EEG - Hirnrinde - Nahtod
26.03.2003 um 12:50EEG - Hirnrinde - Nahtod (Eine detaillierte Erklärung)
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Hallo,
man hat in der Zwischenzeit Daten aus neurochirurgischen OPs mit Kreislaufzwischenfaellen. Bei solchen OPs wird standardmaeßig einn EEG abgeleitet, die Ableitung erfolgt direkt auf der Hirnoberflaeche.
Die Hirnstromkurven zeigten Nullaktivitaet, obgleich die Mehrzahl (wesentlich mehr als nur 10% haben Nahtodeserlebnisse) der Patienten hinterher berichten konnte, was im Saal in dieser Operationsphase vor sich ging. Explizit waren Areale in den Messungen einbezogen, von denen man weiß, daß bei ihrem Ausfall keine Sinnesverarbeitung mehr moeglich ist (Hoer-, Sehrinde etc.). Daraus folgt eigetlich zwingend, daß die Sinneswahrnehmung (und damit auch das Bewußtsein, das ja Voraussetzung fuer eine Wahrnehmung ist) nicht an funktionierende Hirnstrukturen gebunden ist.
Zugegeben: Tiefere Zentren (Basalganglien, Hirnstamm, Rueckenmark) werden bei der Ableitung nicht erfaßt, jedoch laufen die anatomischen Verbindungen von den Sinnesorganen zu den entsprechenden Rindenarealen, und diese waren elektrisch tot.
Nahtodeserlebnisse zu interpretieren als Restaktivitaet im sterbenden Gehirn ist damit eigentlich obsolet. Überrraschend ist das eigentlich nicht, ist es doch reichlich unwahrscheinlich, daß ein schwer geschaedigtes Gehirn noch enorme Gedaechnisleistungen ("Mein ganzes Leben lief nochmal in mir ab") und assoziative Hoechstleistungen ("Mit einem Schlag habe ich alles verstanden") vollbringen soll.
Mir waere nichts darueber bekannt, daß solche Erlebnisse an Gottesglaeubigkeit (welche der vielen existerenden Goetter?) gebunden ist. Es ist eine spirituelle Angelegenheit, bzw. es ist die Frage nach einer "anderen Welt" und nicht die Frage nach Glauben an (zu eng gefaßte) Konstrukte wie Gott oder eine bestimmte Religion.
In der Tat: Die bewußte Wahrnehmung von Sinnesreizen scheint bei elektrisch aktivem Gehirn auf die Reichweite unserer Sinnesorgane beschraenkt zu sein. Bei zunehmender Funktionseinschraenkung scheint die Wahrnehmung dann aber ueber diesen Aktionsradius hinausgehen zu koennen. Dabei ist es wohl irrelevant, ob diese Stoerung durch auf Sauerstoffmangel beruht oder chemischer oder elektrischer Natur ist (Drogen bzw. Elektroden). Bedenke zu letzterem, daß ein Computer abstuerzt, wenn Du inadaequate Impulse auf seine Ports gibst - obwohl es auch bloß Strom ist, ohne den der Rechner ja eigentlich gar nicht erst funktionieren wuerde.
Das ganze nocheinmal anders:
Wenn das Organ elektrisch aktiv ist, kommt es ja gar nicht zu erweiterten Sinneswahrnehmungen. Stattdessen kommt es nur dann zur erweiterten Wahrnehmung, wenn das Gehirn elektrisch inaktiv ist, [weshalb] es offenbar doch an eine physiologische Bedingung gekoppelt ist und zwar an eine, die durch elektrische Inaktivitaet erzeugt wird...[??] ...richtig, Inaktivitaet als hinreichendes, aber (!) nicht unbedingt notwendiges Ereignis (dazu spaeter mehr).
Steht die Frage: koennte es sein, daß diese Wahrnehmungen nicht solche "trotz inaktiven Gehirns" sind, sondern vielmehr des "gerade wieder aktivwerdenden" Gehirns (Rueckholung des Sterbenden)?
