Brauchen wir Superman ?
02.12.2014 um 06:25Flieg, Superman, flieg
Von JÖRG BÖCKEM
Retter oder Schurke? Kerl oder Weichei? Der größte Comic-Held aller Zeiten steckte in der Sinnkrise. Nun kehrt er zurück - moralisch geläutert und von allen Selbstzweifeln befreit.
Es gab Tage, an denen das rote S weltenschwer auf seiner Brust lastete. Tage, an denen er am liebsten die Füße hoch legen wollte, mit denen er sonst jeden ICE überholt; die Augen schließen, die so scharf sehen, dass sie die Molekularstruktur eines Staubkorns erkennen; und die Hände in den Schoß legen, die so viel Kraft haben, dass sie Eisenstangen wie Gummi biegen. "Als ich vor vielen Jahren bemerkte, dass ich enorme Kräfte besitze und beinahe unverwundbar bin", sagte der Mann, "wollte ich für das Wohl der Menschheit kämpfen, für Freiheit und Gerechtigkeit. Aber in der letzten Zeit frage ich mich immer häufiger, ob das alles noch einen Sinn hat. Immer öfter fühle ich mich so entsetzlich hilflos!"
Vergangenes Weihnachten zum Beispiel. Superman hatte ein Mädchen kennen gelernt, das in Metropolis, der modernsten aller Großstädte Amerikas, auf der Straße verhungerte. Empört nahm er den Kampf auf gegen den Hunger auf der Welt und wollte den Getreideüberschuss Amerikas an die darbenden Völker verteilen. Doch Vorurteile, Angst, Gier, Korruption, Ignoranz und Egoismus der Menschen vereitelten den wunderbaren Plan. "Schon zu Beginn hatten sich die Medien über meine Idee lustig gemacht, mich als weltfremden Spinner bezeichnet", sagte Superman. "Heute weiß ich, dass kein einzelner Mann die Herzen der Menschen ändern kann. Auch kein Superman."
Dem letzten Überlebenden des Planeten Krypton schien es manchmal, als seien die Herzen und Hirne der Menschen von einem Panzer aus Blei umgeben, der einzigen Substanz, die sein Röntgenblick nicht zu durchdringen vermag. Er wusste nicht mehr, was sie denken, was sie wollen. Stück für Stück hatten sie ihm ihre Achtung und Sympathie entzogen, immer häufiger belächelten sie ihn als "ältesten Pfadfinder der Welt". Und wandten sich anderen Helden zu. Spiderman beispielsweise, Bart Simpson oder Lara Croft. Obwohl Superman der Erste und der Mächtigste war. Obwohl er sich wie kein anderer mühte, immer das Richtige zu tun. Obwohl er seine Kräfte nie zu seinem persönlichen Vorteil missbraucht hatte, nie beim Kartenspielen geschummelt oder mit seinem Röntgenblick Frauen unter die Kleider geschaut.
Aus dem Weltenretter war ein Loser geworden. Superman: ein Fall für den Psychiater. Doch Supermans Schöpfer entschieden sich für einen Neuanfang - für die Wiedergeburt des alten Superman. Das erste Abenteuer des neu erfundenen Comic-Helden erscheint am 7. Juni.
Die Geschichte Supermans beginnt in Smallville, einem kleinen Dorf in Kansas, dort, wo der liebe Gott regiert und der Glaube Weizen wachsen lässt. "Ich denke oft an die Farm zurück, an das Knarren der alten Windmühle, den Geruch von frisch gemähtem Heu und den Wind in meinem Haar", sagt Superman, "dann weiß ich wieder, warum ich kämpfe."
Die Farmer Martha und Jonathan Kent hatten eines Nachts eine Rakete auf ihrem Acker gefunden. Darin ein Baby. Die Kents wussten nicht, dass der Säugling von einem fremden Planeten stammte und als Einziger dessen Explosion überlebt hatte. Sie nahmen den Jungen als ihren eigenen Sohn an, nannten ihn Clark und lehrten ihn Glaube und Moral, Verantwortung und Ehrfurcht vor den einfachen Dingen des Lebens.
