Das neueste aus der Namibischen Presse
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http://www.az.com.na (Archiv-Version vom 27.09.2006)Die Idylle wackelt
Tourismus, äußereEinflüsse: Wie lange wird es noch traditionelle Himba geben?
von Hannah Suppa
DasTV-Format ,,Wie die Wilden" des deutschen Fernsehsenders SAT.1 hat die Himba wieder indas Licht der Öffentlichkeit gerückt. In Deutschland, aber auch hier in Namibia. DerTourismus ist längst im Kaokoland, der Heimat der Himba, angekommen. Vor rund zwei Wochenhat sich eine junge Himba Frau aus der Nähe von Opuwo erhängt - ein für ein ,,Naturvolk"ungewöhnlicher Fall. Wie lange können die Himba noch in ihrer Tradition leben?
Die Einkaufsliste ist lang. Jedes Mal wenn Dieter Risser von Ondjamba Safaris mitseinen Reisegruppen die Himba-Dörfer bei Opuwo im Kaokoland besucht, wird ihm genauaufgetragen, was er mitbringen soll. Dieses Mal ist es ein riesiger Karton vollerWeißbrote, Rasierklingen, Kaffee, Tee, Salz, Schnupftabak, Bonbons und 20kg Maismehl.
Diese ,,Gastgeschenke" sind die Eintrittskarte in das Dorf der Himba hier beiOpuwo. In der Nähe der Hauptstadt des Kaokolandes gibt es zahlreiche Himba-Dörfer. Rissernennt sie ,,Touristendörfer". Denn die hier lebenden Himba haben sich auf die Besucheraus dem Ausland eingestellt und finanzieren sich hauptsächlich über Gastgeschenke undVorführgelder.
Im Dorf angekommen wird dem Touristen einiges geboten. Es istkein künstliches Show-Dorf, die Himba leben hier ganz nach ihrer Tradition - doch diestellen sie für die Besucher zur Schau. Nach einer freundlichen Begrüßung wird dieReisegruppe in eine Hütte des Dorfes geführt, wo eine junge Himba zeigt, wie dieOcker-Farbe hergestellt wird. Die fettige Farbe, mit der sich die Himba-Frauen und Kindereinreiben, um die Haut vor der sengenden Sonne des Kaokolandes zu schützen. Die jungeHimba-Frau bröselt den Rotstein klein, verreibt das entstandene Pulver mit Butterfett undschmiert die rote Farbe den weiblichen Reisegästen auf den Arm. Sie zeigt dastraditionelle Rauchbad, zieht für Fotos die Hochzeitskappe auf und zeigt außerhalb derHütte die mühsame Produktion des Maismehls. Für weitere 60 N$ in bar führen alle Frauendes Dorfes ihre traditionellen Tänze auf. Gleich nachdem der Landrover von OndjambaSafaris vor dem Tor zum Dorf gehalten hat, strömen die Himba von allen Seiten heran undbauen in der Mitte des Dorfes einen Marktplatz auf. Armreifen, Ketten, Puppen, Ohrringe -alles handgemacht für die Touristen. An manchen Tagen ein gutes Geschäft.
,,Ovahimba" heißt übersetzt ,,Die, die für Essen und Trinken betteln". Betteln tundie Himba längst nicht mehr. Einige Dörfer versuchen eben nur das Beste für sich aus demTourismus herauszuholen. Die Rinderzucht alleine, die den Himba eher als Prestige dennals Geldeinnahmeobjekt dient, reicht nicht mehr aus. Das ,,Naturvolk", wie es auchbezeichnet wird, hat die Annehmlichkeiten der Welt außerhalb des Dorfes kennen- undschätzen gelernt. ,,Die Himba sind da sehr strikt. Man darf nicht einfach ein Fotomachen, man muss um Erlaubnis fragen oder eine Gegenleistung erbringen. Das ist zumBeispiel im Owamboland anders - da wird man eingeladen zu fotografieren", erzählt EmilyAsino von der Namibian Academy for Tourism and Hospitality (NATH). Doch ist der Tourismusim Kaokoland wohl auch größer als in der Region der Owambo.
Da kommt der Gedankeauf, wie lange die Himba noch in ihrer Tradition weiterleben können und wollen angesichtsdes immer stärker werdenden Einflusses von außen. Lange Zeit war das Kaokoland nahezuunberührt, doch nun wird der Nordwesten Namibias seit Jahren immer mehr zur beliebtenTouristenattraktion.
Zwar noch nicht so überlaufen wie Etosha oder Sossusvlei,aber die Anzahl der Safari-Unternehmen, Lodges und Selbstfahrer hat in diesem TeilNamibias doch stark zugenommen. ,,Gerade die Himba-Touren sind beliebter geworden",bestätigt Emily Asino. Noch leben schätzungsweise rund 7.000 Himba im Kaokoland.
