Zitate
12.12.2005 um 04:08
"Es ist an der Zeit, daß Amerika eine einheitliche, umfassende und langfristige Geostrategie für Eurasien als Ganzes formuliert und verfolgt. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus dem Zusammenwirken zweier grundlegender Faktoren: Amerika ist heute die einzige Supermacht auf der Welt, und Eurasien ist der zentrale Schauplatz. Von daher wird die Frage, wie die Macht auf dem eurasischen Kontinent verteilt wird, für die globale Vormachtstellung und das historische Vermächtnis Amerikas von entscheidender Bedeutung sein.
Amerikas globale Vorherrschaft ist in ihrer Ausdehnung und in ihrer Art einzigartig. Sie ist eine Hegemonie neuen Typs ... In weniger als einem Jahrhundert zustande gekommen, zeigt sie sich vor allem in der beispiellosen Rolle Amerikas auf der eurasischen Landmasse, wo bisher alle früheren Konkurrenten um die Weltmacht ihren Ursprung hatten. Amerika ist nun der Schiedsrichter Eurasiens, und kein größeres eurasisches Problem läßt sich ohne die Beteiligung der USA oder gegen ihre Interessen lösen."
(aus: Zbigniew Brzezinski - `Die einzige Weltmacht `)
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" Kurzfristig ist es in Amerikas Interesse, den derzeit herrschenden Pluralismus auf der Landkarte Eurasiens zu festigen und fortzuschreiben. Dies erfordert ein hohes Maß an Taktieren und Manipulieren, damit keine gegnerische Koalition zustande kommt, die schließlich Amerikas Vorrangstellung in Frage stellen könnte, ganz abgesehen davon, daß dies einem einzelnen Staat so schnell nicht gelänge. Mittelfristig sollte die eben beschriebene Situation allmählich einer anderen weichen, in der auf zunehmend wichtigere, aber strategisch kompatible Partner größeres Gewicht gelegt wird, die, veranlaßt durch die Führungsrolle Amerikas, am Aufbau eines kooperativeren transeurasischen Sicherheitssystems mitwirken können. Schließlich, noch längerfristiger gedacht, könnte sich aus diesem ein globaler Kern echter gemeinsamer politischer Verantwortung herausbilden."
(aus: Zbigniew Brzezinski - `Die einzige Weltmacht `)
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Amerika kann allein kein geeinteres Europa schaffen - das ist Sache der Europäer, allen voran der Franzosen und Deutschen -, Amerika kann aber das Entstehen eines geeinteren Europa behindern. Und dies könnte sich für die Stabilität in Eurasien und somit für Amerikas eigene Interessen als fatal erweisen. In der Tat droht Europa, wenn es nicht zu einer Einheit kommt, wieder zu zerfallen. Folglich ist es, wie oben dargelegt, lebenswichtig, daß Amerika sowohl mit Deutschland als auch mit Frankreich eng zusammenarbeitet, auf ein politisch lebensfähiges Europa hin, das gleichwohl mit den USA verbunden bleibt und den Geltungsbereich des internationalen Systems demokratischer Zusammenarbeit ausdehnt. Ohne Europa wird es kein transeurasisches System geben.
Praktisch heißt das: Es muß allmählich eine Übereinkunft über eine gemeinsame Führung in der NATO erzielt, Frankreichs Interesse an einer Rolle Europas nicht nur in Afrika, sondern auch im Nahen Osten stärker berücksichtigt und eine Osterweiterung der EU anhaltend unterstützt werden, selbst wenn die EU ein politisch wie wirtschaftlich selbstbewußterer global player werden sollte. Ein transatlantisches Freihandelsabkommen, das bereits eine Reihe prominenter Staatsmänner des Atlantischen Bündnisses befürworten, könnte außerdem das Risiko verringern, daß es auf wirtschaftlichem Gebiet zu immer stärkeren Rivalitäten zwischen einer geeinteren EU und den Vereinigten Staaten kommt...
Die Erweiterung von NATO und EU hätte wohl überdies zur Folge, daß die Europäer sich wieder stärker ihrer Verantwortung für die Welt bewußt werden, und zugleich, zum Nutzen Amerikas wie Europas, die durch die erfolgreiche Beendigung des Kalten Krieges gewonnenen Vorteile der Demokratie, festigen. Bei dieser Bemühung steht nichts weniger auf dem Spiel als Amerikas langfristiges Verhältnis zu Europa. Ein neues Europa muß erst noch Gestalt annehmen, und wenn dieses neue Europa geopolitisch ein Teil des »euro-atlantischen« Raums bleiben soll, ist die Ausdehnung der NATO unumgänglich ... Ja, das Scheitern einer von den USA getragenen Bemühung, die NATO auszudehnen, könnte sogar ehrgeizigere russische Wünsche wieder aufleben lassen. Es ist noch keineswegs klar ersichtlich - und steht im krassen Gegensatz zu dem, was uns die Geschichte lehrt -, ob die politische Elite Rußlands Europas Wunsch nach einer starken und dauerhaften politischen und militärischen Präsenz der USA teilt. Während man also ein zunehmend kooperatives Verhältnis zu Rußland unbedingt anstreben sollte, ist es wichtig, daß Amerika über seine globalen Prioritäten keinen Zweifel aufkommen läßt. Sollte zwischen einem größeren euroatlantischen System und einer besseren Beziehung zu Rußland eine Wahl getroffen werden müssen, hat ersteres für Amerika weitaus höher zu rangieren.
Sowie Mitteleuropa der NATO beitritt, muß jede neue Sicherheitsgarantie, die Rußland vom Westen in bezug auf die Region gewährt wird, wirklich gegenseitig und somit für beide Seiten beruhigend sein... Während alle neuen unabhängigen westlichen Nachbarn Rußlands auf ein stabiles und kooperatives Verhältnis zu Rußland erpicht sind, haben sie aus historisch verständlichen Gründen vor Moskau eigentlich immer noch Angst. Daher würde das Zustandekommen einer fairen NATO-EU-Vereinbarung mit Rußland von allen Europäern als ein Signal dafür begrüßt werden, daß Rußland endlich die gewünschte postimperiale Wahl zugunsten Europas trifft.
Diese Entscheidung könnte den Weg zu einem umfassenderen Bemühen ebnen, Rußlands Status und Ansehen zu verbessern. Die förmliche Mitgliedschaft bei den G7-Staaten, die das Land seit Juli 1997 erlangt hat, sowie die Aufwertung des politischen Apparates der OSZE (in der ein spezieller Sicherheitsausschuß, bestehend aus Amerika, Rußland und verschiedenen europäischen Schlüsselländern, eingerichtet werden könnte), würde den Russen Gelegenheit geben, am Aufbau von politischen und Sicherheitsstrukturen in Europa konstruktiv mitzuwirken...
(aus: Zbigniew Brzezinski - `Die einzige Weltmacht `)
Die Wahrheit ist seltsamer als die Fiktion, weil die Fiktion Sinn machen muss.