Schon als Teenie zeigte Clark gewisse Talente. Er stemmte Traktoren mit einer Hand, durchschaute Mauern und überflog Felder. Und als er aufbrach nach Metropolis, in die große Stadt, wo das Verbrechen seiner Meinung nach zu Hause war, nähte ihm die Mutter ein Kostüm, das ihm erlaubte, unerkannt gegen das Böse zu kämpfen, und trotz Ruhm und Popularität ein Privatleben als bebrillter Reporter Clark Kent zu führen.
Jede Gesellschaft bekommt den Helden, den sie verdient - und den sie nötig hat. Superman hatte seinen ersten öffentlichen Comic-Auftritt Ende der dreißiger Jahre. Die Depression war noch nicht überwunden, in den Großstädten regierten die Verbrecherbanden, in Europa herrschten Hitler und Stalin, ein Weltkrieg kündigte sich an. Es war eine Zeit, die nach einem allmächtigen Helden schrie. Einem wie Superman, der gegen das Böse kämpfte und Amerika vor dem Untergang rettete. Ein stählerner Boyscout, ein Erlöser, der alle Finsterlinge vernichtete und dabei rein und unschuldig blieb. Die amerikanische Regierung warb mit ihm sogar für Kriegsanleihen.
Nach dem gewonnen Krieg - der Feind versteckte sich hinter dem Eisernen Vorhang, die Wirtschaft boomte - erlebte Superman ein paar rauschhafte Jahrzehnte. Er rettete den Präsidenten vor einem Flugzeugabsturz, er besiegte Hitler, Stalin und Kaiser Hirohito und zerschlug das Organisierte Verbrechen. Er bekam seine eigene Radiosendung, TV-Serien, Musicals und später sogar ein paar Hollywood-Filme. Andy Warhol verewigte ihn in einem Siebdruck. Ein Weltpolizist, dem Gesetz und den amerikanischen Idealen verpflichtet. Es waren herrliche Zeiten - einfach und klar.
Dann kamen die siebziger Jahre, und plötzlich stand Superman auf der falschen Seite: Er war ein Vertreter des verhassten Systems, der die Ausbeutung der Menschen genauso hinnahm wie den Krieg in Vietnam. Er sei, sagten seine Gegner, "ein Roboter im Dienst der Macht oder einer parasitären Oberschicht". Die Intellektuellen beschimpften ihn als Heuchler oder patriotischen Simpel, die Feministinnen verhöhnten ihn als phallisches Symbol des männlichen Amerika. Superman war altmodisch geworden.
Ende der siebziger Jahre schließlich wurde er von der Boxlegende Muhammad Ali verspottet und verprügelt. Mitte der achtziger Jahre starb seine Cousine Kara, die ihm als Supergirl nachgeeifert hatte, in seinen Armen. Und schließlich wurde Superman selbst zum Mörder, als er drei Schurken zum Tode verurteilte und das Urteil selbst ausführte - Henker und Richter in einer Person. Er änderte seine Identität, sein Kostüm, seinen Namen und mutierte zum gnadenlosen Zyniker. Willkommen in den Achtzigern.
Seitdem irrt Superman durch die Zeitläufte: Von Scham zerfressen ging er ins Exil. Im Weltraum von Außerirdischen gejagt und viel zu oft am Ende seiner Kräfte, war aus dem strahlenden Helden ein unpopulärer Zweifler geworden. Er wechselte sein Image und ließ sich einen Pferdeschwanz wachsen, ging als Reporter zum Fernsehen, rettete bosnische Kinder vor Landminen und raste, Computerdaten gleich, durch Telefonleitungen. Und zu guter Letzt musste er auch noch am Geschlechterkampf verzweifeln.
Lois Lane heißt seine Frau, eine Reporterkollegin, die ihn erst nicht heiraten wollte, weil sie glaubte, ihr Verlobter solle lieber die Welt retten. Als sie schließlich doch heirateten, befand die Karrierefrau, dass ihr Ehemann mit dem manischen Beschützerdrang sie unterdrückt. Lois fühlte sich entmündigt - und Superman entmannt. Willkommen in den Neunzigern.
Der Philosoph und Schriftsteller Umberto Eco hat Superman einst als Mann beschrieben, dessen Abenteuer normale Menschen von deren eigener gesellschaftlicher Praxis entlasten würde.
