Bareback - ungeschützter Sex unter Schwulen
04.03.2009 um 11:45User berichtet aus seinem Leben mit HIV
@ Jonathan (Berlin)
Kurz vor meinem 18. Geburtstag war ich das erste Mal in der Berliner Schwulenszene. Jung und naiv machte ich meine Erfahrungen. Tanzen, Drogen, Sex. Schon beim ersten Mal machte ich den ersten Fehler: Es war unsafe. Aber was sollte mir denn schon passieren? So was wie Aids, das passiert doch immer nur den anderen. Der schnelle Sex mit völlig Fremden, auf der Toilette, im Auto, in fremden Betten oder in irgendwelchen Hinterhöfen ist einfach, und auch, wenn meine Freunde mich ab und an mit Kondomen versorgten und ich auch fast immer welche mit mir trug, blieb immer noch das "fast". Und wenn ich kein Kondom hatte? Egal. Er war geil, ich war geil, und mir passiert doch nichts!
Meine Freunde machten sich Sorgen um mich. Mein bester Freund sagte mal zu mir: "Wenn du nicht aufpasst, fängst du dir noch mal was ein." Gegen Hep A und B war ich schon längst geimpft, und irgendwelche Geschlechtskrankheiten hatte ich noch nie gehabt. Die Typen, mit denen ich mich vergnügte, sahen doch nie krank aus. Und wenn sie es hätten, würden sie es mir ganz sicher sagen. So was weiß man doch. Im September 2005 war wieder so eine Situation: Disconacht, Cocktails, Musik. Und ich mitten drin, angeheizt und rattig zwischen den ganzen, schwitzenden Körpern. Mit einem hab ich getanzt. Groß, stark, unglaublich sexy mit tiefgrünen Augen und einem frechen, verruchten Lächeln. Ohne Worte wussten wir sofort, was wir wollten. Also suchten wir uns ein Plätzchen. Kondome? Keine da. "Tu's einfach", hab ich gesagt.
Ein paar Wochen später wurde ich krank. Fieber, lag im Bett, fühlte mich wie ausgekotzt. Und mein bester Freund saß an meinem Bett: "Hoffentlich hast du dir da mal nichts schlimmeres geholt." Er machte mir Angst damit. Ohne Kondom ließ ich keinen mehr an mich ran, und ohne Kondome bekam auch keiner mehr meinen Schwanz. Im Januar 2006, an meinem 21. Geburtstag, machte ich dann den Test. "Eine Woche, dann ist das Ergebnis da." War es nicht. Noch eine Woche warten. "Kein Grund zur Sorge." Zweiter Test. "Das hat noch nichts zu bedeuten." Das Ergebnis: Positiv.
Die Wochen danach erlebte ich wie in Trance. Und es hat sich alles in meinem Leben verändert. Es beginnt schon bei Beziehungen; früher hatte ich nie eine, weil ich es nicht wollte, und heute fällt es mir schwer, weil ich Angst davor habe. Angst, den Menschen anzustecken, den ich liebe. Ja klar gibt es Kondome - aber absolute Sicherheit gibt es nicht. Bei jeder kleinen Krankheit oder Veränderung in und an meinem Körper bekomme ich Panik. Geht es jetzt los? Bricht es schon aus? Ich habe einen guten Arzt, eine nette Psychotherapeutin und gute Freunde, die für mich da sind. Ohne die würde ich das alles gar nicht schaffen.
Um alles zu verarbeiten, schreibe ich an meinem ersten Roman, "Hürdenlauf". Ich brauche jetzt mehr Zeit für mich, zum Nachdenken. Und will es doch am liebsten verdrängen, dass ich es habe. Es ist da, jeden Tag, jede Minute begleitet mich die tödliche Seuche. Niemand kann sagen, ob es jemals heilbar sein wird. Aber ich muss erstmal davon ausgehen, dass das Virus für immer mein Begleiter sein wird. Was würde ich dafür geben, die Scheiße los zu werden!!!
Meine Ausbildung zum Bankkaufmann werde ich beenden können. Aber ich muss mich anstrengen. Seit ich weiß, dass ich positiv bin, arbeite ich nicht mehr so konzentriert wie früher, fehle oft, weil es mir schlecht geht. Körperlich, seelisch. Ob das wieder wird, weiß ich nicht. Einen Selbstmordversuch habe ich hinter mir. Ein paar Krankenhausaufenthalte. Und etliche Arztbesuche... Blut abnehmen, lange Gespräche. Das alles hält mich jedoch bisher nicht davon ab, weiter durch die Discos zu ziehen. Und Sex zu haben. Auf der Toilette, im Auto, in fremden Betten oder in irgendwelchen Hinterhöfen. Aber nur noch 100% safe. Vielleicht ist das eine Art von Verdrängung. Ich kann es vergessen, wenn ich mich in den Clubs amüsiere. Und vielleicht ist genau das falsch. Aber noch kann ich nicht anders.
Doch egal, was passiert, wer bei mir ist und was wir tun:
Mich gibt es nur noch safe oder gar nicht.
Wie lautet ein passendes Zitat:
"Eine Millionen Tote sind eine Statistik, ein Toter ist eine Tragödie."
Obwohl es an Aufklärungstexten, Infos und Fakten nicht mangelt, lassen sich viele von rationalen Argumenten nicht erreichen. Oft herrscht grade bei jungen Schwulen die Einstellung: "Mich wird es schon nicht treffen."
