@Gischti... meinst Du den ....!
Der Mann aus dem vorigen Jahrhundert
Die New Yorker genießen nicht den Ruf extremer Feinfühligkeit. So starren zahlreiche Passanten den seltsam gekleideten Mann unverhohlen an, der offensichtlich verwirrt auf dem Times Square herumtaumelte. Seine Kleidung war extrem altmodisch. Wer trug 1950 noch einen glänzenden Zylinder, ein >Prince-Albert-Jacket<, karierte Hosen von englischem Zuschnitt und geknöpfte Schuhe mit Stoffbesatz? Der Mann hätte einem Film oder einem Broadway-Musical entstiegen sein können. In der brodelnden US-Metropole wirkte er so deplaziert wie ein englischer Lord unter Hell’s Angels. Er starrte die Autos, die Wolkenkratzer und die auch am Tag leuchtenden Neonreklamen mit einem entgeisterten Ausdruck an, als hätte er derartiges noch nie zu Gesicht bekommen. Offensichtlich wusste er selbst nicht, was um ihn herum vorging. Als er plötzlich wie ein Schlafwandler vom Gehsteig auf die Fahrbahn trat, erfasste ihn ein vorbeirasendes Taxi voll, was er nicht überlebte.
Soweit so gut. Mal von seiner seltsamen Kleidung abgesehen, nicht unbedingt etwas Unmögliches. Doch folgen wir der Geschichte weiter ...
Die Identität des Unbekannten wurde festgestellt, wenn auch mit großer Mühe. Der Tote hieß: „Rudolph Fentz“, war verheiratet und stammte aus Florida. Da ihm anscheinend seine bessere Hälfte das Leben zur Hölle machte, hatte er anlässlich eines Streites beschlossen, dem trauten Heim für immer den Rücken zu kehren und in New York sein Glück zu suchen. Auch das ist noch nicht ungewöhnlich. Heute gehen manche nur mal Zigaretten ziehen! und bleiben dann verschwunden ... für immer.
Doch zurück zu Rudolph Fentz ...
Als seine Frau die Vermisstenanzeige machte, gab sie an, ihr Mann sei nicht mehr zurückgekommen, nachdem sie ihn aufgefordert hatte, das Haus nicht mit seinen Zigaretten zu verstinken, sondern im Freien zu rauchen. Wohl auch heute nicht ungewöhnlich ...
Der Knalleffekt bestand allerdings darin, dass dieser alltägliche Ehekrieg nicht im Jahr 1950, sondern 1876 stattgefunden hatte!
Der >Zeitreisende< wie er bald schon genannt wurde, trug 70 Dollar in Noten bei sich, die schon lange nicht mehr gültig, aber nagelneu waren. Visitenkarten mit einer Adresse in der Fifth Avenue bewiesen, dass er in New York Fuß gefasst hatte, allerdings vor 74 Jahren. Ferner fand sich die von damals datierte Rechnung eines Mietstalles in der Lexington Avenue für Einstellen und Fütterung eines Pferdes sowie das Waschen eines Pferdewagens. Gründliche Nachforschungen bestätigten, dass die Einzelteile dieses bizarren Puzzles den Tatsachen von 1876 entsprachen. Die Adresse in der Fifth Avenue hatte ebenso ihre Richtigkeit wie die des Pferdestalles in der Lexington Avenue. Vergilbende Akten aus dem vorigen Jahrhundert bestätigten das Verschwinden eines: „Mr. Rudolph Fentz“ aus Florida. In ihnen ist auch die dazugehörende Aussage von Mrs. Fentz festgehalten.
Ein großangelegter Betrug? Kaum. Mit einem lebenden Akteur wäre eine Täuschung eher früher als später aufgeflogen, sofern man sich nicht zu der absurden Vermutung verleiten lässt, der vorgebliche Zeitreisende habe sich als Teil des >Plans< freiwillig überfahren lassen. Zudem bliebe die Frage: Wozu das Ganze! Wer hat oder hätte bei dieser Geschichte einen Vorteil? Der Tode bestimmt nicht! ...