Nun hatten die modernen Zeiten ihn in die Identitätskrise getrieben: Liebte seine Gattin den Mann oder den Helden? Fühlte er sich als Mensch oder als Fremder? War Clark Kent sein wahres Ich oder war es Superman? Hatte er die außergewöhnlichen Kräfte tatsächlich verdient? Wurde er seiner Verantwortung gerecht? "Ich habe mir oft die Zeiten zurückgewünscht, in denen ich nur jemanden, der groß und gefährlich war, hart genug schlagen musste, um alle Probleme zu lösen."
Superman beschloss, der Menschheit ihr Heil aufzuzwingen. Er wurde zum Fundamentalisten: Er installierte ein weltweites Überwachungssystem, vernichtete alle Atomwaffen, griff in die Politik ein und verabschiedete sich von seiner bürgerlichen Existenz, von seinem Job, seiner Frau, um das Wohlergehen der Erde zu überwachen und die Menschheit vor dem Hunger und anderen Katastrophen zu bewahren - und versagte total. Superman war am Ende.
Die Fans protestierten, Psychologen meldeten sich zu Wort. "Superman hat eine wichtige Botschaft für unsere Kinder", glaubt der Familienpsychologe Dr. Alan Manevitz aus New York, "Kinder möchten daran glauben, dass da draußen jemand ist, der ihnen hilft. Sie brauchen die Überzeugung, dass es noch Unschuld gibt. "
Nun versucht es Superman ein letztes Mal. Mit neuem Enthusiasmus will er wieder den alten Helden geben, der befreit von überflüssigem Ballast und modernem Firlefanz das Heil der Zukunft in den Tugenden seiner Vergangenheit sucht. "Der einzige und wahre Superman ist zurück", sagt er. "Für immer."
Flieg, Superman, flieg. Kämpferisch reckt er sein Kinn nach oben, das große rote S funkelt auf seiner stolz geschwellten Brust.
"Superman: Der Mann aus Stahl Nr. 1", erscheint am 7. Juni bei Dino Comics. Die Zitate sind Superman-Comics entnommen.
SPIEGEL reporter 6/2000
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG.
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen diesen Artikel jedoch gerne verlinken.
Unter http://www.spiegelgruppe-nachdrucke.de können Sie einzelne Artikel für Nachdruck bzw. digitale Publikation lizenzieren.
Von JÖRG BÖCKEM
Retter oder Schurke? Kerl oder Weichei? Der größte Comic-Held aller Zeiten steckte in der Sinnkrise. Nun kehrt er zurück - moralisch geläutert und von allen Selbstzweifeln befreit.
Es gab Tage, an denen das rote S weltenschwer auf seiner Brust lastete. Tage, an denen er am liebsten die Füße hoch legen wollte, mit denen er sonst jeden ICE überholt; die Augen schließen, die so scharf sehen, dass sie die Molekularstruktur eines Staubkorns erkennen; und die Hände in den Schoß legen, die so viel Kraft haben, dass sie Eisenstangen wie Gummi biegen. "Als ich vor vielen Jahren bemerkte, dass ich enorme Kräfte besitze und beinahe unverwundbar bin", sagte der Mann, "wollte ich für das Wohl der Menschheit kämpfen, für Freiheit und Gerechtigkeit. Aber in der letzten Zeit frage ich mich immer häufiger, ob das alles noch einen Sinn hat. Immer öfter fühle ich mich so entsetzlich hilflos!"
Vergangenes Weihnachten zum Beispiel. Superman hatte ein Mädchen kennen gelernt, das in Metropolis, der modernsten aller Großstädte Amerikas, auf der Straße verhungerte. Empört nahm er den Kampf auf gegen den Hunger auf der Welt und wollte den Getreideüberschuss Amerikas an die darbenden Völker verteilen. Doch Vorurteile, Angst, Gier, Korruption, Ignoranz und Egoismus der Menschen vereitelten den wunderbaren Plan. "Schon zu Beginn hatten sich die Medien über meine Idee lustig gemacht, mich als weltfremden Spinner bezeichnet", sagte Superman. "Heute weiß ich, dass kein einzelner Mann die Herzen der Menschen ändern kann. Auch kein Superman."
