Entschlüsselung des Geruchsinnes...
18.11.2004 um 18:02
Von Quarks und Co:
Das riecht doch wie… – bei Oma. Wer kennt nicht solche Gerüche, die einem plötzlich in die Nase steigen und einen sofort um Jahre oder Jahrzehnte zurück versetzen – die völlig unverhofft längst Vergessenes zutage fördern. Plötzlich ist Omas Küche wieder so präsent wie damals, als man mit sieben bei ihr am Küchentisch Hausaufgaben gemacht hat, während sie Kartoffelsuppe kochte.
Es ist sagenhaft, wie gut Gerüche solche Erinnerungen hervorholen können, unvor-stellbar, und dennoch wissenschaftlich absolut erklärbar. Schließlich geht jeder Duft gewissermaßen auf direktem Weg in unser Gefühls- und Erinnerungszentrum – das limbische System. Wenn ein solcher Geruch mit einem bestimmten Umfeld oder einer erlebten Situation verknüpft ist, wird er hier langfristig gespeichert. Weder Bilder noch Geräusche bleiben in unseren Erinnerungen solange präsent wie Düfte.
Dem Duft auf der Spur
Dass Gerüche so tief in unsere Gefühle eingreifen können, ist längst kein Geheimnis mehr, aber was dabei genau im Gerhin passiert, ist noch nicht eindeutig entschlüsselt. Dieser Aufgabe widmen sich immer mehr Duftforscher. Vor allem Hirnforscher untersuchen, welche Auswirkung Gerüche auf unsere Emotionen und damit auf unser Verhalten zeigen. Ein wichtiges Arbeitsinstrument sind dabei EEG (Elektroenzephalogramm), MR (Magnetresonanz- oder Kernspintomografie genannt) und PET (Positronen-Emissionstomografie).
Lassen sich Düfte im Gehirn sichtbar machen?
Im Kernspintomografen werden Geruchsspuren im Gehirn sichtbar gemacht
Während die Forscher mit dem EEG nur Gehinaktivitäten in Form von Hirnwellenmustern messen (also nur grob die aktiven Hirnbereiche eingrenzen) können, erlauben sowohl PET also auch MR den direkten Blick ins Gehirn. Sie geben millimeter- und millisekundengenau wider, in welchem Teil des Gehirns gerade gearbeitet wird.
Beide Techniken sind für den Laien auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden. Der Proband wird mit dem Kopf in eine Röhre geschoben und mit Hilfe der bildgebenden Verfahren wird jede Veränderung in den einzelnen Hirnteilen sichtbar. Die Forscher erhalten auf ihren Monitoren Einblick in die einzelnen Hirnbereiche und können dem Gehirn regelrecht beim Arbeiten zusehen. Die "Schnappschüsse" des Tomografen werden ausgewertet und geben dann ziemlich exakt wieder, in welchen Teilen des Gehirns der Duft seine Spuren hinterlassen hat. Mit diesen Untersuchungen haben die Forscher vor einigen Jahren erst angefangen und so gibt es mittlerweile zwar viele einzelne Untersuchungsergebnisse, aber noch wenige eindeutige Erkenntnisse.
Die Gehirnforscher haben beipielsweise herausgefunden, dass beim Verarbeiten von Gerüchen, anders als bei anderen Sinneswahrnehmungen, verbale Hirnbereiche (die beim Sprechen beteiligt sind) kaum involviert sind. Das würde auch erklären, warum es so schwierig ist, Gerüche zu identifizieren (oft weiß man zwar, dass man einen Geruch kennt, weiß aber nicht, wonach das riecht, es sei denn man sieht den riechenden Gegenstand gleichzeitig).
Auch was das Erinnerungsvermögen angeht, gibt es deutliche Unterschiede zwischen Riechen und anderen Sinneswahrnehmungen. Gerüche, an die wir uns erinnern können, sind immer emotional belegt. Wenn wir dagegen alte Fotos sehen, ist die emotionale Verknüpfung in der Regel längst nicht so stark.
