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Die Tochter des Drachenkönigs und Sanlang



Es war einrnal ein junger Mann mit Namen Wang Sanlang. Als sein Vater noch lebte, hatte dieser ihn mit einem Mädchen verlobt. Damals lebte die Familie des Bräutigams vom Ackerhau und war sehr arm. Die Familie der Braut hatte einen kleinen Handel, und es ging ihr auch nur mittelmäßig. Später begann die Familie der Braut nach auswärts Handel zu treiben und wurde reich. In der Familie des Bräutigams aber starben Vater und Mutter, Wang Sanlang blieb allein zurück und wurde immer ärmer. Das wenige Ackerland, das er noch besaß, mußte er dem Grundbesitzer geben, um eine Schuld zu bezahlen. Die Familie der Braut, die die Armut haßte und den Reichtum liebte, ließ Wang Sanlang rufen, und ob er mochte oder nicht, die Verlobung wurde rückgängig gemacht.
Als Wang Sanlang nach Hause kam, war er sehr betrübt. Er nahm die Querflöte aus dem Beutel und begann darauf zu spielen. Den ganzen Kummer in seinem Bauch blies er durch die Flöte hinaus. Schon als kleiner Junge hatte er gern Musik gemacht, darum hatte ihm sein Vater aus einem Stück Bambusrohr die Querflöte geschnitten. Seitdem der Vater gestorben war, trug er die Flöte ständig bei sich, und je länger er sie blies, desto schöner klang es. Wenn er eine fröhliche Melodie spielte, kamen die Pfauen geflogen und schlugen vor ihm Rad, spielte er eine traurige Melodie, vergossen auch die steinernen Löwenfiguren Tränen. Oftmals blies er auf der Straße die Flöte, dann sammelten sich viele Menschen um ihn, und manche gaben ihm etwas Geld. So schlug er sich mühsam durchs Leben.

Eines Tages, als er gerade inmitten einer Menschenmenge die Flöte blies, kam zufällig der Vater seiner Braut vorüber, und jemand zeigte auf ihn und sagte verstohlen : »Schaut mal, der Flötenspieler sollte der Schwiegersohn dieses Alten werden, aber der Alte mochte ihn nicht mehr, weil er arm ist, und hat die Verlobung gelöst.«
Als der Alte das hörte, wurde er blaß vor Zorn. Zu Hause angekommen, befahl er zwei Dienern, sie sollten Wang Sanlang in der Nacht ins Meer werfen, um ihn zu ertränken, damit er nicht noch einmal durch ihn blamiert werden könnte.
In der Nacht kamen die beiden Diener zu Wang Sanlangs verfallener Hütte, steckten Wang Sanlang in einen Sack und trugen ihn ans Meeresufer. Gerade wollten sie den Sack ins Meer werfen, da bat Wang Sanlang in dem Sack:
»Onkels, ihr seid gekommen und wollt mich umbringen, weil ihr den Befehl dazu habt, und ich bin euch nicht böse. Aber ich spiele von klein auf gern Flöte. Und jetzt, wo mein Leben bald zu Ende ist, möchte ich noch einmal im Mondschein die Flöte blasen. Der Mond scheint heute so schön. Laßt mich bitte heraus!«
»Gut«, sagten die beiden Diener. »Aber spiele etwas Fröhliches, damit die Pfauen kommen und wir sehen können, wie sie Rad schlagen! Komm heraus!«
Als Wang Sanlang aus dem Sack gekrochen war und eben die Flöte an den Mund setzte, dachte er daran, wie grausam der Vater seiner Braut zu ihm war. Unwillkürlich wallte der Zorn in ihm auf, und die Flöte klang immer schriller und erregter.
Die beiden Diener, die keine Pfauen zu sehen bekamen, denen aber von der Musik die Ohren weh taten, nahmen Wang Sanlang die Flöte weg und sagten böse:
»Du kannst wirklich nicht hören, was man dir sagt! Wir haben gesagt, du sollst etwas Fröhliches blasen, du aber bläst so etwas. Das wollen wir nicht hören! Ab ins Meer mit dir, da kannst du dem Drachenkönig etwas vorblasen !«
Sie packten Wang Sanlang von beiden Seiten, hoben ihn hoch und trugen ihn an den Strand.
