http://www.heise.de/tp/artikel/41/41926/1.htmlWestliche Geldgeber für "investorenfreundliches Klima"
Der Internationale Währungsfonds ist genauso beeindruckt von der vorauseilenden Reformfreude der Übergangsregierung wie auch international agierende Bankhäuser.[26] Noch bevor die Vor-Ort-Analyse des IWF im März in Kiew beendet war und weit bevor es Präsidentschaftswahlen gab, hatten Jazenjuk und Turtschinow entscheidende Verträge unterschreiben und richtungweisende Gesetze verabschieden lassen.
Es ist auffällig, dass Reformen so schnell wie möglich durchgesetzt wurden ohne auch nur auf demokratische Legitimation zu warten. Dies entspricht aber voll und ganz der Schock-Doktrin des IWF. Seit den 1970er Jahren zwang der Washingtoner Fonds immer wieder Ländern, die durch Krisen, Kriege oder andere Katastrophen geschwächt waren, ultra-liberale Wirtschaftsreformen auf. In der Regel folgte daraufhin ein Ausverkauf nationaler Ressourcen an westliche Konzerne und die Verelendung der Bevölkerung durch die Verlängerung der Wirtschaftskrisen und die Zerstörung von Sozialsystemen.[27]
Auch andere internationale Geldgeber wie die EU, Japan oder die USA hatten ihre Kreditzusagen an eine schnelle Umsetzung genau dieser IWF-Reformvorhaben geknüpft. So sprach etwa US-Präsident Obama von einem "attraktiven Investitionsklima", das in der Ukraine nun geschaffen werden müsse. Geldgeber, die auf antisoziale Reformaufforderungen verzichten, scheint es nicht mehr zu geben. Bilaterale Erpressung scheint "in" zu sein. Was Russland die Gaspreise, das sind dem Westen die IWF-Kredite: politische Waffen.
Macht-Eliten unter sich
Die jetzt umgesetzten Reformpläne wurden schon seit Jahren vorbereitet. Die milliardenschwere Finanzierung "freiheitsorientierter" NGOs etwa durch die USA und Deutschland[28] sind genauso Indizien hierfür wie die reibungslose Maidan-Logistik und die zügige Nach-Maidan-Gesetzgebung. Dabei arbeiten ukrainische und westliche Freunde von Deregulierung und Privatisierung eng zusammen.
Grundlage dieser Symbiose sind Elitenetzwerke. So treffen sich seit zehn Jahren etwa ukrainische Top-Politiker und Großindustrielle mit neoliberalen Reformern aus den USA und EU-Ländern jährlich an einem Wochenende auf der Krim.[29] Hinter diesem "ukrainischen Davos" steckt das "YES"-Netzwerk ("Yalta European Strategy")[30] des Milliardärs Viktor Pintschuk und des polnischen Ex-Präsidenten Aleksander Kwasniewski.[31] Bilder der Treffen - das letzte gab es zwei Monate vor Beginn des Maidan - deuten darauf hin, wie eng die die Kontakte zwischen ukrainischer Oberschicht und westlichen Macht-Eliten sind.[32]
Nicht ganz zufällig stehen permanente "YES"-Gäste wie Poroschenko, Jazenjuk oder Klitschko heute im Zentrum der Nach-Janukowitsch-Ukraine.
Den Gürtel enger schnallen
Oligarch Pintschuk gab in einem Zeitungsartikel[33] unmittelbar nach der Machtübernahme der heutigen Kiewer Regierung die künftige politische Richtung vor: "Vielleicht zum ersten Mal in der modernen Geschichte der Ukraine, kann das ehrliche Reden über die Notwendigkeit von schmerzhaften Reformen tatsächlich die persönliche Stellung eines Politikers steigern", schrieb er, ohne zu erklären, warum dies so sein sollte oder was das mit den Maidan-Forderungen zu tun haben soll. Pintschuk fährt in Anspielung auf die erschossenen Regierungsgegner fort: "Normale Bürger haben bereits gezeigt, welche großen Opfer, sie für eine bessere Zukunft zu bringen, bereit sind." Das er nun auch selbst finanzielle Opfer bringen wird, ist eher nicht anzunehmen.[34]
Zu ergänzen bleibt, dass auch die deutschen Medien mehrheitlich in den Kürzungs-Chor einstimmten: "Sparen, sparen, sparen" hieß es etwa bei Tagesschau.de oder mit kaum zu übertreffendem Zynismus bei Welt.de:
Die Ukraine lebt über ihre Verhältnisse.
Doch dass über die politische Neuordnung der Ukraine berichtet wird, ist sowieso eher selten. Sowohl in ukrainischen als auch in deutschen Medien ist seit vielen Wochen der Bürgerkrieg im Osten des Landes das absolut dominante Thema. Dies hat den nützlichen Effekt, dass Mediennutzer sich ihren Kopf nicht über die Reformen, deren Ergebnisse und tatsächliche Profiteure zerbrechen müssen.
Profiteur Poroschenko
Petro Poroschenko wird in deutschen Medien oft als "Schokoladenkönig" bezeichnet. Das hört sich harmlos, gemütlich, ja fast schon niedlich an. Tatsächlich könnten die Journalisten ihn auch "Rüstungs-Oligarch" nennen, denn mit seiner Firma "Leninska Kuznya" ist er eben auch Waffenproduzent.[35] Und so wird klar, dass er gar nicht der Friedensstifter sein möchte, den das Land nun bräuchte. Bezeichnend, dass der Militärhaushalt als einziges staatliches Budget nicht von Kürzungen betroffen ist. Im März und April wurde der Etat für Krieger und Kriegsgerät insgesamt sogar um 12 Milliarden Griwna aufgestockt. "Oberste Priorität als Präsident hat für mich jetzt die Armee", sagte Poroschenko denn auch direkt nach seiner Wahl.[36] "Wir müssen die Soldaten dringend besser ausstatten." Auch westliche Rüstungskonzerne wird das freuen.
Am Ende hat das ukrainische Volk diesen Mann demokratisch legitimiert, was auch mit der Medienmacht Poroschenkos und anderer Milliardäre zu tun hat. Gebraucht hätten die Menschen aber wirkliche Reformer, die den Konflikt im Osten sofort befriedet und den Wohlstand des Landes gerechter verteilt hätten. Stattdessen haben sie unter dem Beifall des Westens mit einem neoliberalen Kriegsgewinnler den Bock zum Gärtner gemacht.