… Gewusst wie …
Gerüche sind flüchtig, Gerüche vermischen sich leicht und letztlich riecht fast alles. Das macht die Erforschung des Geruchssinnes kompliziert. Die Forscher müssen, um Ergebnisse einzelner Versuchspersonen vergleichen zu können, mit konstanten Gerüchen arbeiten. Das ermöglicht ein sogenanntes Olfaktometer, ein Gerät, das mit bis zu 6 Düften gleichzeitig "gefüttert" werden kann. Ein Olfaktometer feuchtet die Düfte an – damit sie von der Nasenschleimhaut gut aufgenommen werden – und ermöglicht einen konstanten Fluss des Duftes direkt in die Nase. Zudem müssen die Forscher natürlich mit Materialien arbeiten, die keinen Eigengeruch haben: das sind Glas, Teflon und Edelstahl. Sogar Kunststoff riecht!
Die Erlanger Arbeitsgruppe um Professor Kobal hat diverse Untersuchungen durchgeführt, um herauszufinden, wie stark Gerüche das menschliche Verhalten beeinflussen. So haben sie zum Beispiel Probanden mit Eugenol (Nelkenöl) beduftet. Die an-schließende MR-Messung zeigte deutliche Aktivität in Teilen des limbischen Systems, also dem Teil des Gehirns, der für Gefühle verantwortlich ist. Ein Hinweis dafür, dass Nelkenöl-Duft bei den Versuchspersonen eine Erinnerung bzw. Emotion auslöst. Die einen denken bei dem Geruch an den Zahnarzt, weil es früher in Zahnarztpraxen immer nach Nelkenöl roch; die anderen erinnert der Duft an Weihnachten – weil Nelkenaroma in Glühwein und Weihnachtsgebäck steckt. Die Forscher konnten in einigen Teilen des limbischen Systems sogar die gleiche Aktivität messen, wenn die Versuchspersonen gar nicht wirklich etwas rochen, sondern sich den Geruch nur vorstellten. Gerüche können also regelrecht "Bilder" in der Erinnerung hinterlassen, die auch durch das reine Denken an einen Geruch "wachgerufen" werden.
Wenn es duftet steigt die Spannung
Elektroden auf dem Kopf messen Hirnströme und zeigen, dass die Zuschauer mit mehr Aufmerksamkeit bei den Filmen sind
In ihren Experimenten untersuchen die Duftforscher aus Erlangen auch, wie Gerüche sich auf die Wahrnehmung und Aufmerksamkeit auswirken. Kann ein Duft beispielsweise die Aufmerksamkeit steigern? Sowohl beim Anschauen von Filmen (Aktion- aber auch Lernfilme wurden gezeigt) als auch beim Lösen von Aufgaben stellte sich heraus, dass sich die Aufmerksamkeit von Versuchspersonen abhängig von der Beduftung mit verschiedenen Aromen änderte. Die Spannung der Probanden wurde bei allen gezeigten Filmen durch Hexensäure (sprich: Hexeensäure), einer Substanz die nach Schweiß riecht, gesteigert.
Auch die Forschergruppe um Regine Maiworm aus Münster hat untersucht, wie Gerüche den Menschen unterbewusst "manipulieren". Bei ihren Experimenten hat sie Männer im Schlaf mit Gerüchen aus weiblichem Vaginalextrakt beduftet. Mit einschlagendem Erfolg: die Männer wachten zwar nicht auf, aber ihre Hirnwellenmuster veränderten sich signifikant und zeigten deutlich, dass der Duft die Versuchspersonen selbst im Schlaf nicht kalt lässt.
Geruchsgesteuert?
Anders als ein Hund orientiert sich der Mensch zwar nicht anhand von Gerüchen, aber unser Geruchssinn scheint deutlich öfter an Entscheidungen beteiligt zu sein, als uns bewusst wird. Gerade wenn es um Gefühle geht, folgt auch der Mensch meist seiner Nase. Dabei spielt das limbische System eine entscheidende Rolle.