Gerade wollten sie ihn ins Wasser werfen, da krachte ein Donner, ein Blitz zuckte, schwarze Wolken rasten wie Pferde über den Himmel. Der Mond verschwand hinter den Wolken, und es sah aus, als ob es gleich regnen wollte. Auf dem Meer türmten sich hundert Dschang lange Wellen auf, die Brandung tobte und brüllte ohne Unterlaß. Der Himmel und das Meer hatten die zornige Melodie aus Wang Sanlangs Flöte gehört und sahen, wie die Diener ihn ins Wasser werfen wollten, da waren Himmel und Meer in Wut geraten.

Jetzt erschien im Meer etwas rundes Schwarzes und kam mit den Wellen ans Ufer. Was war das? Das war die Amme der Tochter des Drachenkönigs, Frau Tintenfisch.
Als Frau Tintenfisch am Ufer war, streckte sie zwei lange lackschwarze Arme aus, packte mit jedem einen von den Dienern und rief:
»Weg hier!«
Die beiden Diener flogen wie Kreisel durch die Luft und landeten wer weiß wo.

Als die beiden Diener verschwunden waren, wurde der Himmel wieder klar, das Meer beruhigte sich, und der Mond kam aus den Wolken hervor. Frau Tintenfisch sagte zu Wang Sanlang:
»Unser Drachenkönig hat gehört, wie du die Flöte geblasen hast und ist dreimal vom Drachenthron aufgestanden. Er bittet dich sofort zu sich. Hab keine Angst! Setz dich auf meinen Rücken, und bald sind wir da!«
Wang Sanlang fürchtete sich nicht, er setzte sich auf den Rücken von Frau Tintenfisch wie auf ein Pferd, und Frau Tintenfisch schwamm los. Vor ihnen öffnete sich das Wasser, und erst wenn sie vorbei waren, schloß es sich wieder. Wenn ein menschenfressender Hai kam, verspritzte Frau Tintenfisch von ihrer Tinte und färbte das Meerwasser damit schwarz, dann huschte sie mit Wang Sanlang an dem Hai vorüber und schwamm weiter.
Es dauerte nicht lange, da waren sie im Kristallpalast. Der Drachenkönig saß auf einem Thron aus Elfenbein.
Als er sie kommen sah, sagte er: »Wie heißt du, Bursche? - Wang Sanlang? Hm, hm. Du kannst wirklich tüchtig Flöte blasen, von den Tönen hat unser Kristallpalast geschwankt, und eine Korallensäule ist davon gebrochen. Komm und spiel mir etwas vor - Lustig oder traurig, ganz wie du willst. Ach ja, Frau Tintenfisch, bitte die drei Prinzessinnen her, damit sie auch eine schöne Melodie aus der Menschenwelt hören. Sie sollen sich nicht einbilden, weil sie ein, zwei Stücke spielen können, könnten sie schon wer weiß was!«

Es dauerte nicht lange, dann traten die Prinzessinnen eine nach der anderen vor den Drachenkönig. Wang Sanlang hatte noch nie so schöne Mädchen gesehen, von denen eine immer schöner war als die andere. Die älteste Prinzessin war schon sehr schön, aber die zweitälteste war noch schöner, die jüngste jedoch, die zum Schluß kam, übertraf auch sie. Jede von ihnen hielt ein Musikinstrument in der Hand, die älteste eine Flöte, die zweitälteste eine Mundorgel und die jüngste eine Querflöte.
In dem schönen Kristallpalast, wo er spielen konnte, was er wollte, war Wang Sanlangs Wut verraucht, und er blies eine fröhliche Weise. Die drei Prinzessinnen begannen danach zu tanzen, und auch der Drachenkönig stand von seinem Elfenbeinthron auf und stampfte schwerfällig zwischen den Mädchen hin und her.
Als das Flötenstück vorbei war, war auch der Tanz zu Ende.