HIV ist aber keine Alterskrankheit, die man es schon von weitem sieht.
@ Jonathan (Berlin)
Kurz vor meinem 18. Geburtstag war ich das erste Mal in der Berliner Schwulenszene. Jung und naiv machte ich meine Erfahrungen. Tanzen, Drogen, Sex. Schon beim ersten Mal machte ich den ersten Fehler: Es war unsafe. Aber was sollte mir denn schon passieren? So was wie Aids, das passiert doch immer nur den anderen. Der schnelle Sex mit völlig Fremden, auf der Toilette, im Auto, in fremden Betten oder in irgendwelchen Hinterhöfen ist einfach, und auch, wenn meine Freunde mich ab und an mit Kondomen versorgten und ich auch fast immer welche mit mir trug, blieb immer noch das "fast". Und wenn ich kein Kondom hatte? Egal. Er war geil, ich war geil, und mir passiert doch nichts!
Meine Freunde machten sich Sorgen um mich. Mein bester Freund sagte mal zu mir: "Wenn du nicht aufpasst, fängst du dir noch mal was ein." Gegen Hep A und B war ich schon längst geimpft, und irgendwelche Geschlechtskrankheiten hatte ich noch nie gehabt. Die Typen, mit denen ich mich vergnügte, sahen doch nie krank aus. Und wenn sie es hätten, würden sie es mir ganz sicher sagen. So was weiß man doch. Im September 2005 war wieder so eine Situation: Disconacht, Cocktails, Musik. Und ich mitten drin, angeheizt und rattig zwischen den ganzen, schwitzenden Körpern. Mit einem hab ich getanzt. Groß, stark, unglaublich sexy mit tiefgrünen Augen und einem frechen, verruchten Lächeln. Ohne Worte wussten wir sofort, was wir wollten. Also suchten wir uns ein Plätzchen. Kondome? Keine da. "Tu's einfach", hab ich gesagt.
Ein paar Wochen später wurde ich krank. Fieber, lag im Bett, fühlte mich wie ausgekotzt. Und mein bester Freund saß an meinem Bett: "Hoffentlich hast du dir da mal nichts schlimmeres geholt." Er machte mir Angst damit. Ohne Kondom ließ ich keinen mehr an mich ran, und ohne Kondome bekam auch keiner mehr meinen Schwanz. Im Januar 2006, an meinem 21. Geburtstag, machte ich dann den Test. "Eine Woche, dann ist das Ergebnis da." War es nicht. Noch eine Woche warten. "Kein Grund zur Sorge." Zweiter Test. "Das hat noch nichts zu bedeuten." Das Ergebnis: Positiv.
Die Wochen danach erlebte ich wie in Trance. Und es hat sich alles in meinem Leben verändert. Es beginnt schon bei Beziehungen; früher hatte ich nie eine, weil ich es nicht wollte, und heute fällt es mir schwer, weil ich Angst davor habe. Angst, den Menschen anzustecken, den ich liebe. Ja klar gibt es Kondome - aber absolute Sicherheit gibt es nicht. Bei jeder kleinen Krankheit oder Veränderung in und an meinem Körper bekomme ich Panik. Geht es jetzt los? Bricht es schon aus? Ich habe einen guten Arzt, eine nette Psychotherapeutin und gute Freunde, die für mich da sind. Ohne die würde ich das alles gar nicht schaffen.
Um alles zu verarbeiten, schreibe ich an meinem ersten Roman, "Hürdenlauf". Ich brauche jetzt mehr Zeit für mich, zum Nachdenken. Und will es doch am liebsten verdrängen, dass ich es habe. Es ist da, jeden Tag, jede Minute begleitet mich die tödliche Seuche. Niemand kann sagen, ob es jemals heilbar sein wird. Aber ich muss erstmal davon ausgehen, dass das Virus für immer mein Begleiter sein wird. Was würde ich dafür geben, die Scheiße los zu werden!!!
Meine Ausbildung zum Bankkaufmann werde ich beenden können. Aber ich muss mich anstrengen. Seit ich weiß, dass ich positiv bin, arbeite ich nicht mehr so konzentriert wie früher, fehle oft, weil es mir schlecht geht. Körperlich, seelisch. Ob das wieder wird, weiß ich nicht. Einen Selbstmordversuch habe ich hinter mir. Ein paar Krankenhausaufenthalte. Und etliche Arztbesuche... Blut abnehmen, lange Gespräche. Das alles hält mich jedoch bisher nicht davon ab, weiter durch die Discos zu ziehen. Und Sex zu haben. Auf der Toilette, im Auto, in fremden Betten oder in irgendwelchen Hinterhöfen. Aber nur noch 100% safe. Vielleicht ist das eine Art von Verdrängung. Ich kann es vergessen, wenn ich mich in den Clubs amüsiere. Und vielleicht ist genau das falsch. Aber noch kann ich nicht anders.
Doch egal, was passiert, wer bei mir ist und was wir tun:
Mich gibt es nur noch safe oder gar nicht.
Wie lautet ein passendes Zitat:
"Eine Millionen Tote sind eine Statistik, ein Toter ist eine Tragödie."
Obwohl es an Aufklärungstexten, Infos und Fakten nicht mangelt, lassen sich viele von rationalen Argumenten nicht erreichen. Oft herrscht grade bei jungen Schwulen die Einstellung: "Mich wird es schon nicht treffen."
HIV ist aber keine Alterskrankheit, die man es schon von weitem sieht.