@facebookHallo!
Ich glaube, daß ich Dir darüber einiges erzählen kann.
Da ich etwas älter bin, kann ich Dir auch von den Anfangszeiten der WGs erzählen. Ich gehöre zu den Jüngeren der 68er Generation, bin in Niederösterreich aufgewachsen, unweit von Wien. In den 70er Jahren wohnte ich in verschiedene Wohngemeinschaften, manchmal auch nur für paar Wochen oder Monate. Das war die Zeit, als die meisten jungen Leute gemeinsam lebten. Das war ja für unsere Eltern und Großeltern sehr unmoralisch. Sie konnten sich nicht vorstellen, daß etliche Burschen und etliche Mädchen in einer Wohnung gemeinsam leben konnten. Damals gab es auch noch die "sexuelle Revolution".
Der Trend der WGs begann in den 70ern
Meine erste WG war Mitte der 70er Jahre, ich war mit der Ausbildung fast fertig. Wir waren 2 Burschen und eine Frau und wir kannten uns schon vorher. Diese WG war in Wien. Eine WG hat immer sehr viel Besuch, da jeder von den Mitbewohnern einen Freundeskreis hat. Je mehr Leute in einer WG wohnen, desto mehr Leute kommen auch auf Besuch. Das Alter der Wohngemeinschaften sind zwischen 17-27 Jahre alt ist, ab 30 will man nur noch zu zweit oder alleine wohnen. Das Schöne an einer WG ist, es ist immer etwas los - und es ist manchmal auch sehr lustig.
Arbeitsteilung: Aufräumen, kochen, einkaufen.....
Oft schliefen auch die Besucher für ein paar Tage bei uns, das ist auf den Bauernhof WGs oft der Fall. Wichtig ist auch eine Einteilung für das Zusammenräumen, Putzen, Einkauf....und eine Gemeinschaftskassa. In einer gut funktionierenden WG, wo jeder einer Beschäftigung nachgeht, gibt es in der Regel darüber keine Problem.
Schwierig wird es bei jenen Mitbewohnern, welche nie Geld haben. Es geht eine gewisse Zeit, daß man einen Mitbewohner (meistens ist es sowieso ein Freund) mitschleppt - doch nach einiger Zeit muß auch er finanziell etwas beitragen.
Sauberkeit ist wichtig.
In allen Wohngemeinschaften mit Mitbewohnerinnen gibt es bezüglich Sauberkeit, Hygiene, Essen und Einkaufen keine Probleme. Meistens drücken sich die männlichen Mitbewohner davor. Die Frauen sind in der Regel sehr resolut und teilen schon die Männer zum Putzen und Einkaufen ein.
Eine WG nur mit Burschen-Männer ist meistens schmutzig. Selten sah ich eine saubere Männer WG, wo alles funktionierte. Gemischt ist es am besten. Ich kannte auch reine Frauen-WGs, dort hat man als Mann kaum Zutritt.
WG als Interessensgemeinschaft
Die meisten WGs waren oder sind Interessensgemeinschaften. Ich spielte in einer Band und wir fanden ein EF-Miethaus nahe bei Wien. Dort richteten wir einen Proberaum ein. Nach wenigen Wochen war es bezugsfertig. Wir wohnten rund 4 Jahre in dieser kleinen Villa umgeben von Wald. Wir konnten die ganze Nacht proben, da der nächste Nachbar einige Hundert Meter entfernt war. Das war der Vorteil.
Wohnungen waren in den 70er Jahren weit billiger als heute. Ich hatte auch eine kleine Wohnung als Ausweichmöglichkeit, doch in dieser wohnte meistens ein Freund von mir und ich wohnte damals sehr gerne in den WGs.
In den 80er Jahren lebte und arbeitete ich für 2 Jahre auch auf einem Alternativ Bauernhof in der Steiermark. Das war eine sehr schöne Zeit, es war leider etwas entlegen, doch die Natur war traumhaft. Leider liegt in diesem Gebiet 6-7 Monate Schnee. Wir arbeiteten auf diesem Bauernhof - wir hatten Kühe, Ziegen, Schweine, Hühner, Puten und einen Fischteich. Außerdem hatten wir auch eine Tischlereiwerkstatt. Die Produkte wurden an die BIO-Läden in Österreich verkauft. Diese Wohngemeinschaft mußten wir sehr straff regeln, denn wir hatten Verantwortung für die Tiere. Ein Bauernhof ist sehr viel Arbeit, es ist jedoch eine sehr schöne Arbeit. Im Winter hat man in der Regel weniger zu tun am Hof - im Sommer ist die arbeitsreiche Zeit.
Dieser Bio-Bauernhof war die letzte Wohngemeinschaft. Ich war bereits an die 30 Jahre alt. In der Zwischenzeit fand ich eine Wohnung in Wien wo ich nun seit 1990 wohne. Nach über 2 Jahren auf dem Bio Bauernhof beschloss ich nach Wien zu ziehen. Seit über 20 Jahren wohnte ich in keinen WGs mehr. WGs sind eher etwas für junge Leute. Es gibt seit neuestem auch WGs für Pensionisten.
Bevor man einzieht sollte man die Leute schon ein bißchen kennen
Wie gesagt, wichtig ist, daß man die Leute einigermaßen kennt. Wenn man ein gemeinsames Interesse hat oder die gleichen Ziele, dann funktioniert es in der Regel. Wichtig ist die Sauberkeit und das der Dienst- oder Putzplan eingehalten wird. Unzählige Male hörte ich die hitzigen Diskussionen über Geschirrspülen, Aufräumen, Hygiene, Kochen, Einkaufen......Manche meinen, daß sie zu oft putzen und kochen. Dann gibt es nach einer Zeit streit mit jenen, welche sich gerne davor drücken. Das sind die klassischen Auseinandersetzungen. Meistens sind es die Frauen, welche stets einen Plan erstellen und die Einteilung treffen: Wer als nächstes einkauft - oder die Wohnung aufräumt - oder kocht.
Es klingt zwar banal, es ist jedoch ungemein wichtig wenn alles geregelt ist. Denn niemand fühlt sich in einer schmutzigen, unaufgeräumten Wohnung wohl - wenn nichts mehr im Eisschrank ist oder niemand kochen will.
Das ist auch der Punkt worüber am meisten gestritten wird, auch über die Finanzen. Jeder zahlt einen Teil der Miete plus Telefon plus Heizung. Auch da braucht man eine klare Vereinbarung - sonst kommt es zu endlose Diskussionen. Im schlimmsten Fall zerbrechen Freundschaften daran und das will niemand.
Ich kannte WGs, welche auch Kinder hatten. Zu diesen Kindern, welche heute sicher schon über 30 Jahre alt sind, habe ich keinen Kontakt, daher kann ich es schwer sagen, wie sie ihre Kindheit in der WG verbrachten.
Eines ist mir aufgefallen. Die Kinder von sehr unkonventionelle Eltern, diese Kinder werden meistens brave und konservative Bürger, das Gegenteil wie ihr Vater oder ihre Mutter waren.
In den 70er und Anfang der 80er Jahre waren Wohngemeinschaften sehr populär. In ganz Europa, USA und Australien. Ich kannte auch eine WG in München, da eine Freundin von mir bei ihnen wohnte.
Ab den 80er Jahren ließ dieser Trend etwas nach. Folglich wurde das paarweise Zusammenleben, von Mann und Frau wieder beliebter. Doch in den Studentenkreisen, aber auch manche Pensionisten schließen sich zu WGs zusammen.
Vielleicht hast Du nun eine bessere Vorstellung von WGs.
Peter aus Wien