»Kinder«, sagte der Drachenkönig, »jetzt seid ihr an der Reihe, etwas vorzuspielen. Geniert euch nicht! Wenn ihr etwas nicht richtig macht, könnt ihr Sanlang um Belehrung bitten. Von heute an soll Sanlang euer Lehrer sein !«
»Wie könnte ich es wagen, die Prinzessinnen zu unterrichten?« sagte Sanlang. »Ich muß noch von ihnen lernen !«
Ehe Sanlang ausgeredet hatte, begann die älteste Prinzessin die Flöte zu blasen. Sje blies und blies, und der Drachenkönig schlummerte auf seinem Thron ein. Als die Prinzessin ihn schnarchen hörte, wandte sie sich ab und ging in ihren Palast zurück.
Als nächste spielte die zweitälteste Prinzessin auf der Mundorgel. Sie blies und blies, und auch Frau Tintenfisch schlief auf der Erde ein. Als die Prinzessin hörte, wie sich zu dem Schnarchen ein zweites Schnarchen geseIlte, wandte sie sich ab und ging in ihren Palast zurück.
Jetzt verbeugte sich die jüngste Prinzessin vor Wang Sanlang und begann die Querflöte zu blasen. Sie blies und blies, da erwachte der Drachenkönig auf seinem Thron und Frau Tintenfisch auf der Erde. Beide wurden immer lustiger bei dem Spiel und begannen schließlich nach der Flötenmusik zu tanzen.
Als das Flötenstück vorbei war, war auch der Tanz zu Ende.
»Kinder«, sagte der Drachenkönig, »nanu - wo sind denn die anderen beiden ? Ach, ich verstehe, sie haben sich geärgert, weil ich eingeschlafen bin. Töchterchen, dann lerne du fleißig von Sanlang. Du spielst zwar nicht schlecht, aber unser Kristallpalast schwankt noch nicht, wenn du spielst.«
» Wie könnte ich es wagen, die Prinzessin zu unterrichten ?« sagte Sanlang. »Ich muß noch von ihr lernen !«

Von nun an brachte Sanlang seine Melodien eifrig der jüngsten Prinzessin bei, und die Prinzessin brachte eifrig ihre eigenen Melodien Sanlang bei.
Die jüngste Prinzessin lernte immer fleißiger und blies immer besser die Flöte. Eines Tages blies sie dem Drachenkönig etwas vor. Sie blies und blies, und der Kristallpalast fing leise an zu schwanken, und auch die Korallensäulen zitterten. Der Drachenkönig kniff die Augen zusammen und hörte immer weiter zu.
Die älteste und die zweitälteste Prinzessin aber standen heimlich hinter dem Geländer und sahen zu. Schließlich steckten sie die Köpfe zusammen und begannen miteinander zu tuscheln:
»Der Vater mag unsere jüngere Schwester immer lieber, uns aber läßt er links liegen. Daran ist nur dieser Sanlang schuld oder wie er heißt !«
Am nächsten Tag, als die jüngste Prinzessin nicht dabei war, sagte die älteste Prinzessin zum Drachenkönig:
»Träumst du eigentlich, Papa? Mit der Jüngsten ist etwas geschehen !«
»Etwas geschehen? Wie denn das ?«
Gleich sprang der Drachenkönig von seinem Elfenbeinthron auf.
»Sie will mit Wang Sanlang auf die Erde fliehen und seine Frau werden«, fuhr die zweitälteste Prinzessin fort.
»Ruft das Mädchen schnell her! Ach, und Frau Tintenfisch soll auch kommen! Sie sollte auf das Mädchen aufpassen und sie erziehen. Eine schöne Erziehung ist das! Wir sind Geisterdrachen, und Wang Sanlang ist ein gewöhnlicher Sterblicher. Als Lehrer mag er noch angehen, aber als Mann doch nicht !«
Frau Tintenfisch führte die jüngste Prinzessin herein. Die Prinzessin ließ den Kopf hängen.
