Bücher die das Denken verändern...
06.12.2007 um 01:57
Ich bin Franzos,was mir verdammt nicht passt
In Kalk, noch ungelöscht, in Eisenbrei,
in Salz, Salpeter, Phosphorgluten,
in dem Urin von rossigen Eselsstuten,
in Schlangengift und in Altweiberspei,
in Hundeschiss und Wasser aus den Badewannen,
in Wolfsmilch, Ochsengalle und Latrinenflut:
In diesem Saft soll man die Lästerzungen schmoren.
In eines Katers Hirn, der nicht mehr fischt,
im Geifer, der aus den Gebissen
der tollen Hunde träuft, mit Affenpiss vermischt,
in Stacheln, einem Igel ausgerissen,
Ich, Villon, ein Dichter und Vagant,
Franzose und verbannt aus meinem Vaterland,
mich kitzelt der Geruch der grossen Stadt,
ich brauche Raum, ich brauche Raum und habe nicht einmal
für meinen Kopf ein Futteral.
Ich hab den Hetzhund endlich satt,
der mich durch die verfaulten Wälder treibt.
Ich bin ein ganzes Jahr schon unbeweibt.
Du aber weisst, wie reissend mich das Blut bewegt,
wie mein Gehirn durch alle Himmel fegt,
ich hab dir mehr als einen Reim geschenkt,
da war noch Würze drin und Salz.
Jetzt klebt ein Schandfleck rot an meinem Hals,
und wer mich fängt und henkt,
streicht hundert Golddukaten ein;
soll das mein Leben lang dein Wille sein?
Du, sieh her, ich trage auf der grauen Haut
nur diesen Rock, der ist geklaut
und stinkt nach Muff und Mottenfrass.
Sieh hier, am Knie ein Loch, so gross
wie eine Faust... Wer bin ich bloss,
dass ich zu Mist und Aas
verdammt bin, ich, Villon aus Gross-Paris,
Professor einst und Herr vom Goldnen Vlies.
... mein Bruder hör: Wozu bist du so stolz
auf einen Thron gesetzt, wenn du wie Holz
dich anfühlst und nicht schreist:
"Schafft den Villon mir her, zieht ihm ein Kleid
von Seide an. 's ist höchste Zeit,
dass die Durchlaucht mit mir zu Abend speist!"
Mein Bruder, hör doch: Ich hab nur Wind im Darm
und bin wie eine Laus, so arm.
Ja, auch so ein König neigt zuweilen sich
zu seinem Untertan herab und denkt wie ich;
dass alle Menschen gross und klein,
am Ende sollen Brüder sein.
im Regenfass, drin schon die Würmer schwimmen,
krepierte Ratten und der grüne Schleim
von Pilzen, die des Nachts wie Feuer glimmen,
in Pferderotz und auch in heissem Leim:
In diesem Saft soll man die Lästerzungen schmoren.
In dem Gefäss, drin alles reingerät,
was so ein Medikus herausholt aus dem schwieren
Gedärm an Eiter und verpestetem Sekret,
in Salben, die sie in den Schlitz sich schmieren,
die Hurenmenscher, um sich kalt zu halten,
in all dem Schmodder, der zurückbleibt
in den Spitzen und den Spalten
(wer hätte nicht durch solchen Schiet
hindurchgemusst!):
In diesem Saft soll man die Lästerzungen schmoren.
Meine Herren, packt all die saubren Sachen
(gehen sie in den verfaulten Kürbis nicht hinein)
in eure Hosen, um den Bottich voll zu machen,
gebt auch den Arschgeruch von einem Schwein hinein,
und hat's vier Wochen lang gegoren:
In diesem Saft solln eure Lästerzungen schmoren.