für sich selber finden, wie viel soziale Interaktion benötigt wird und vieviel man verträgt um zufrieden zu sein.


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Stachelschwein Dilemma

27.07.2012 um 10:33
Charakter und Mentalität sind Pol und Gegenpol im menschlichen Zusammenleben. Das sind die Stacheln und das flauschige Fell.
hsintru


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Stachelschwein Dilemma

27.07.2012 um 12:00
@ChicagoBear



Wer nicht weiß woher die widerwärtigen Eigenschaften und Fehler kommen, der nimmt natürlich an, das es eine Parabel geben muss, die ein Miteinander bereithält und ermöglicht.

Wer Wissen würde, woher diese Eigenschaften kommen, würde keine Parabel mehr aufstellen...


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Stachelschwein Dilemma

27.07.2012 um 21:19
Die Stacheln symbolisieren das Gesetz der Entsprechung, die Suche nach Wärme und Gemeinschamkeit das Gesetz der Anziehung.

Kurz gefasst ist es so. Menschen lehnen in ihren Herzen andere Menschen ab. Dadurch sind geistige Eigenschaften blockiert. Andere Menschen bemächtigen sich deshalb ihrer und beschränken ihre Freiheit. Daraus ergibt sich das Gesetz der Entsprechung.


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Stachelschwein Dilemma

27.07.2012 um 22:42
Ich seh darin eigentlich kein Dilemma.
Ein Dilemma wäre es doch nur, wenn sowohl die totale Nähe wie auch der Abstand gleichzeit sein sollten oder müssten, aber zumindest an mir selbst empfinde ich das gar nicht. Mal bin ich gern in Gesellschaft und erlebe Nähe usw., und ein anderes Mal bin ich lieber allein und verhalte mich dann auch so.
Die Bedürfnisse nach Nähe und nach Abstand lassen sich durch unsere Beweglichkeit doch beide verwirklichen.


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Stachelschwein Dilemma

30.07.2012 um 20:47
Es ist eine nette Metapher, dennoch stimmt sie nur anfangs...
sie beschreibt den findungsprozess

bevor wir Menschen gefunden haben, mit denen wir gut auskommen, sind wir jene stachelschweine.
Danach werden wir und jene die wir mögen zu schweinen ohne stachel...
und die anderen sind für uns stachelschweine, bzw. umgekehrt sind wir für die anderen stachelschweine.


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Stachelschwein Dilemma

27.05.2016 um 17:07
Es ist ja auch so, dass man in Situationen des Leids nah zusammenrückt, auch wenn man zuvor noch gegeneinander gekämpft hat. Ich finde die Metapher eigentlich ziemlich schön und auch sehr schlüssig, auf den Menschen bezogen passt es auch, nur wenn ein Mensch einen anderen nicht mag, dann wird er sich diesem auch kaum nähern, außer in einer Situation in der es keine andere Wahl gibt. Die Stachelschweine sind ja an sich alle gleich in diesem Beispiel, bei den Menschen ist es anders, sie haben alle ganz spezielle Eigenschaften, so dass man auch kleinere Gruppen bilden kann und dann trotzdem die Kälte besiegt. Es wird immer Leute geben, die sich mögen und zusammenhalten, diese Unterscheidung fehlt mir ein bisschen bei den Stachelschweinen.


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Stachelschwein Dilemma

27.05.2016 um 20:07
Zitat von ChicagoBearChicagoBear schrieb am 27.07.2012:Was nun andererseits die Menschen gesellig macht ist ihre Unfähigkeit, die Einsamkeit, und in dieser sich selbst, zu ertragen."
Was ist die Geselligkeit dann wert? Dieses "ich sitze neben dir an der Bushaltestelle nachts, wir haben das jetzt gemeinsam, ich muss mich unterhalten Gelabere" ist was mich von den Menschen schon lange entfernt. Wer ist heutzutage noch authentisch? Ist das die Authentizität der Menschen? Schlimm.
Zitat von redliferedlife schrieb:Es wird immer Leute geben, die sich mögen und zusammenhalten, diese Unterscheidung fehlt mir ein bisschen bei den Stachelschweinen.
Wäre die Frage ob Stachelschweine Sympathiefähig sind.


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29.05.2016 um 18:42
@Nepomuk

Nunja ich denke doch, dass sie es sind, sonst würde es ja die ganze Zeit Krieg unter ihnen geben und man würde öfter von toten Stachelschweinen hören.


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Stachelschwein Dilemma

29.05.2016 um 18:49
@redlife
Aber verhindert Instinkt nicht Sympathiefähigkeit. Oder verliert man den Instinkt sobald Sympathie aufkommt.?


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Stachelschwein Dilemma

29.05.2016 um 20:27
@Nepomuk

Es stimmt schon, dass man bei einer engeren Beziehung mit der Zeit etwas nachlässig wird, ob man aber seinen Instinkt verliert?
Von welchem Instinkt ist hier die Rede, dem natürlichen Überlebensinstinkt?Diesen wird man wohl nie verlieren.