»Du schamloses Ding !« fuhr der Drachenkönig sie an. »Du bist eine Drachentochter, wie kannst du einen Menschen heiraten wollen! Fein hast du dir das ausgedacht. Schwöre mir auf der Stelle, daß du nie wieder mit Wang Sanlang zusammenkommen wirst, los!«
»Papa«, sagte die jüngste Prinzessin, »du hast mir doch selbst befohlen, ihn als Lehrer zu verehren. Mit wem soll denn eine Schülerin zusammen sein, wenn nicht mit ihrem Lehrer? Ich will mit ihm zusammen sein !«
»Ach, du bringst mich um!« rief der Drachenkönig. »Also willst du ihn wirklich heiraten! Das.... das. ..«
»Ich will mit ihm zusammen sein. ..«
Als der Drachenkönig sah, daß er mit Strenge nicht weiterkam, versuchte er es mit Güte. »Kindchen«, sagte er, »du bist noch zu jung und hast keine Ahnung. Die Menschen können nur hundert Jahre alt werden, aber wir Drachen leben fünfhundert Jahre. Wenn du ihn heiratest und nicht wieder ins Meer zurückkommst, wirst du auch nicht älter als hundert Jahre. Vierhundert Jahre weniger wirst du leben. Überleg dir das gut, mein Kind, mein Töchterchen!«
»Auf die vierhundert Jahre will ich gerne verzichten!« erwiderte die Prinzessin.
Da schrie der Drachenkönig wieder los:
»Das Mädchen hat uns wirklich verraten! Aus ihrem Drachenherz ist ein Menschenherz geworden.« (Die Drachenherzen sind kalt, aber die Menschenherzen sind warm.)
»Frau Tintenfisch, ich übergebe dir das Mädchen! Ab sofort darf sie keinen Fuß mehr aus dem Palast setzen und darf Wang Sanlang nicht mehr sehen. Schön hast du sie mir erzogen! Eine Verräterin an ihrer Sippe hast du aus ihr gemacht! Sei auf der Hut! Wenn sie mit ihm ausrückt, breche ich dir die Knochen im Leibe! - Herkommen !« rief der Drachenkönig dann seine Krebssoldaten und Krabbenoffiziere zu sich.
Die Krebssoldaten und Krabbenoffiziere antworteten mit einem Ruf und traten vor den Drachenkönig. Der Drachenkönig zeigte auf Wang Sanlang und sagte: »Bringt ihn auf die kleine Insel im Westmeer ! Die Insel ist auf allen vier Seiten von Wasser umgeben. Wenn ihm nicht Flügel wachsen, kommt er dort nicht davon. Los, packt ihn !« Der Drachenkönig riß sich ein Barthaar aus und gab es einem Krabbengeneral.
»Näht ihm den Mund zu, damit er nicht mehr Flöte blasen kann! Das Mädchen liebt ihn nur, weil er Flöte blasen kann. Da will ich doch sehen, wofür sie ihn noch lieben wird. Los!«
Die Krebssoldaten und Krabbenoffiziere nähten Wang Sanlang wirklich mit dem Drachenbarthaar den Mund zu, schleppten ihn dann aus dem Kristallpalast und brachten ihn auf das Inselchen im Westmeer .

»Ich möchte zu Sanlang«, sagte die jüngste Prinzessin zu Frau Tintenfisch.
»Geh nicht, Mädchen !« sagte Frau Tintenfisch. »Laß mich einmal dein Herz fühlen! Ach, wie heiß es ist! Dein Vater hat wirklich recht. Du willst bestimmt mit Sanlang zusammen weglaufen. Mädchen, Sanlang ist ja gewiß ein guter Bursche, aber er ist doch nur ein Mensch. Wenn du mit ihm gehst, wirst du vierhundert Jahre weniger leben. Das ist doch die Sache nicht wert !«
Aber die jüngste Prinzessin sagte: »Ich will zu ihm. Sie haben ihm den Mund zugenäht, und wenn ich ihm nicht etwas bringe, wird er nicht nur keine hundert Jahre, sondern nicht einen einzigen Tag leben können. Wenn du willst, komm mit, sonst gehe ich allein !«
»Kindchen«, sagte Frau Tintenfisch, »du bist in meinen Armen groß geworden. Keinen einzigen Tag waren wir voneinander getrennt. Durch Wasser und Feuer will ich mit dir gehen !«
Im seIben Moment kam jemand mit der Nachricht, der Drachenkönig habe seine jüngste Tochter mit dem Thronfolger des Drachenkönigs des Westmeers verlobt, und der Bräutigam käme schon auf einem Seepferd geritten, er habe einen großen Trupp Krebssoldaten und Krabbenoffiziere bei sich, lasse Gongs und Trommeln schlagen und Feuerwerk abbrennen und wolle die Braut abholen. »Schnell, verschwinden wir durch den hinteren Palast !« sagte die jüngste Prinzessin.