Das liefe, pathopsychologisch ausgedrueckt, auf eine retrograde Amnesie waehrend der Zeit des Hirnausfalls hinaus, die dann spaeter durch konfabulationsaehnliche Scheinerinnerungen ausgefuellt wird - welche der Patient fuer echt haelt.
In diesem Falle duerften aber - und soviel ist klar - die dem Patienten "erinnerliche" Ereignisse jedoch nicht denen der Realitaet entsprechen.
Hier findet man jedoch - und das ist jetzt der erste entscheidende Punkt - in der Literatur gegenteilige Hinweise, wie z.B. bei van Lommel et al. (The Lancet 2001, 358:2039-45). Van Lommel berichtet von einer Intensivschwester seiner Abteilung, welche bei einer Reanimation das Gebiß des Patienten herausnahm und spaeter vergaß, wo sie es deponiert hatte. Spaeter auf Station erkannte der damals klinisch tote und zunaechst wohl weiterhin zahnlose Patient nicht nur die Krankenschwester wieder (Quasi: "He fie, fie haffen mir doch mein Gebiff geklaut!"), sondern er konnte dem Gedaechtnis der Schwester auch noch auf die Spruenge helfen ("Fie haben es auf den kleinen Wagen mit den Fubladen gelegt!"). Der Patient verließ spaeter die Klinik als gesundeter Mensch, inklusive Gebiff.(1)
Der (zwangslaeufig!) erzaehlungshafte und von mir anekdotisch verbraemte Charakter solcher Berichte sollte angesichts der hohen Vertrauenswuerdigkeit der angegebenen Literaturreferenz nicht stoeren.
Das ganze mag nun dadurch erklaerbar sein, daß der Patient erstens die Augen vielleicht doch nicht ganz geschlossen hatte und zweitens das Geschehen hinter ihm sich in den Brillenglaeser des sich ueber ihn beugenden Doktors spiegelte. Nun weiß man aber aus den bereits genannten Zwischenfaellen aus neurochirurgischen OPs, daß eben jene Rindenareale, die zwingend notwendig sind fuer die (hier: optische) Reizverarbeitung, elektrisch stumm waren (2). Dies ist der zweite entscheidende Punkt.
Beide entscheidene Punkte zu einem zusammengefaßt:
Auch bei einem elektrisch stummen Gehirn findet eine Aufnahme und Speicherung realer Informationen statt. Diese Informationen muessen zudem die dem Gehirn vorgeschalteten Sinnesorgane gar nicht erst erreicht haben.
Klingt sensationell, aber bei genauem Hinsehen eigentlich sehr zurueckhaltend formuliert. Ich treffe noch nicht einmal eine Schlußfolgerung, sondern beschreibe lediglich die Meßergebnisse.
Es bieten sich einige Erklaerungsmoeglichkeiten an:
1. "Einige Neuronen waren in Wirklichkeit noch elektrisch aktiv, aber nicht genug, um dies Messen zu koennen- trotz Oberflaechenableitung."
Bei Untergang von Neuronen vermindern sich zuerst und recht frueh die Gedaechtnisleistung, insbesondere die Aufnahme von Inhalten fuer laenger als 15 Minuten (Nahtodeserlebnisse waeren sofort wieder vergessen), das Abrufen von Informationen aus dem Langzeitgedaechtnis und die komplexe Reizverarbeitung (Reize erreichen oft nicht das Bewußtseinsniveu). Mit einzelnen, versprengten Neuronen waeren kaum so hochassoziative Leistungen zu erreichen wie das nochmalige Abspulen des gesamten bisherigen Lebens (Langzeitgedaechtnis - man muß schon bei der Frage ansetzen, wie das gesamte Leben im - sicher irgendwo auch physikalisch-platzmaeßig limitierten Gehirn - ueberhaupt gespeichert werden koennte...). Darueber hinaus muß man ganz einfach sehen, daß Hirnleistung auf Kommunikation von Zellen (auch und im wesentlichen) ueber zwischengeschaltete Zellen funktioniert. Wenn 99% dieser Relaisstationen ausfallen, funken nur noch einzelne isolierte Zellen nutzlos vor sich hin.