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Stachelschwein Dilemma

30.05.2016 um 13:11
Zitat von NepomukNepomuk schrieb:Aber verhindert Instinkt nicht Sympathiefähigkeit.
Sympathieempfinden ist ein Instinkt. Eine psychische "Voreinstellung", dass wir andere Individuen, die bestimmten Parametern entsprechen, grundsätzlich nicht umbringen, auch wenn wir daraus einen unmittelbaren individuellen Bonus erfahren würden.
Die wenigsten Tiere kämpfen in Auseinandersetzungen um Rangfolge, Nahrung, Sex etc. "mit allen Mitteln".
Zitat von redliferedlife schrieb:Es stimmt schon, dass man bei einer engeren Beziehung mit der Zeit etwas nachlässig wird, ob man aber seinen Instinkt verliert?
Na ja, das liegt eher daran, dass wir faul sind und wenn eine Beziehung funktioniert ist das Bestreben, viel darin zu investieren, eher gering.


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Stachelschwein Dilemma

30.05.2016 um 13:22
@kleinundgrün
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Sympathieempfinden ist ein Instinkt. Eine psychische "Voreinstellung", dass wir andere Individuen, die bestimmten Parametern entsprechen, grundsätzlich nicht umbringen, auch wenn wir daraus einen unmittelbaren individuellen Bonus erfahren würden.
Die wenigsten Tiere kämpfen in Auseinandersetzungen um Rangfolge, Nahrung, Sex etc. "mit allen Mitteln".
Können denn zwei Instinkte sich in die Quere kommen? Überlebensibstinkt und Sympathie zum Beispiel. Ich stelle mir vor das es verschiedene Ränge gibt. Also primäre und sekundäre. Sympathie, ein Instinkt? Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Werde ich aber jetzt tun.


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Stachelschwein Dilemma

30.05.2016 um 14:04
Zitat von NepomukNepomuk schrieb:Können denn zwei Instinkte sich in die Quere kommen?
Unterschiedliche Instinkte üben auch unterschiedliche Reize - und auch unterschiedlich starke Reize - aus.

Die Instinkte werden auch mit unterschiedlicher Priorität behandelt. Deswegen "vergisst" man einen Schmerz, wenn man abgelenkt wird (zu einem gewissen Grad). Oder wir empfinden Schmerzen stärker, wenn wir hungrig sind (damit dem Schmerz als unmittelbares Problem mehr Priorität eingeräumt wird).
Zitat von NepomukNepomuk schrieb:Sympathie, ein Instinkt?
Du reagierst eben auf bestimmte biochemische oder optische und akkustische Reize Deines Gegenübers. wie sonst könnte man sich innerhalb von Sekunden zu jemandem hingezogen fühlen oder ihn instiktiv ablehnen.


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Stachelschwein Dilemma

30.05.2016 um 16:17
@kleinundgrün
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Du reagierst eben auf bestimmte biochemische oder optische und akkustische Reize Deines Gegenübers. wie sonst könnte man sich innerhalb von Sekunden zu jemandem hingezogen fühlen oder ihn instiktiv ablehnen.
Quelle Wikipedia :
Als Schlüsselreiz gilt innerhalb der Instinkttheorie ein Reizmuster (also ein spezifischer Reiz oder eine Kombination bestimmter Merkmale), das bei Wahrnehmung mit einer Instinktbewegung beantwortet wird.

Das macht Sinn. Cool


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Stachelschwein Dilemma

30.05.2016 um 16:19
@kleinundgrün
Aber wir verlernen Instinkten zu vertrauen, habe ich das Gefühl. Manche Instinkte werden wahrscheinlich viel zuwenig abgerufen.


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Stachelschwein Dilemma

30.05.2016 um 16:50
Zitat von NepomukNepomuk schrieb:Aber wir verlernen Instinkten zu vertrauen
Instinkte können aber auch trügerisch sein und sie können leicht ausgenutzt werden.

Denn wenn auf einen definierten Reiz X stets die Reaktion Y erfolgt, dann kann dieser zwingende Mechanismus leicht missbraucht werden. Einfach, indem ich die "richtigen" Schlüsselreize generiere.

Insofern ist für ein selbstbestimmtes Wesen ein Misstrauen gegenüber blinden Aktion-Reaktion-Situationen durchaus angebracht.


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30.05.2016 um 17:06
@kleinundgrün
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Denn wenn auf einen definierten Reiz X stets die Reaktion Y erfolgt, dann kann dieser zwingende Mechanismus leicht missbraucht werden. Einfach, indem ich die "richtigen" Schlüsselreize generiere.

Also ist Mitleid auch ein Instinkt?


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Stachelschwein Dilemma

30.05.2016 um 17:27
Zitat von NepomukNepomuk schrieb:Also ist Mitleid auch ein Instinkt?
Je nach dem.

Mitleid kann intuitiv erfolgen - oder rational begründet sein. Ich kann jemandem helfen, weil es mir ein besseres Gefühl gibt, oder weil ich denke, dass es eine gerechte Sache ist, die meinem Verständnis einer "besseren Welt" entspricht.


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