Dem letzten Überlebenden des Planeten Krypton schien es manchmal, als seien die Herzen und Hirne der Menschen von einem Panzer aus Blei umgeben, der einzigen Substanz, die sein Röntgenblick nicht zu durchdringen vermag. Er wusste nicht mehr, was sie denken, was sie wollen. Stück für Stück hatten sie ihm ihre Achtung und Sympathie entzogen, immer häufiger belächelten sie ihn als "ältesten Pfadfinder der Welt". Und wandten sich anderen Helden zu. Spiderman beispielsweise, Bart Simpson oder Lara Croft. Obwohl Superman der Erste und der Mächtigste war. Obwohl er sich wie kein anderer mühte, immer das Richtige zu tun. Obwohl er seine Kräfte nie zu seinem persönlichen Vorteil missbraucht hatte, nie beim Kartenspielen geschummelt oder mit seinem Röntgenblick Frauen unter die Kleider geschaut.
Aus dem Weltenretter war ein Loser geworden. Superman: ein Fall für den Psychiater. Doch Supermans Schöpfer entschieden sich für einen Neuanfang - für die Wiedergeburt des alten Superman. Das erste Abenteuer des neu erfundenen Comic-Helden erscheint am 7. Juni.
Die Geschichte Supermans beginnt in Smallville, einem kleinen Dorf in Kansas, dort, wo der liebe Gott regiert und der Glaube Weizen wachsen lässt. "Ich denke oft an die Farm zurück, an das Knarren der alten Windmühle, den Geruch von frisch gemähtem Heu und den Wind in meinem Haar", sagt Superman, "dann weiß ich wieder, warum ich kämpfe."
Die Farmer Martha und Jonathan Kent hatten eines Nachts eine Rakete auf ihrem Acker gefunden. Darin ein Baby. Die Kents wussten nicht, dass der Säugling von einem fremden Planeten stammte und als Einziger dessen Explosion überlebt hatte. Sie nahmen den Jungen als ihren eigenen Sohn an, nannten ihn Clark und lehrten ihn Glaube und Moral, Verantwortung und Ehrfurcht vor den einfachen Dingen des Lebens.
Schon als Teenie zeigte Clark gewisse Talente. Er stemmte Traktoren mit einer Hand, durchschaute Mauern und überflog Felder. Und als er aufbrach nach Metropolis, in die große Stadt, wo das Verbrechen seiner Meinung nach zu Hause war, nähte ihm die Mutter ein Kostüm, das ihm erlaubte, unerkannt gegen das Böse zu kämpfen, und trotz Ruhm und Popularität ein Privatleben als bebrillter Reporter Clark Kent zu führen.
Jede Gesellschaft bekommt den Helden, den sie verdient - und den sie nötig hat. Superman hatte seinen ersten öffentlichen Comic-Auftritt Ende der dreißiger Jahre. Die Depression war noch nicht überwunden, in den Großstädten regierten die Verbrecherbanden, in Europa herrschten Hitler und Stalin, ein Weltkrieg kündigte sich an. Es war eine Zeit, die nach einem allmächtigen Helden schrie. Einem wie Superman, der gegen das Böse kämpfte und Amerika vor dem Untergang rettete. Ein stählerner Boyscout, ein Erlöser, der alle Finsterlinge vernichtete und dabei rein und unschuldig blieb. Die amerikanische Regierung warb mit ihm sogar für Kriegsanleihen.
Nach dem gewonnen Krieg - der Feind versteckte sich hinter dem Eisernen Vorhang, die Wirtschaft boomte - erlebte Superman ein paar rauschhafte Jahrzehnte. Er rettete den Präsidenten vor einem Flugzeugabsturz, er besiegte Hitler, Stalin und Kaiser Hirohito und zerschlug das Organisierte Verbrechen. Er bekam seine eigene Radiosendung, TV-Serien, Musicals und später sogar ein paar Hollywood-Filme. Andy Warhol verewigte ihn in einem Siebdruck. Ein Weltpolizist, dem Gesetz und den amerikanischen Idealen verpflichtet. Es waren herrliche Zeiten - einfach und klar.
Dann kamen die siebziger Jahre, und plötzlich stand Superman auf der falschen Seite: Er war ein Vertreter des verhassten Systems, der die Ausbeutung der Menschen genauso hinnahm wie den Krieg in Vietnam. Er sei, sagten seine Gegner, "ein Roboter im Dienst der Macht oder einer parasitären Oberschicht". Die Intellektuellen beschimpften ihn als Heuchler oder patriotischen Simpel, die Feministinnen verhöhnten ihn als phallisches Symbol des männlichen Amerika. Superman war altmodisch geworden.