2. "Bewußtsein und Wahrnehmung sitzen außerhalb der Großhirnrinde."
Wenn ja, wo? Es gibt kein Organ, welches nicht irgendwie erkranken koennte - oder welches ein Chirurg nicht einmal irgendwann entfernt haette. Nur die Kompromittierung der Großhirnrinde geht mit dem einher, was sich nach außen hin als "Individualtod" aeußert.
3. "Das Gehirn funktioniert im wesentlichen chemisch und nicht elektrisch; und Sabom et al. (2) dokomentierten lediglich eine nicht vorhandene elektrische Aktivitaet, nicht aber die Abwesenheit chemischer Vorgaenge."
Der Ädaquate Reiz fuer das Nervensystem ist ein elektrischer. Die elementare Funktion einer jeden Sinneszelle ist die Umsetzung von Reizen in elektrische Impulse. Werden die von der Sinneszelle abgehenden Nerven elektrisch stimuliert, so ist die Empfindung identisch mit derjenigen einer normalen Reizung - z.B. ein Lichtpunkt oder ein Ton. Ebenso ist der "Output" des Nevensystems elektrisch. Die motorische Endplatte am Muskel beschaeftigt sich ausschließlich mit der Umsetzung elektrischer Impulse in chemische, welche von kontraktilen Muskelelementen "verstanden" werden. Waere die meßbare elektrische Aktivitaet des Gehirns lediglich ein Epiphaenomen chemischer Vorgaenge, so gaebe es in den Nervenzellen nicht ganz explizite Molekuele und Organellen, deren ausschließliche Funktion die Generierung und Weiterleitung elektrischer Impulse waere. Das ganze ist nicht zuletzt recht energieintensiv - fuer ein Epiphaenomen letztlich von evolutionaerem Nachteil.
Welchen Sinn erfuellen die dicken Fettschichten (Myelinscheiden) um die Nervenzellauslaeufer herum wenn nicht den einer elektrischen Isolierung? Warum mißt man zur Diagnose einer Epilepsie das "elektrisches Gewitter" im EEG, nicht aber erhoehte Konzentrationen chemischer Botenstoffe z.B. im Blut?
Freilich gibt es in den Synapsen Neurotransmitter. Diese werden aber nicht binnen Millisekunden im langen Zellauslaeufer transportiert, sondern sind am Zellende lokalisiert und werden auf einen elektischen Reiz hin ausgeschuettet. Technisch waere so ein schneller Vesikeltransport wohl auch gar nicht so ohne weiteres realisierbar.
Lange rede, kurzer Sinn: Klar sagen kann man, daß die komplexen Vorgaenge im Gehirn zu ganz wesentlichen Teilen elektrischer Natur sind.
Ganz abgesehen davon, daß beim Sistieren der Sauerstoffzufuhr die chemischen genauso wie die elektrischen zum erliegen kommen sollten.
Daher ist eigentlich m.E. nur eine Schlußfolgerung wirklich sinnvoll: Bewußtsein und Sinneswahrnehmungen sind nicht an ein funktionierendes Gehirn gebunden, und damit - jedenfalls bei Hirnausfall - womoeglich auch nicht an den geographischen Aufenthaltsort des Komplexes aus Sinnesorgan und Gehirn (!)
Vielleicht ist schon zu Lebzeiten die Wahrnehmung von Sinnesreizen außerhalb der Organreichweite gegeben - womit ich zur Frage "Hirnaktivitaet - notwendig oder hinreichend?" zurueckkommen moechte. Es gibt ernstzunehmende und reproduzierbare Effekte außerhalb der Zufallsbreite, wenn junge, gesunde Menschen versuchen zu erraten, was fuer ein geometrisches Symbol sich in einem verschlossenen Umschlag befindet - auch ueber große Entfernungen hinweg. Eventuell verstaerken sich solche Effekte bei selbstauferlegten Hirnleistungsbeschraenkungen - siehe die subjektiv erlebte Bewußtseinserweiterung bei Askese, Fasten, Meditation etc. usw.