»Aber daß wir nur nicht auf meine Schwestern stoßen! Dieser Drachensohn frißt Tintenfische und Goldfische bei lebendigem Leibe. Schon wenn ich ihn sehe, bekomme ich Angst vor ihm. Wie sollte ich fünfhundert Jahre mit ihm leben !«
Frau Tintenfisch faßte die Prinzessin an der Hand, schwamm mit ihr zur hinteren Tür des Kristallpalastes hinaus, und sie machten sich auf den Weg zu der kleinen Insel im Westmeer .
Als sie dicht an der Insel waren, erblickten sie plötzlich wehende Fahnen und huschende Schatten. Kriegsgeschrei erschütterte das Wasser auf dem Meeresgrund, wo es tausend Jahre lang still gewesen war. Als der Sohn des Drachenkönigs aus dem Westmeer lange vergeblich auf die jüngste Prinzessin gewartet hatte, hatte er in Erfahrung gebracht, daß sie aus dem Kristallpalast geflohen und nach der Insel zu Wang Sanlang unterwegs war. Darum war er ihr zuvorgekommen und lag hier auf der Lauer.
Frau Tintenfisch versteckte die Prinzessin auf einer kleinen Koralleninsel auf dem Meeresgrund, sie selber aber holte Tausende Tintenfische zusammen und sagte zu ihnen:
»Der Sohn des Drachenkönigs aus dem Westmeer verschlingt jeden Tag einige zehn Tintenfische und ist unser Feind. Jetzt will er die jüngste Prinzessin zu seiner Frau machen. Können wir das zulassen? Nein Kinder, wir wollen der Prinzessin helfen, damit sie zusammen mit Wang Sanlang auf der Erde leben kann.«
Als die Tintenfische das gehört hatten, bildeten sie einen großen Kreis um den Sohn des Drachenkönigs mit seinen Krebssoldaten und Krabbenoffizieren.
Frau Tintenfisch rief: »Los!«, und alle Tintenfische verspritzten ihre Tinte. Aus dem grünen Meer wurde ein schwarzes Meer. Durch das schwarze Meer schlich Frau Tintenfisch auf die Insel, stieg mit Sanlang auf dem Rückcn wieder ins Wasser und schwamm vor der Nase der Krebssoldaten und Krabbenoffiziere auf die kleine Koralleninsel, wo sie die Prinzessin trafen. Dann schwammen sie gemeinsam an Land.
Kaum waren sie am Ufer, kamen auch die älteste und die zweitälteste Prinzessin angeschwommen, die der Drachenkönig geschickt hatte. Die ä1teste Prinzessin sagte zur jüngsten:
»Schwesterchen, Papa weiß, daß du entschlossen bist, mit Sanlang zu gehen. Er hat seine Meinung geändert und hat mir befohlen, dir deine Sachen zu bringen. Er möchte nur, daß du nach hundert Jahren, wenn Sanlang bcstimmt schon tot ist, zu uns ins Meer zurückkommst und dann den Sohn des Drachenkönigs aus dem Westmeer heiratest. Auch der Drachenprinz hat gesagt, er läßt dich Wang Sanlang für hundert Jahre und wird treu auf dich warten. Sieh mal - Gib die Sachen her, zweite Schwester! - Das schickt dir alles Papa. So viel! Nimm es, auf der Erde kannst du gut davon leben.«
Als die jüngste Prinzessin das hörte, sträubte sich ihr weiches Haar und sie erwiederte:
»Geht nach Hause und sagt Papa, ich komme nie wieder zurück. Wir sehen uns heute zum letzten Mal. Solange die Erde steht, will ich mit Sanlang zusammenbleiben.«

Mit diesen Worten schlug sie der zweitältesten Prinzessin Korallen, Schildpatt, Perlen und Achate aus der Hand, und alles fiel wie ein Regen ins Meer. Die älteste und die zweitälteste Prinzessin schlugen die Hände vors Gesicht und versanken mit den Sachen zusammen in der Tiefe.