,,Ich befürchte es ist eine Frage der Zeit bis die Himba ihre Tradition aufgeben.Vielleicht ist das hier die letzte Generation, die noch lebt wie ihre Vorfahren", sagtDieter Risser, der als Reiseführer schon seit Jahren viele Himba kennt und regelmäßigbesucht.
Schon jetzt findet man selten Himba-Männer, die noch traditionellgekleidet sind. Meist tragen sie Shorts, T-Shirts und eben Dinge, die vorbeifahrendeTouristen mit gutem Willen dort gelassen haben. Und auch der Alkohol hat die Himba schonlängst erreicht. In Opuwo oder Etanga stapeln sich die leeren Bierflaschen amStraßenrand, einige Himba-Männer torkeln betrunken durch die Straßen. Ein Anblick, derDieter Risser traurig macht: ,,Ich fahre inzwischen nicht mehr gern in die zwei Orte -ich kann das Elend nicht mit ansehen".
Neben den Touristen haben auchFilm-Teams das Kaokoland und die Himba für sich entdeckt. Ondjamba Safaris fährt häufigFilm-Teams und Fotografen durchs Kaokoland - sie wollen bei einer Himba-Hochzeit dabeisein oder die Wüstenelefanten beobachten. Jüngst war Risser für eine Produktion derdeutschen öffentlich rechtlichen Sender unterwegs, die eine Dokumentation über ,,dieletzten Paradiese" machen wollten. Eins der letzten Paradiese liegt nach Meinung derFilmemacher im Kaokoland. Doch wie lange kann dieses urige Paradies mit seinenTraditionen noch erhalten werden? Nach Angaben der Namibian Film Commission werdenjährlich rund 50 Filme und Dokumentation im Kaokoland gedreht. Eine beachtliche Zahl.Dabei versucht die Film Commission aber zu kontrollieren, dass die Interessen der Himbagewahrt werden. ,,Die Himba sind verletzlich", sagt Edwin Kanguatjivi, Leiter der FilmCommission. Aus diesem Grund wurde ein ,,Himba Trust" in Namibia eingerichtet - dieFilm-Teams, die bei den Himba drehen, zahlen in diesen Trust ein. Das Geld kommt demHirtenvolk zugute. Die Idee ist gut - ob es wirklich so funktioniert, bleibt abzuwarten.
Für Namibia jedenfalls sind die Himba, die noch traditionell in ,,ihremKaokoland" leben, ein Pluspunkt auf dem Tourismus-Markt. Eine Seltenheit in der Welt.,,Der Tourismus im Kaokoland ist nicht nur negativ zu sehen, schließlich bringt er Umsatzin die Dörfer und die ganze Region", sagt Emily Asino.
Doch obwohl es imKaokoland noch zahlreiche traditionelle Dörfer und einige Nomadenhimba gibt, beginneneinige Unternehmen und Lodges künstliche Himba-Dörfer einzurichten, die in Reichweite derZimmer der Gäste liegen. Die Himba werden angeblich mit Geld und Naturalien überredetihre Heimatdörfer zu verlassen. ,,Mir sind mehrere solcher Fälle bekannt, ich finde dassehr schade", nimmt Risser dazu Stellung. Namen möchte er nicht nennen. ,,Ja, es gibtsolche organisierten Dörfer für Touristen. Die Himba machen das sicherlich nicht nur ausVergnügen, sondern da spielen ökonomische Aspekte eine Rolle", fügt Emily Asino hinzu.
Nun hat sich vor zwei Wochen Katiti, eine junge Himba aus dem ,,Touristendorf"aus der Nähe von Opuwo, erhängt. ,,Der erste mir bekannte Fall von Selbstmord bei denHimba", so Risser. Katiti hatte ihr Heimatdorf verlassen, um bei Kamanjab zu leben - dorthat sie an Vorführungen für Touristen teilgenommen. Mutmaßungen über das Motiv desSelbstmordes gibt es mehrere: So soll sie sich in ihrem ,,neuen Dorf" nicht wohl gefühlthaben und auch Gerüchte um Liebeskummer werden verbreitet. Genau wird man es nicht mehrnachvollziehen können. Doch eins zeigt der Fall von Katiti: Die Welt ist im Wandel undmacht auch vor dem idyllischen Kaokoland und seinen Himba keinen Halt. Dass die Himbanoch Jahrzehnte traditionell im Kaokoland leben, ist für uns eine schöne, beruhigendeVorstellung. Doch vielleicht auch etwas vermessen. Man kann die Himba ja nicht vorFortschritt wegsperren - und vielleicht wollen sie das auch gar nicht.