Das ganze ist eine fantastische, aber durchaus nicht unvernuenftige Annahme.
Meine Gedanken laufen darauf hinaus, daß das logisch-deduktive, koerperliche, Diesseits, uns spezielle (Hirn-)leistungen ermoeglicht, die wir zum biologischen Überleben auf dieser Welt brauchen. Allerdings bleibt uns der Blick ins ganzheitliche, seelische Jenseits durch das Gefangensein der Seele in eben jene Leistungen moeglich machende Hirnstrukturen weitgehend verborgen (Nahtodesberichte: "Mit einem mal habe ich das ganze Universum verstanden".
Interessant, wie es Eckhard einst formulierte:
"Koennte es vielleicht sein, dass die "elektrische" Aktivitaet diese andere Art der Wahrnehmung ueberlagert, sodaß sie erst dann praesent und bemerkt wird, wenn der 'Stoernebel' sich verzogen hat?
Dass also beide Arten der Wahrnehmung staendig vorhanden sind, eine davon aber der anderen an 'Lautstaerke' oder Deutlichkeit unterlegen ist?
Schließen moechte ich aber mit einem Zitat von van Lommel aus seinem Lancet-Paper:
"In Ermangelung einer anderen Erklaerung fuer Nahtodeserlebnisse muß das bisherige noch nie bewiesene Konzept, Bewußtsein und Erinnerung seien im Gehirn verankert, revidiert werden. Wie koennte ein klares Bewußtsein, subjektiv wahrgenommen außerhalb des eigenen Koerpers, existieren in einer Phase des klinischen Todes mit flachem EEG?"
Ich denke, besser kann man die Sache nicht auf den Punkt bringen.
viel Freude beim Vermehren der gewonnenen Denkanregungen ;-)
Fagus
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Hallo,
man hat in der Zwischenzeit Daten aus neurochirurgischen OPs mit Kreislaufzwischenfaellen. Bei solchen OPs wird standardmaeßig einn EEG abgeleitet, die Ableitung erfolgt direkt auf der Hirnoberflaeche.
Die Hirnstromkurven zeigten Nullaktivitaet, obgleich die Mehrzahl (wesentlich mehr als nur 10% haben Nahtodeserlebnisse) der Patienten hinterher berichten konnte, was im Saal in dieser Operationsphase vor sich ging. Explizit waren Areale in den Messungen einbezogen, von denen man weiß, daß bei ihrem Ausfall keine Sinnesverarbeitung mehr moeglich ist (Hoer-, Sehrinde etc.). Daraus folgt eigetlich zwingend, daß die Sinneswahrnehmung (und damit auch das Bewußtsein, das ja Voraussetzung fuer eine Wahrnehmung ist) nicht an funktionierende Hirnstrukturen gebunden ist.
Zugegeben: Tiefere Zentren (Basalganglien, Hirnstamm, Rueckenmark) werden bei der Ableitung nicht erfaßt, jedoch laufen die anatomischen Verbindungen von den Sinnesorganen zu den entsprechenden Rindenarealen, und diese waren elektrisch tot.
Nahtodeserlebnisse zu interpretieren als Restaktivitaet im sterbenden Gehirn ist damit eigentlich obsolet. Überrraschend ist das eigentlich nicht, ist es doch reichlich unwahrscheinlich, daß ein schwer geschaedigtes Gehirn noch enorme Gedaechnisleistungen ("Mein ganzes Leben lief nochmal in mir ab") und assoziative Hoechstleistungen ("Mit einem Schlag habe ich alles verstanden") vollbringen soll.