Als sich das Wasser wieder beruhigt hatte, drehte sich die Prinzessin um, zog Sanlang das Drachenbarthaar heraus, mit dem sein Mund zugenäht war, und warf es ins Meer.
Frau Tintenfisch hatte sie nicht mehr daran hindern können, darum sprang sie hinterher und brachte das Barthaar zurück.
»Sanlangs Blut klebt daran!«, sagte sie, »es wird uns noch von Nutzen sein.«
Wang Sanlang ließ sich mit der Prinzessin und Frau Tintenfisch irgendwo nieder und machte sich mit der Prinzessin zusammen Sorgen, wovon sie in Zukunft leben sollten. Da sagte ihm Frau Tintenfisch, er solle einen großen Kübel aufstellen, halb voll Wasser füllen und dann das Barthaar hereintun. Es dauerte nicht lange, da schwammen ein paar Dutzend Drachengoldfische in dem Kübel. Wie schön sie aussahen, eine Sorte immer seltener als die andere, und die Farbe der einen Sorte immer leuchtender als die der anderen! Ihre roten Muster und Flecken sahen aus wie Blut. Sanlang und die Prinzessin befaßten sich sorgfältig mit der Goldfischzucht und zogen ein paar hundert neue Arten. Sie lebten von der Zucht und vom Verkauf der Goldfische, und die Leute kamen von nah und fern, um Goldfische bei ihnen zu kaufen und sich daran zu erfreuen. Nach ein paar Jahren legten Sanlang und die Prinzessin einen Garten an, in dem sie ein paar hundert Kübel mit Goldfischen hatten. Das Gartentor stand immer offen, und jeder konnte hineingehen und sich die Goldfische ansehen.
Einmal kam auch der Vater von Sanlangs früherer Braut. Als er sah, wie viele Leute Goldfische kauften, wollte er auch gern Goldfische zum Verkauf züchten, darum ging er zu Sanlang und fragte ihn, woher er die Fischbrut bekommen hatte. Sanlang sah sofort, daß er den Vater seiner früheren Braut vor sich hatte, und antwortete laut und deutlich: »Woher? Ein Barthaar des Drachenkönigs habe ich dazu verwandelt.«
»Ein Drachenbarthaar ?« fragte der Alte. »Das ist schwer zu bekommen. Wer wagt schon, ins Meer zu steigen und dem Drachenkönig ein Barthaar auszuzupfen! Reicht nicht auch das Barthaar eines Menschen?« Dabei strich er über seinen Rattenbart.
»Warum nicht, wenn du es dir ausreißen läßt.«
»Gut. Dann züchte ich aus meinen Barthaaren Goldfische. Aber ich weiß ja nicht, wie man das macht.«
»Dir werde ich es zeigen«, dachte Wang Sanlang und sagte: »Die Tintenfischfrau, die bei mir wohnt, kann mit dir gehen und dir helfen.«
Da freute sich der Alte und verbeugte sich immer wieder mit zusammengelegten Händen. »Gut, gut«, sagte er, »morgen schicke ich eine Sänfte nach ihr .«
Am nächsten Tag gab Sanlang der Tintenfischfrau eine eiserne Pinzette und einen eisernen Zahnstocher und setzte sie in die Sänfte.
Als die Tintenfischfrau zu dem Alten gekommen war, riß sie ihm mit der eisernen Pinzette alle Barthaare aus. Dem Alten tat es so weh, daß ihm der Schweiß ausbrach und die Tränen aus seinen Augen liefen.
Dann nahm die Tintenfischfrau den eisernen Zahnstocher und sagte :
»Jetzt muß ich dich stechen, daß Blut kommt, und das Blut muß auf die Barthaare tropfen.«
»Stechen, daß Blut kommt? Nein, nein, nein. ..« Der Alte ging gleich einen großen Schritt zurück.
