Gesellschaftliches Phänomen
26.09.2004 um 15:30Jürgen Klopp ist uns bekannt als spontaner, emotionaler Mensch. In der Pressekonferenz nach der Pokal-Pleite beim Karlsruher SC lauschte er mit breitem Grinsen den Ausführungen von KSC-Coach Lorenz-Günther Köstner, der mit ernster Miene die sportliche Qualität der Mainzer Mannschaft pries. Als sich Köstner zu der Aussage versteigerte, die 05er seien momentan eine der attraktivsten Mannschaften Deutschlands, „neben dem FC Bayern München vielleicht noch“, da konnte Klopp das Lachen nicht mehr halten und prustete kurz, aber deutlich vernehmbar ins Mikrofon und damit durch sämtliche beschallten Räume des Wildparkstadions. Gut zu wissen, dass sich der Mainzer Trainer bei dieser Lobhudelei nicht dem Größenwahn hingeben wird. Vor allem die Medien entdecken die 05er als kultigen Underdog mit knuffigen Fans und haben sich längst auf die Suche nach Wurzeln und Interpretationen der Mainzer Euphorie gemacht, die so gar nicht passt in das von den Journalisten selbst so gerne vermittelte Weltbild. Erst gestern kam die eher für seine gesellschaftspolitischen Themen denn für Sportberichte bekannte Wochenzeitung „Die Zeit“ in ihrer Online-Ausgabe zu dem Schluss, Mainz 05 stehe derzeit mit seinem Trainer für die Erfüllung der kollektiven Sehnsucht nach einem Ruck, der durch das Land gehen solle. „Klopp und seine Jungs verbreiten den Eindruck, sie selbst seien der Ruck“, schreibt Autor Christoph Biermann. So gesehen kommt der Partie der 05er gegen Borussia Dortmund, dem börsennotierten Klub, eine wahrlich gesellschaftliche Relevanz zu. Boomzwerg gegen Krisenriesen. Deutschland zittert, wird sich der Aufschwung durchsetzen? Dankbar dürfen sich vor allem auch die Vertreter der Boulevardmedien vor diesem Bundesligaspiel in ihrem Katalog an Floskeln und Plattitüden bedienen, nahezu jede Anwendung im Sinne von „David gegen Goliath“ scheint zu passen. In der Pressekonferenz am Donnerstag versuchte ein Journalist den Mainzer Trainer, wenngleich ein wenig plump, auf diese Fährte zu locken. Ob denn die Dortmunder Favorit seien und deswegen die Mainzer unterschätzen könnten. „Ganz ehrlich?“ antwortete Klopp. „Ich habe keine Lust diese Diskussion jetzt jede Woche zu führen. Ich will hier am Sonntag eine hoch konzentrierte Dortmunder Mannschaft sehen – und sie trotzdem schlagen.“ Nein, das klingt nicht nach gesellschaftspolitischer Relevanz, eher schon nach Fußball. Die 05er werden am Sonntag wieder ihre handwerklichen Tugenden auspacken: Pressing, ballorientiertes Verschieben, Zweikampfhärte. Die im Pokalspiel beim Karlsruher SC präsentierte spielerische Dominanz wird kämpferischen Elementen weichen. Vorrangig jedenfalls. „Wir werden versuchen den Dortmundern das Leben auf Mainzer Art so schwer wie möglich zu machen“, versprach Klopp. „Wichtig ist für uns dabei die Reihenfolge der Mittel. Aber wir werden natürlich auch versuchen das intelligente Spiel weiter zu führen, das ich in Karlsruhe von uns gesehen habe.“ Trotz der Niederlage im Elfmeterschießen habe sein Team die Vorgaben im Spielaufbau erfüllt, der KSC sei durch die Kombinationssicherheit und die vielen Spielverlagerungen kaum in die Zweikämpfe gekommen. „Wir müssen dabei aber auch zielstrebiger spielen, manchmal ist es halt ein schmaler Grat zwischen Dominanz und Scherbelei“, sagte Klopp. „Aber das können wir abstellen. Probleme in der Spieleröffnung wäre viel schwerwiegender gewesen.“ So blieb dem Trainer als negative Erkenntnis aus dem Pokalspiel eigentlich nur die Verletzung von Verteidiger Mathias Abel, der aufgrund einer Adduktorenzerrung in dieser Woche bisher nicht trainieren konnte. Ansonsten steht nur Markus Dworrak (Sprunggelenksverletzung) nicht zur Verfügung. Etwaige Ausfälle wird das starke Mainzer Kollektiv auffangen, das lehrt die laufende Saison. Die wilde Fahrt kann also weitergehen.
Quelle:
www.mainz05.de
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