Mir waere nichts darueber bekannt, daß solche Erlebnisse an Gottesglaeubigkeit (welche der vielen existerenden Goetter?) gebunden ist. Es ist eine spirituelle Angelegenheit, bzw. es ist die Frage nach einer "anderen Welt" und nicht die Frage nach Glauben an (zu eng gefaßte) Konstrukte wie Gott oder eine bestimmte Religion.
In der Tat: Die bewußte Wahrnehmung von Sinnesreizen scheint bei elektrisch aktivem Gehirn auf die Reichweite unserer Sinnesorgane beschraenkt zu sein. Bei zunehmender Funktionseinschraenkung scheint die Wahrnehmung dann aber ueber diesen Aktionsradius hinausgehen zu koennen. Dabei ist es wohl irrelevant, ob diese Stoerung durch auf Sauerstoffmangel beruht oder chemischer oder elektrischer Natur ist (Drogen bzw. Elektroden). Bedenke zu letzterem, daß ein Computer abstuerzt, wenn Du inadaequate Impulse auf seine Ports gibst - obwohl es auch bloß Strom ist, ohne den der Rechner ja eigentlich gar nicht erst funktionieren wuerde.
Das ganze nocheinmal anders:
Wenn das Organ elektrisch aktiv ist, kommt es ja gar nicht zu erweiterten Sinneswahrnehmungen. Stattdessen kommt es nur dann zur erweiterten Wahrnehmung, wenn das Gehirn elektrisch inaktiv ist, [weshalb] es offenbar doch an eine physiologische Bedingung gekoppelt ist und zwar an eine, die durch elektrische Inaktivitaet erzeugt wird...[??] ...richtig, Inaktivitaet als hinreichendes, aber (!) nicht unbedingt notwendiges Ereignis (dazu spaeter mehr).
Steht die Frage: koennte es sein, daß diese Wahrnehmungen nicht solche "trotz inaktiven Gehirns" sind, sondern vielmehr des "gerade wieder aktivwerdenden" Gehirns (Rueckholung des Sterbenden)?
Das liefe, pathopsychologisch ausgedrueckt, auf eine retrograde Amnesie waehrend der Zeit des Hirnausfalls hinaus, die dann spaeter durch konfabulationsaehnliche Scheinerinnerungen ausgefuellt wird - welche der Patient fuer echt haelt.
In diesem Falle duerften aber - und soviel ist klar - die dem Patienten "erinnerliche" Ereignisse jedoch nicht denen der Realitaet entsprechen.
Hier findet man jedoch - und das ist jetzt der erste entscheidende Punkt - in der Literatur gegenteilige Hinweise, wie z.B. bei van Lommel et al. (The Lancet 2001, 358:2039-45). Van Lommel berichtet von einer Intensivschwester seiner Abteilung, welche bei einer Reanimation das Gebiß des Patienten herausnahm und spaeter vergaß, wo sie es deponiert hatte. Spaeter auf Station erkannte der damals klinisch tote und zunaechst wohl weiterhin zahnlose Patient nicht nur die Krankenschwester wieder (Quasi: "He fie, fie haffen mir doch mein Gebiff geklaut!"), sondern er konnte dem Gedaechtnis der Schwester auch noch auf die Spruenge helfen ("Fie haben es auf den kleinen Wagen mit den Fubladen gelegt!"). Der Patient verließ spaeter die Klinik als gesundeter Mensch, inklusive Gebiff.(1)
Der (zwangslaeufig!) erzaehlungshafte und von mir anekdotisch verbraemte Charakter solcher Berichte sollte angesichts der hohen Vertrauenswuerdigkeit der angegebenen Literaturreferenz nicht stoeren.
Das ganze mag nun dadurch erklaerbar sein, daß der Patient erstens die Augen vielleicht doch nicht ganz geschlossen hatte und zweitens das Geschehen hinter ihm sich in den Brillenglaeser des sich ueber ihn beugenden Doktors spiegelte. Nun weiß man aber aus den bereits genannten Zwischenfaellen aus neurochirurgischen OPs, daß eben jene Rindenareale, die zwingend notwendig sind fuer die (hier: optische) Reizverarbeitung, elektrisch stumm waren (2). Dies ist der zweite entscheidende Punkt.
