Jugendliche rüsten zur Gegenwehr
29.03.2007 um 14:56Link: www.tagesspiegel.de (extern) (Archiv-Version vom 01.04.2007)
Jugendliche rüsten zur Gegenwehr Polizei fürchtet neue Entwicklung bei Jugendgewalt
Wer überfallen wurde, bewaffnet sich vorsorglich.
In einer SchönebergerSeitenstraße standen sie plötzlich vor ihm: zwei Jugendliche, die ihm ein Messer an denHals hielten. „Geld und Handy!“ verlangten sie von dem 18-jährigen Gymnasiasten. EineRaubtat unter Jugendlichen, die in Berlin schon zum Alltag gehört. „Abziehen“ heißt dasheute. 3600 dieser Fälle hat die Polizei im vorigen Jahr bearbeitet. Doch bei Roman (Namegeändert) sitzt die Wut tief. Er hat sich zur Gegenwehr gerüstet: mit Teleskopschlagstockund Pfefferspray, beides hat er kürzlich in einem Waffenladen gekauft. „Viele derMitschüler haben Waffen, auch wenn sie darüber nicht offen reden“, sagt Roman später.
Eine Erfahrung, die auch viele Ermittler bei der Polizei gemacht haben. Einervon ihnen, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, bestätigt: „Ein Aufrüstenfindet definitiv statt.“ Statistisch belegen könne er das nicht, doch das sei seineErfahrung. „Wenn man seit Jahren in Kreuzberg oder Neukölln auf der Straße arbeitet,bekommt man das mit.“ Messer, Teleskopschlagstöcke sowie Gas- und Schreckschusswaffenorganisierten sich Jugendliche über Kumpels oder andere Kontakte, „um gewappnet zu sein“.Es seien meist Jungen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren, oftmals Deutsche ausEinfamilien- oder Mehrfamilienhaus-Siedlungen in Britz oder Rudow. „Auch Abiturientensind mit dabei“, sagt er. Die Waffen seien für diese jungen Leute eine Art„Rückversicherung“, denn sie seien es leid, immer wieder von Gleichaltrigen in Cliquen„abgezogen“ zu werden. Laut Kriminalitätsstatistik sind im Jahr 2006 in Berlin knapp 30Prozent aller Opfer unter 21 Jahre alt gewesen. Doch in Brennpunktbezirken, wo dieJugendgruppengewalt groß ist, sprechen Ermittler davon, dass die Zahl der jugendlichenOpfer bei 80 Prozent liegt. Denn nicht alle Taten werden auch angezeigt. „Bedrohungen,Nötigungen, kleinere Schlägereien sind bestimmt darunter. Die fließen nicht immer in dieStatistik“, sagt der Ermittler.
Dass die Opfer aus Angst nun aufrüsten, könnekeine Lösung sein, warnt er. Wer mit Waffen auf der Straße erwischt wird, hat einProblem: „Die machen sich damit strafbar“, sagt der Polizist. Schließlich seien Gas- undSchreckschusspistolen erst ab 18 Jahren und nur in Verbindung mit dem kleinenWaffenschein erlaubt. „Wurfsterne, Teleskopschlagstöcke und bestimmte Messer dürfen18-Jährige zwar kaufen, aber nicht draußen mit sich führen.“ Sie täten sich damit selbstkeinen Gefallen. „Wenn die Täter beim Opfer eine Waffe entdecken, werden sie erst rechtprovoziert“, sagt er. Gewalt erzeuge nun mal Gegengewalt: „Die Spirale dreht sich immerweiter.“ Und bei jenen, die täglich Gewalt ausübten, sei die Hemmschwelle viel niedriger,eine Waffe zu benutzen. Im Gegensatz zu den Opfern, die jetzt aufrüsten.
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Gewalt erzeugt bloß Gegengewalt und es entsteht eine Spirale, dienicht zu bremsen ist. Aber, wie kann diese Kette durchbrochen werden?
Jugendliche rüsten zur Gegenwehr Polizei fürchtet neue Entwicklung bei Jugendgewalt
Wer überfallen wurde, bewaffnet sich vorsorglich.
In einer SchönebergerSeitenstraße standen sie plötzlich vor ihm: zwei Jugendliche, die ihm ein Messer an denHals hielten. „Geld und Handy!“ verlangten sie von dem 18-jährigen Gymnasiasten. EineRaubtat unter Jugendlichen, die in Berlin schon zum Alltag gehört. „Abziehen“ heißt dasheute. 3600 dieser Fälle hat die Polizei im vorigen Jahr bearbeitet. Doch bei Roman (Namegeändert) sitzt die Wut tief. Er hat sich zur Gegenwehr gerüstet: mit Teleskopschlagstockund Pfefferspray, beides hat er kürzlich in einem Waffenladen gekauft. „Viele derMitschüler haben Waffen, auch wenn sie darüber nicht offen reden“, sagt Roman später.
Eine Erfahrung, die auch viele Ermittler bei der Polizei gemacht haben. Einervon ihnen, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, bestätigt: „Ein Aufrüstenfindet definitiv statt.“ Statistisch belegen könne er das nicht, doch das sei seineErfahrung. „Wenn man seit Jahren in Kreuzberg oder Neukölln auf der Straße arbeitet,bekommt man das mit.“ Messer, Teleskopschlagstöcke sowie Gas- und Schreckschusswaffenorganisierten sich Jugendliche über Kumpels oder andere Kontakte, „um gewappnet zu sein“.Es seien meist Jungen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren, oftmals Deutsche ausEinfamilien- oder Mehrfamilienhaus-Siedlungen in Britz oder Rudow. „Auch Abiturientensind mit dabei“, sagt er. Die Waffen seien für diese jungen Leute eine Art„Rückversicherung“, denn sie seien es leid, immer wieder von Gleichaltrigen in Cliquen„abgezogen“ zu werden. Laut Kriminalitätsstatistik sind im Jahr 2006 in Berlin knapp 30Prozent aller Opfer unter 21 Jahre alt gewesen. Doch in Brennpunktbezirken, wo dieJugendgruppengewalt groß ist, sprechen Ermittler davon, dass die Zahl der jugendlichenOpfer bei 80 Prozent liegt. Denn nicht alle Taten werden auch angezeigt. „Bedrohungen,Nötigungen, kleinere Schlägereien sind bestimmt darunter. Die fließen nicht immer in dieStatistik“, sagt der Ermittler.
Dass die Opfer aus Angst nun aufrüsten, könnekeine Lösung sein, warnt er. Wer mit Waffen auf der Straße erwischt wird, hat einProblem: „Die machen sich damit strafbar“, sagt der Polizist. Schließlich seien Gas- undSchreckschusspistolen erst ab 18 Jahren und nur in Verbindung mit dem kleinenWaffenschein erlaubt. „Wurfsterne, Teleskopschlagstöcke und bestimmte Messer dürfen18-Jährige zwar kaufen, aber nicht draußen mit sich führen.“ Sie täten sich damit selbstkeinen Gefallen. „Wenn die Täter beim Opfer eine Waffe entdecken, werden sie erst rechtprovoziert“, sagt er. Gewalt erzeuge nun mal Gegengewalt: „Die Spirale dreht sich immerweiter.“ Und bei jenen, die täglich Gewalt ausübten, sei die Hemmschwelle viel niedriger,eine Waffe zu benutzen. Im Gegensatz zu den Opfern, die jetzt aufrüsten.
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Gewalt erzeugt bloß Gegengewalt und es entsteht eine Spirale, dienicht zu bremsen ist. Aber, wie kann diese Kette durchbrochen werden?