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Pseudoliebe - Der Verfall der Liebe
23.03.2006 um 13:35Die Liebe und ihr Verfall in der heutigen westlichen Gesellschaft
Wenn Liebeeine Fähigkeit des reifen, produktiven Charakters ist, so folgt daraus, daß dieLiebesfähigkeit eines in einer, bestimmten Kultur lebenden Menschen von dem Einflußabhängt, den diese Kultur auf den Charakter des Durchschnittsbürgers ausübt. Wenn wirjetzt von der Liebe in der westlichen Kultur sprechen, wollen wir uns daher zunächstfragen, ob die Gesellschaftsstruktur der westlichen Zivilisation und der aus ihrresultierende Geist der Entwicklung von Liebe förderlich ist. Wir müssern diese Frageveneinen. Kein objektiver Beobachter unsseres westlichen Lebens kann bezweifeln, dass dieLiebe - die Nächstenliebe, die Mutterliebe und die erotische Liebe - bei uns eine relativseltene Erscheinung ist und daß einige Formen der Pseudoliebe an ihre Stelle getretensind, bei denen es sich in Wirklichkeit um ebenso viele Formen des Verfalls der Liebehandelt.
Die kapitalistische Gesellschaft gründet sich einerseits auf das Prinzipder politischen Freiheit und andererseits auf den Markt als den Regulator allerwirtschaftlichen und damit auch gesellschaftlichen Beziehungen. Der Markt derGebrauchsgüter bestimmt die Bedingungen, unter denen diese Gebrauchsgüter ausgetauschtwerden, der Arbeitsmarkt reguliert den An- und Verkauf von Arbeitskraft. NutzbringendeDinge wie auch nutzbringende menschliche Energie werden in Gebrauchsgüter verwandelt, dieman ohne Anwendung von Gewalt und ohne Betrug entsprechend den Marktbedingungenaustauscht. Schuhe zum Beispiel, so nützlich und notwendig sie sein mögen, haben keinenwirtschaftlichen Wert (Tauschwert), wenn auf dem Markt keine Nachfrage danach herrscht.Die menschliche Energie und Geschicklichkeit hat keinen Tauschwert, wenn sie unter denderzeitigen Marktbedingungen nicht gefragt ist. Wer über Kapital verfügt, kannArbeitskraft kaufen und so einsetzen, dass er sein Kapital gewinnbringend anlegt. Wer nurüber Arbeitskraft verfügt, muß sie zu den jeweiligenMarktbedingungen an die Kapitalistenverkaufen, wenn er nicht verhungern will. Diese wirtschaftliche Struktur spiegelt sich inder Hierarchie der Werte wider. Das Kapital dirigiert die Arbeitskraft; angesammelte,tote Dinge besitzen einen höheren Wert als das Lebendige, die menschliche Arbeitskraftund Energie.
Dies war von Anfang an die Grundstruktur des Kapitalismus..... Man kanndas menschliche Problem des Kaptialismus folgendermaßen formulieren: Der moderneKapitalsmus braucht Menschen, die in großer Zahl reibungslos funktionieren, die immermehr konsumieren wollen, deren Geschmack standarisiert ist und leicht vorausgesehen undbeeinflußt werden kann. Es braucht Menschen, die sich frei und unabhängig und meinen, fürsie gebe es keine Autorität, keine Prinzipien und kein Gewissen - und die trotzdem bereitsind sich kommandieren zu lassen, zu tun, was man von ihnen erwartet, und sichreibungslos in die Gesellschaftsmaschinerie einzufügen; Menschen, die sich führen lassen,ohne dass man Gewalt anwenden müsste, die sich ohne Führer führen lassen und die keineigentliches Ziel haben ausser dem, den Erwartungen zu entsprechen, in Bewegung zubleiben, zu funtktionieren und voranzukommen.
