Charles Berlitz behauptet so einiges
Berlitz verwurstete schon das Bermudadreieck und das Philadelphiaexperiment
Im Spiegel liest sich die Rezension zu Philadelphia so
Grüner Nebel
Wurde im Kriegsjahr 1943 versucht, ein US-Kriegsschiff unsichtbar zu machen? "Bermuda"-Autor Charles Berlitz erblickt darin "eine der bizarrsten und unglaublichsten" Geschichten.
Nein, das darf nicht wahr sein. Aber es ist unleugbar: Berlitzens Schiffe verschwinden nicht mehr auf Nimmerwiedersehen -- neuerdings laßt der Erfolgsautor sie auf mysteriöse Weise wieder zum Vorschein kommen.
Der jähe Kurswechsel gelang Charles Berlitz am Rande des Bermuda-Dreiecks, jenes vertrackten Seegebiets, in dem der Gründerenkel der Berlitz-Sprachenschule ganze Schiffsarmaden und Flugzeuggeschwader zu spurlosen Opfern überirdischer Mächte erklärt hat. Ungestraft von jenen, vermochte Berlitz, 65, geheimnisvoll aufbereitete Vorgänge zu dem Buch-Welterfolg Das Bermuda-Dreieck -- Fenster "um Kosmos?" zu vermarkten.
Unverhofft schwenkte der kosmische Enthüller in seinem neuesten Buch "Das Philadelphia Experiment" von soviel Schiffsfriedhof auf ein einzelnes, einsames Schiff*.
Aber was mußte dieser Kahn erdulden!
"Die Konturen des Schiffs", so die Verlagswerbung in einer verknappten Inhaltsangabe, "verschwammen in einer Art grünlich leuchtendem Nebel". Schiff und Besatzung verschwanden, wurden aber, "einer Funkmeldung tufolge", unmittelbar darauf rund 1000 Kilometer weit weg "gesichtet". Wenig später lag das Schiff wieder "an seinem
alten Platz, doch die Menschen an Bord waren tot oder schrecklich verändert".
Opfer in jeder Hinsicht wurde der amerikanische Geleitzerstörer "Eldridge". Das Kriegsschiff, am 27. August 1943 in Dienst gestellt und am 30. Juni 1945 ausgemustert, hatte laut Logbuch ein ereignisarmes Dasein, meist als Konvoisicherung im Nordatlantik. Den einzigen Höhepunkt seiner Laufbahn bildete augenscheinlich ein Angriff auf ein mutmaßliches U-Boot am 20. November 1943 vor der Küste von Casablanca, wobei die "Eldridge"-Seesoldaten sieben Wasserbomben warfen, bis "eine extrem große Luftblase" (Kriegstagebuch) aufwallte. Sonst passierte mit der "Eldridge" nichts. Wirklich nicht?
In Wahrheit, so möchte Berlitz glauben machen, wurden die unglücklichen "Eldridge"-Matrosen das Opfer eines fehlgeschlagenen Experiments, mit dem die US-Navy "zufällig durch ein Tor zu einer anderen Welt" gelangt war. Das Schreckliche sei an einem Pier in Philadelphia geschehen, daher der Name.
Wer sich durch Berlitzens chaotisch vermengte Angaben, Interpretationen und Mutmaßungen gewühlt hat, gewinnt in der Tat ein schauerliches Bild. Demnach haben Physiker und Elektronik-Ingenieure des Marine-Forschungsamtes mit Hilfe der Einheitlichen Feldtheorie Albert Einsteins versucht, im Oktober 1943 die "völlige Unsichtbarkeit" des Zerstörers "und seiner gesamten Besatzung" herbeizuführen. In dem dabei entstandenen Magnetfeld ging nun offenkundig etwas schief.
Während das "dematerialisierte" Schiff angeblich alsbald im weit entfernten Norfolk geortet wurde, erblickten Beobachter "den scharf abgegrenzten Abdruck des Schiffrumpfes im Wasser". Kaum war das Schiff zuruck, da zeigte sich, daß etliche Mannschaftsmitglieder nicht mehr so recht funktionierten.,, Keiner dieser Männer", ließ sich Berlitz berichten, "möchte jemals wieder unsichtbar werden."
Nur wenige blieben übrig. "Die meisten wurden wahnsinnig", erfuhr der Autor bei seinen Nachforschungen. Einige hätten das Gefühl gehabt, "im Sirup steckenzubleiben", weil sie "sich zu lange in dem Magnetfeld aufhielten", andere waren aus dem gleichen Grund bewegungsunfähig "eingefroren", einer gar für sechs Monate.
Manche waren schlimmer dran: "Einer verschwand einfach, "durch' die Wand seines Quartiers vor den Augen seiner Frau" und kam nie wieder zum Vorschein, etliche fingen Feuer, zwei "brannten 18 Tage lang". Das konnten die Navy-Forscher nicht mehr verantworten -- sie brachen. so Berlitz, die Versuche ab.
Daß die Forscher in Wahrheit gar nichts abzubrechen hatten, weil sie "weder 1943 noch zu irgendeiner anderen Zeit irgendwelche Untersuchungen über Unsichtbarkeit angestellt" haben (so das US-Marineministerium am 23. Juli 1976 auf "unzählige Anfragen"), konnte Berlitzens Forscherdrang nicht bremsen. Ein Ministerium, darauf konnte er spekulieren, werde kaum so töricht sein, die Existenz einer derartigen Geheimwaffe zu bestätigen. Triumphierend verkündete Berlitz, die Logbücher der "Eldridge" seien für die fragliche Zeit "unauffindbar". Er irrte: Jedermann kann die Logbücher in den US-Nationalarchiven einsehen -- sie bieten für Berlitzens Enthüllungen nicht das kleinste Indiz.
Wie bei seinem Bermuda-Buch erbrachte Berlitz denn auch für das zeitweilige Verschwinden der .. Eldridge" nicht die Spur eines Beweises. Alle von Berlitz angeführten Merkwürdigkeiten im Bermuda-Dreieck waren plausibel erklärt worden (SPIEGEL 33/1975) -- "bis auf den Quatsch-", so Dr. Claes Rooth, Meteorologe an der Universität Miami. Der Philadelphia-Bericht ist so phantastisch geraten, daß er gänzlich unter das Rubrum des Unwiderlegbaren gehört.
Kein Wunder: Berlitz stützt sich ausschließlich auf unbewiesene Gerüchte, vage Veröffentlichungen und Briefe unbekannter Verfasser Er hat einfach die jahrelangen Aktivitäten eines Clans von Ufologen und Spökenkiekern gebündelt, dessen Mitglieder wegen ihrer Kenntnisse des Fata-Morgana-Effekts nach eigener Überzeugung ständig in Lebensgefahr schweben.
Nur einer der angeblichen Augenzeugen, ein gewisser Rinehart, hat sich -- gegenüber dem Berlitz-Co-Autor William Moore -- für einen kurzen Augenblick aus der Anonymität herausgewagt. Moore blickte dabei in die "Augen eines Hasen".
DER SPIEGEL 13/1979