Ende der siebziger Jahre schließlich wurde er von der Boxlegende Muhammad Ali verspottet und verprügelt. Mitte der achtziger Jahre starb seine Cousine Kara, die ihm als Supergirl nachgeeifert hatte, in seinen Armen. Und schließlich wurde Superman selbst zum Mörder, als er drei Schurken zum Tode verurteilte und das Urteil selbst ausführte - Henker und Richter in einer Person. Er änderte seine Identität, sein Kostüm, seinen Namen und mutierte zum gnadenlosen Zyniker. Willkommen in den Achtzigern.
Seitdem irrt Superman durch die Zeitläufte: Von Scham zerfressen ging er ins Exil. Im Weltraum von Außerirdischen gejagt und viel zu oft am Ende seiner Kräfte, war aus dem strahlenden Helden ein unpopulärer Zweifler geworden. Er wechselte sein Image und ließ sich einen Pferdeschwanz wachsen, ging als Reporter zum Fernsehen, rettete bosnische Kinder vor Landminen und raste, Computerdaten gleich, durch Telefonleitungen. Und zu guter Letzt musste er auch noch am Geschlechterkampf verzweifeln.
Lois Lane heißt seine Frau, eine Reporterkollegin, die ihn erst nicht heiraten wollte, weil sie glaubte, ihr Verlobter solle lieber die Welt retten. Als sie schließlich doch heirateten, befand die Karrierefrau, dass ihr Ehemann mit dem manischen Beschützerdrang sie unterdrückt. Lois fühlte sich entmündigt - und Superman entmannt. Willkommen in den Neunzigern.
Der Philosoph und Schriftsteller Umberto Eco hat Superman einst als Mann beschrieben, dessen Abenteuer normale Menschen von deren eigener gesellschaftlicher Praxis entlasten würde.
Nun hatten die modernen Zeiten ihn in die Identitätskrise getrieben: Liebte seine Gattin den Mann oder den Helden? Fühlte er sich als Mensch oder als Fremder? War Clark Kent sein wahres Ich oder war es Superman? Hatte er die außergewöhnlichen Kräfte tatsächlich verdient? Wurde er seiner Verantwortung gerecht? "Ich habe mir oft die Zeiten zurückgewünscht, in denen ich nur jemanden, der groß und gefährlich war, hart genug schlagen musste, um alle Probleme zu lösen."
Superman beschloss, der Menschheit ihr Heil aufzuzwingen. Er wurde zum Fundamentalisten: Er installierte ein weltweites Überwachungssystem, vernichtete alle Atomwaffen, griff in die Politik ein und verabschiedete sich von seiner bürgerlichen Existenz, von seinem Job, seiner Frau, um das Wohlergehen der Erde zu überwachen und die Menschheit vor dem Hunger und anderen Katastrophen zu bewahren - und versagte total. Superman war am Ende.
Die Fans protestierten, Psychologen meldeten sich zu Wort. "Superman hat eine wichtige Botschaft für unsere Kinder", glaubt der Familienpsychologe Dr. Alan Manevitz aus New York, "Kinder möchten daran glauben, dass da draußen jemand ist, der ihnen hilft. Sie brauchen die Überzeugung, dass es noch Unschuld gibt. "
Nun versucht es Superman ein letztes Mal. Mit neuem Enthusiasmus will er wieder den alten Helden geben, der befreit von überflüssigem Ballast und modernem Firlefanz das Heil der Zukunft in den Tugenden seiner Vergangenheit sucht. "Der einzige und wahre Superman ist zurück", sagt er. "Für immer."
Flieg, Superman, flieg. Kämpferisch reckt er sein Kinn nach oben, das große rote S funkelt auf seiner stolz geschwellten Brust.
"Superman: Der Mann aus Stahl Nr. 1", erscheint am 7. Juni bei Dino Comics. Die Zitate sind Superman-Comics entnommen.
SPIEGEL reporter 6/2000
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG.
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen diesen Artikel jedoch gerne verlinken.
Unter http://www.spiegelgruppe-nachdrucke.de können Sie einzelne Artikel für Nachdruck bzw. digitale Publikation lizenzieren.
CHIRSTOPHER REEVE LAST PUBLIC SPEECH AT REHABILITATION INSTITUTE OF CHICAGO 10-04-2004
Externer Inhalt
Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.
Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.