»Hast du Angst?« fragte die Tintenfischfrau. »Dann erkundige dich bei Sanlang, ob nicht auf dem Drachenbarthaar zuerst sein Blut geklebt hat!«
»Gut«, sagte der Alte. »Warte einmal und laß mich erst ins Zimmer gehen!«
Als der Alte wiederkam, hielt er ein Messer in der Hand und richtete die Messerspitze auf die Tintenfischfrau.
»Tut mir leid, aber ich will lieber dein Blut nehmen. Stich dich schnell, sonst schlachte ich dich und brate dich. Jetzt ist gerade die Zeit, wo Tintenfische am besten schmecken. Rahaha !«
»Gut«, sagte die Tintenfischfrau. »Wenn ich schon helfe, dann auch bis zuletzt. Tropfen wir also mein Blut darauf. Aber wundere dich nicht, Tintenfische haben schwarzes Blut.«
Frau Tintenfisch tropfte von ihrer Tinte auf die Barthaare, gab sie dann dem Alten und sagte ihm, er solle sie in einen Kübel mit Wasser tun und den Kübel erst nach sieben Tagen wieder aufmachen.
Der Alte ließ die Tintenfischfrau nicht weg. Er wollte erst sehen, daß er wirklich Goldfische hatte, ehe er sie gehen ließ.

Als die sieben Tage um waren, richtete der Alte in seinem Haus ein großes Festmahl. Er lud ein paar hundert seiner nächsten Verwandten und engsten Freunde ein, um mit ihnen Wein zu trinken und die Goldfische zu besehen, die er aus seinen eigenen Barthaaren gezüchtet hatte.
Als eine günstige Stunde gekommen war, um den Kübel aufzumachen, wurden im Saal rote Kerzen angezündet und Feuerwerkskörper abgebrannt. Der Alte nahm selber den Deckel ab. Aber, 0 weh, in dem Kübel war es ganz schwarz. Und was schoß darin hin und her? Der ganze Kübel war voller schwarzer Schlammpeitzker. Was sollte es auch anders sein, wenn sie mit der Tinte vom Tintenfisch gezüchtet waren!
Die Gäste lachten laut auf und mußten sich vor Lachen die Bäuche halten, als sie gingen.
Auch die Tintenfischfrau lachte, daß es rot durch ihr schwarzes Gesicht schimmerte, und wollte eben gehen, als der Alte sie packte.
»Ausrücken willst du, du Hexe? - Kommt her !« rief er nach seinen Dienern. »Haut sie mir ordentlich, bis ihr schwarzes Hinterteil weiß wird !« befahl er .
Mehr als zehn grausame Diener umringten die Tintenfischfrau, ein paar hielten sie fest, daß sie sich nicht bewegen konnte, die anderen hielten Knüppel in der Hand.
»Wenn du mir auf das Hinterteil hauen läßt, macht mir das nichts aus. Aber dein Gesicht wird wohl nicht gut aussehen, also sei nicht so grausam!«
»Was hat das mit meinem Gesicht zu tun, wenn dir das Hinterteil verdroschen wird ?« rief der Alte. »Haut sie, aber ordentlich!«
Die Diener hoben die Knüppel und schlugen der Tintenfischfrau auf das Hinterteil. Aber bei jedem Schlag spritzte sie einen Stoß Tintensaft aus. Jeder Stoß kam lang und kräftig und traf den Alten genau ins Gesicht. Im Nu sah er aus, als ob er aus dem Kohlenhaufen gekrochen wäre.
»Hilfe, Hilfe, aufhören !« befahl er, schlug die Hände vors Gesicht und lief ins hintere Zimmer. Er wusch sich das Gesicht schnell mit Wasser ab, aber als er das Wasser hundertmal gewechselt hatte, sah er immer noch aus wie aus dem Kohlenhaufen gekrochen. So war sein weißes Gesicht für immer schwarz geworden.

Wang Sanlang, und die jüngste Drachentochter und auch die Tintenfischfrau verbrachten zusammen glückliche Tage. Wang Sanlang schnitt sich eine neue Querflöte und blies sie oft in seinem Garten. Immer umringten ihn die Leute und hörten zu. (Quelle studentenfreepage)