Beide entscheidene Punkte zu einem zusammengefaßt:
Auch bei einem elektrisch stummen Gehirn findet eine Aufnahme und Speicherung realer Informationen statt. Diese Informationen muessen zudem die dem Gehirn vorgeschalteten Sinnesorgane gar nicht erst erreicht haben.
Klingt sensationell, aber bei genauem Hinsehen eigentlich sehr zurueckhaltend formuliert. Ich treffe noch nicht einmal eine Schlußfolgerung, sondern beschreibe lediglich die Meßergebnisse.
Es bieten sich einige Erklaerungsmoeglichkeiten an:
1. "Einige Neuronen waren in Wirklichkeit noch elektrisch aktiv, aber nicht genug, um dies Messen zu koennen- trotz Oberflaechenableitung."
Bei Untergang von Neuronen vermindern sich zuerst und recht frueh die Gedaechtnisleistung, insbesondere die Aufnahme von Inhalten fuer laenger als 15 Minuten (Nahtodeserlebnisse waeren sofort wieder vergessen), das Abrufen von Informationen aus dem Langzeitgedaechtnis und die komplexe Reizverarbeitung (Reize erreichen oft nicht das Bewußtseinsniveu). Mit einzelnen, versprengten Neuronen waeren kaum so hochassoziative Leistungen zu erreichen wie das nochmalige Abspulen des gesamten bisherigen Lebens (Langzeitgedaechtnis - man muß schon bei der Frage ansetzen, wie das gesamte Leben im - sicher irgendwo auch physikalisch-platzmaeßig limitierten Gehirn - ueberhaupt gespeichert werden koennte...). Darueber hinaus muß man ganz einfach sehen, daß Hirnleistung auf Kommunikation von Zellen (auch und im wesentlichen) ueber zwischengeschaltete Zellen funktioniert. Wenn 99% dieser Relaisstationen ausfallen, funken nur noch einzelne isolierte Zellen nutzlos vor sich hin.
2. "Bewußtsein und Wahrnehmung sitzen außerhalb der Großhirnrinde."
Wenn ja, wo? Es gibt kein Organ, welches nicht irgendwie erkranken koennte - oder welches ein Chirurg nicht einmal irgendwann entfernt haette. Nur die Kompromittierung der Großhirnrinde geht mit dem einher, was sich nach außen hin als "Individualtod" aeußert.
3. "Das Gehirn funktioniert im wesentlichen chemisch und nicht elektrisch; und Sabom et al. (2) dokomentierten lediglich eine nicht vorhandene elektrische Aktivitaet, nicht aber die Abwesenheit chemischer Vorgaenge."
Der Ädaquate Reiz fuer das Nervensystem ist ein elektrischer. Die elementare Funktion einer jeden Sinneszelle ist die Umsetzung von Reizen in elektrische Impulse. Werden die von der Sinneszelle abgehenden Nerven elektrisch stimuliert, so ist die Empfindung identisch mit derjenigen einer normalen Reizung - z.B. ein Lichtpunkt oder ein Ton. Ebenso ist der "Output" des Nevensystems elektrisch. Die motorische Endplatte am Muskel beschaeftigt sich ausschließlich mit der Umsetzung elektrischer Impulse in chemische, welche von kontraktilen Muskelelementen "verstanden" werden. Waere die meßbare elektrische Aktivitaet des Gehirns lediglich ein Epiphaenomen chemischer Vorgaenge, so gaebe es in den Nervenzellen nicht ganz explizite Molekuele und Organellen, deren ausschließliche Funktion die Generierung und Weiterleitung elektrischer Impulse waere. Das ganze ist nicht zuletzt recht energieintensiv - fuer ein Epiphaenomen letztlich von evolutionaerem Nachteil.