Was kommt dabei heraus? Der moderneMensch ist sich selbst, seinen Mitmenschen und der Natur entfremdet. Er hat sich in eineGebrauchsware verwandelt und erlebt seine Lebenskräfte als Kapitalanlage, die ihmunterden jeweils gegebenen Marktbedingungen den größtmöglichen Profit einzubringen hat.Die menschlichen Beziehungen sind im wesentlichen die von entfremdeten Automaten. Jedderglaubt sich dann in Sicherheit, wenn er möglichst dicht bei der Herde bleibt und sich inseinem Denken, Fühlen und Handeln nicht von den anderen unterscheidet. Während aber jederversucht, den übrigen so nahe wie möglich zu sein, bleibt er doch völlig allein und hatein tiefes Gefühl der Unsicherheit, Angst und Schuld, wie es immer dann entsteht, fwennder Mensch sein Getrenntsein nicht zu überwinden vermag. Unsere Zivilisation verfügt überviele Betäubungsmittel, die den Leuten helfen, sich ihres Alleinseins nicht bewußt zuwerden: Das ist vor allem die strenge Routine der bürokratischen, mechanischen Arbeit,die verhindern hilft, da´sich die Menschen ihres tiefsten Bedürfnisses, des Verlangensnach Transzendenz und Einheit, bewußt zu werden. Da die Arbeitsroutine hierzu nichtausreicht, überwindet der Mensch seine unbewußte Verzweiflung durch die Routine desVergnügens, durch den passiven Konsum von Bildern und Tönen, wie sie ihm dieVergnügungsindustrie bietet; außerdem durch die Befriedigung, ständig neue Dinge zukaufen und diese bald wieder gegen andere auszuwechseln. Der moderne Mensch kommttatsächlich dem Bild nahe, das Aldous Huxley in seinem Roman "Schöne neue Welt"beschreibt: Er ist gut genährt, gut gekleidet und sexuell befriedigt, aber ohne Selbstund steht nur in einem höchst oberflächigen Kontakt mit seinen Mitmenschen...
Wienicht anders zu erwarten, ist auch die Liebe vom Gesellschafts-Charakter des modernenMenschen geprägt. Automaten können nicht lieben, sie tauschen ihre persönlichen Vorzügeaus und hoffen auf ein faires Geschäft.....
von Erich Fromm 1956
Nur wer im Licht steht, kann Schatten werfen.
Wenn Liebeeine Fähigkeit des reifen, produktiven Charakters ist, so folgt daraus, daß dieLiebesfähigkeit eines in einer, bestimmten Kultur lebenden Menschen von dem Einflußabhängt, den diese Kultur auf den Charakter des Durchschnittsbürgers ausübt. Wenn wirjetzt von der Liebe in der westlichen Kultur sprechen, wollen wir uns daher zunächstfragen, ob die Gesellschaftsstruktur der westlichen Zivilisation und der aus ihrresultierende Geist der Entwicklung von Liebe förderlich ist. Wir müssern diese Frageveneinen. Kein objektiver Beobachter unsseres westlichen Lebens kann bezweifeln, dass dieLiebe - die Nächstenliebe, die Mutterliebe und die erotische Liebe - bei uns eine relativseltene Erscheinung ist und daß einige Formen der Pseudoliebe an ihre Stelle getretensind, bei denen es sich in Wirklichkeit um ebenso viele Formen des Verfalls der Liebehandelt.
Die kapitalistische Gesellschaft gründet sich einerseits auf das Prinzipder politischen Freiheit und andererseits auf den Markt als den Regulator allerwirtschaftlichen und damit auch gesellschaftlichen Beziehungen. Der Markt derGebrauchsgüter bestimmt die Bedingungen, unter denen diese Gebrauchsgüter ausgetauschtwerden, der Arbeitsmarkt reguliert den An- und Verkauf von Arbeitskraft. NutzbringendeDinge wie auch nutzbringende menschliche Energie werden in Gebrauchsgüter verwandelt, dieman ohne Anwendung von Gewalt und ohne Betrug entsprechend den Marktbedingungenaustauscht. Schuhe zum Beispiel, so nützlich und notwendig sie sein mögen, haben keinenwirtschaftlichen Wert (Tauschwert), wenn auf dem Markt keine Nachfrage danach herrscht.Die menschliche Energie und Geschicklichkeit hat keinen Tauschwert, wenn sie unter denderzeitigen Marktbedingungen nicht gefragt ist. Wer über Kapital verfügt, kannArbeitskraft kaufen und so einsetzen, dass er sein Kapital gewinnbringend anlegt. Wer nurüber Arbeitskraft verfügt, muß sie zu den jeweiligenMarktbedingungen an die Kapitalistenverkaufen, wenn er nicht verhungern will. Diese wirtschaftliche Struktur spiegelt sich inder Hierarchie der Werte wider. Das Kapital dirigiert die Arbeitskraft; angesammelte,tote Dinge besitzen einen höheren Wert als das Lebendige, die menschliche Arbeitskraftund Energie.