Welchen Sinn erfuellen die dicken Fettschichten (Myelinscheiden) um die Nervenzellauslaeufer herum wenn nicht den einer elektrischen Isolierung? Warum mißt man zur Diagnose einer Epilepsie das "elektrisches Gewitter" im EEG, nicht aber erhoehte Konzentrationen chemischer Botenstoffe z.B. im Blut?
Freilich gibt es in den Synapsen Neurotransmitter. Diese werden aber nicht binnen Millisekunden im langen Zellauslaeufer transportiert, sondern sind am Zellende lokalisiert und werden auf einen elektischen Reiz hin ausgeschuettet. Technisch waere so ein schneller Vesikeltransport wohl auch gar nicht so ohne weiteres realisierbar.
Lange rede, kurzer Sinn: Klar sagen kann man, daß die komplexen Vorgaenge im Gehirn zu ganz wesentlichen Teilen elektrischer Natur sind.
Ganz abgesehen davon, daß beim Sistieren der Sauerstoffzufuhr die chemischen genauso wie die elektrischen zum erliegen kommen sollten.
Daher ist eigentlich m.E. nur eine Schlußfolgerung wirklich sinnvoll: Bewußtsein und Sinneswahrnehmungen sind nicht an ein funktionierendes Gehirn gebunden, und damit - jedenfalls bei Hirnausfall - womoeglich auch nicht an den geographischen Aufenthaltsort des Komplexes aus Sinnesorgan und Gehirn (!)
Vielleicht ist schon zu Lebzeiten die Wahrnehmung von Sinnesreizen außerhalb der Organreichweite gegeben - womit ich zur Frage "Hirnaktivitaet - notwendig oder hinreichend?" zurueckkommen moechte. Es gibt ernstzunehmende und reproduzierbare Effekte außerhalb der Zufallsbreite, wenn junge, gesunde Menschen versuchen zu erraten, was fuer ein geometrisches Symbol sich in einem verschlossenen Umschlag befindet - auch ueber große Entfernungen hinweg. Eventuell verstaerken sich solche Effekte bei selbstauferlegten Hirnleistungsbeschraenkungen - siehe die subjektiv erlebte Bewußtseinserweiterung bei Askese, Fasten, Meditation etc. usw.
Das ganze ist eine fantastische, aber durchaus nicht unvernuenftige Annahme.
Meine Gedanken laufen darauf hinaus, daß das logisch-deduktive, koerperliche, Diesseits, uns spezielle (Hirn-)leistungen ermoeglicht, die wir zum biologischen Überleben auf dieser Welt brauchen. Allerdings bleibt uns der Blick ins ganzheitliche, seelische Jenseits durch das Gefangensein der Seele in eben jene Leistungen moeglich machende Hirnstrukturen weitgehend verborgen (Nahtodesberichte: "Mit einem mal habe ich das ganze Universum verstanden".
Interessant, wie es Eckhard einst formulierte:
"Koennte es vielleicht sein, dass die "elektrische" Aktivitaet diese andere Art der Wahrnehmung ueberlagert, sodaß sie erst dann praesent und bemerkt wird, wenn der 'Stoernebel' sich verzogen hat?
Dass also beide Arten der Wahrnehmung staendig vorhanden sind, eine davon aber der anderen an 'Lautstaerke' oder Deutlichkeit unterlegen ist?
Schließen moechte ich aber mit einem Zitat von van Lommel aus seinem Lancet-Paper:
"In Ermangelung einer anderen Erklaerung fuer Nahtodeserlebnisse muß das bisherige noch nie bewiesene Konzept, Bewußtsein und Erinnerung seien im Gehirn verankert, revidiert werden. Wie koennte ein klares Bewußtsein, subjektiv wahrgenommen außerhalb des eigenen Koerpers, existieren in einer Phase des klinischen Todes mit flachem EEG?"
Ich denke, besser kann man die Sache nicht auf den Punkt bringen.
viel Freude beim Vermehren der gewonnenen Denkanregungen ;-)
Fagus