Dies war von Anfang an die Grundstruktur des Kapitalismus..... Man kanndas menschliche Problem des Kaptialismus folgendermaßen formulieren: Der moderneKapitalsmus braucht Menschen, die in großer Zahl reibungslos funktionieren, die immermehr konsumieren wollen, deren Geschmack standarisiert ist und leicht vorausgesehen undbeeinflußt werden kann. Es braucht Menschen, die sich frei und unabhängig und meinen, fürsie gebe es keine Autorität, keine Prinzipien und kein Gewissen - und die trotzdem bereitsind sich kommandieren zu lassen, zu tun, was man von ihnen erwartet, und sichreibungslos in die Gesellschaftsmaschinerie einzufügen; Menschen, die sich führen lassen,ohne dass man Gewalt anwenden müsste, die sich ohne Führer führen lassen und die keineigentliches Ziel haben ausser dem, den Erwartungen zu entsprechen, in Bewegung zubleiben, zu funtktionieren und voranzukommen.
Was kommt dabei heraus? Der moderneMensch ist sich selbst, seinen Mitmenschen und der Natur entfremdet. Er hat sich in eineGebrauchsware verwandelt und erlebt seine Lebenskräfte als Kapitalanlage, die ihmunterden jeweils gegebenen Marktbedingungen den größtmöglichen Profit einzubringen hat.Die menschlichen Beziehungen sind im wesentlichen die von entfremdeten Automaten. Jedderglaubt sich dann in Sicherheit, wenn er möglichst dicht bei der Herde bleibt und sich inseinem Denken, Fühlen und Handeln nicht von den anderen unterscheidet. Während aber jederversucht, den übrigen so nahe wie möglich zu sein, bleibt er doch völlig allein und hatein tiefes Gefühl der Unsicherheit, Angst und Schuld, wie es immer dann entsteht, fwennder Mensch sein Getrenntsein nicht zu überwinden vermag. Unsere Zivilisation verfügt überviele Betäubungsmittel, die den Leuten helfen, sich ihres Alleinseins nicht bewußt zuwerden: Das ist vor allem die strenge Routine der bürokratischen, mechanischen Arbeit,die verhindern hilft, da´sich die Menschen ihres tiefsten Bedürfnisses, des Verlangensnach Transzendenz und Einheit, bewußt zu werden. Da die Arbeitsroutine hierzu nichtausreicht, überwindet der Mensch seine unbewußte Verzweiflung durch die Routine desVergnügens, durch den passiven Konsum von Bildern und Tönen, wie sie ihm dieVergnügungsindustrie bietet; außerdem durch die Befriedigung, ständig neue Dinge zukaufen und diese bald wieder gegen andere auszuwechseln. Der moderne Mensch kommttatsächlich dem Bild nahe, das Aldous Huxley in seinem Roman "Schöne neue Welt"beschreibt: Er ist gut genährt, gut gekleidet und sexuell befriedigt, aber ohne Selbstund steht nur in einem höchst oberflächigen Kontakt mit seinen Mitmenschen...
Wienicht anders zu erwarten, ist auch die Liebe vom Gesellschafts-Charakter des modernenMenschen geprägt. Automaten können nicht lieben, sie tauschen ihre persönlichen Vorzügeaus und hoffen auf ein faires Geschäft.....
von Erich Fromm 1956
Nur wer im Licht steht, kann Schatten werfen.