Ist unser Charakter gar nicht von uns?

Winterella schrieb am 05.04.2019:Nun zu meiner Frage, sind wir, bzw. unser Charakter, nur ein Produkt anderer? Also ein Produkt vieler verschiedener Begegnungen? Und dadurch individuell, da jeder unterschiedliche Begegnungen macht die unterschiedlich intensiv oder lang sind?
Ich hoffe ihr versteht was ich meine.

Ich verstehe genau was du meinst.. und ich habe mich das selbst schon oft gefragt.
Ich denke schon, dass wir tief in unserem Inneren wir selbst sind.. aber dass wir von Außen geformt wurden, eben durch Erfahrungen oder Programmen die wir antrainiert bekommen haben.

Ob man das, zumindest zum Teil, wieder ablegen kann?

Aniara schrieb am 09.04.2019:Nö, also das ist mir noch nie passiert. Dafür ist ein Akzent auch viel zu speziell und ausgeprägt. Ich gewöhne mir da eher mal andere Ausdrucksweisen an oder andere Wörter für Dinge, die ich "gestern" noch anders bezeichnet hätte.
Aber ja, ich gebe dir Recht, unser Charakter ist zum Großteil ein Produkt unserer Umwelt.

Also mir passiert das oft, meiner Mutter sogar noch öfter ;) ist jetzt aber nicht bei deutschen Dialekten gemeint, sondern eher wenn man einen Türken oder Russen am Telefon hat, der gebrochen Deutsch spricht, dann automatisch irgendwie auch gebrochen Deutsch spricht. Sich sozusagen unterbewusst darauf einlässt. Vielleicht kennen ja noch andere dieses Phänomen, sonst fühle ich mich etwas blöd 😂
Beim Rest gebe ich dir das Recht ebenfalls zurück :)

Izula schrieb:Ich verstehe genau was du meinst.. und ich habe mich das selbst schon oft gefragt.
Ich denke schon, dass wir tief in unserem Inneren wir selbst sind.. aber dass wir von Außen geformt wurden, eben durch Erfahrungen oder Programmen die wir antrainiert bekommen haben.

Ob man das, zumindest zum Teil, wieder ablegen kann

Danke, da bin ich sehr erleichtert :)
Ja, ich denke man legt das ab sobald man in ein anderes Umfeld kommt (Mann, Familie) und nimmt dort Charaktereigenschaften auf und gibt auch wieder welche ab (die man vorher aufgesammelt hat), was dann dieses Familientypische Verhalten (die sind so und die sind so) erklären könnte.

Allgemein denke ich natürlich dass jeder seinen eigenen Kern hat, für mich ist es die Seele, aber wie hier schon erwähnt wurde die Persönlichkeit eben ein Produkt verschiedener äußerer Einflüsse wie auch Erlebissen ist, die dadurch wieder individuell wirkt.

Prinzipiell kann man auch darüber diskutieren ob es den freien Willen gibt, oder ob wir alle und unser "Willen" nur Resultat von Grundvoraussetzungen und Einflüssen sind, die unseren Charakter und somit auch den Willen formen

Winterella schrieb am 18.04.2019:Vielleicht kennen ja noch andere dieses Phänomen, sonst fühle ich mich etwas blöd 😂

Blöd? Unter Umständen nicht nur in Deinen Augen:

Ein Universitätsprofessor hat ein verstopftes Klo. Also ruft er einen Klempner. Er denkt sich: "Na ja, so ein Klempner ist ein schlichtes Gemüt. Der wird meine elaborierte Sprache nicht verstehen. Erst recht, wenn er vielleicht ein Migrant ist. Also muss ich mir Mühe geben, mich möglichst einfach und verständlich auszudrücken."

Der Klempner, aus Polen stammend, erscheint und fragt den Professor, was denn das Problem sei. Der antwortet ihm: "He Du, Klo kaputt. Nix geht mehr. Scheisse nix geht weg. Du heilemachen."

Der Klempner behebt den Schaden und berichtet abends seiner Frau: "Sie mögen ja das Volk der Dichter und Denker sein, diese Deutschen, aber ihre Intellektuellen sind nicht mal in der Lage, in ganzen und verständlichen Sätzen zu sprechen."

@Doors
Hahaha 😂😂😂 Oh nein, dein Beispiel ist genial und ich musste wirklich lachen. Ja ich habe mich teilweise darin erkannt, ABER (!) nicht in der Hinsicht dass ich die anderen für blöd halte, sondern dass sie mich irgendwie einfach anstecken oder ich es ihnen vielleicht sogar erleichtern will mit mir zu kommunizieren, aber eben nicht weil ich denke sie wären blöd. Aber dein Beispiel regt trotzdem auch zum Nachdenken an.

. Glaube das man auch was von den Eltern mitbekommt. Auch den Charakter.

Der Charakter den wenn wir haben,der ist nicht direkt von uns.

Selbstverständlich wird man durch andere Menschen beeinflusst. Ganz besonders in der Kindheit.

Trotzdem hat jeder eine eigene Persönlichkeit und Charakter und dieser ist zu bewahren.

Es macht mich direkt wütend, wenn mir viele Menschen (längst erwachsen) erklären: „Ich habe das ja von meinem Elternhaus eingetrichtert bekommen.“

Ich muss als erwachsener Mensch fähig sein, Dinge/Werte die mir gut tun zu übernehmen und andere Sachen, die mir nicht wirklich gut tun, fallen zu lassen. Egal ob es den Eltern/Erziehungsberechtigten gefällt oder nicht.

Das selbe gilt für den Dialekt. Ich habe schon als Kind nie unseren Dialekt gesprochen. Nicht, weil ich mir dafür schäme. Ich sprach automatisch hochdeutsch, ohne dass ich es wirklich wollte.

Meine Herkunft hört man mir nur an bestimmten Ausdrücken an, die nur bei uns verwendet werden.
Ebenso reden meine Kinder hochdeutsch.
Mein Partner hingegen spricht noch immer im Dialekt seiner Heimat (ländliche Gegend) Die Kinder und ich haben aber nur einzelne Worte übernommen aber ich spreche diese Worte hochdeutsch aus (das klingt komisch) – er im Dialekt.

Mir ist es wichtig, dass ich meiner eigene Persönlichkeit und meinem Charakter treu bleiben kann und mich nicht (auch unabsichtlich) von anderen umprogrammieren lasse.

Winterella schrieb am 05.04.2019:Ich möchte zu meinem Anliegen erstmal Beispiele geben.
Jeder Kontakt im Leben verändert einen ja ein kleines bisschen, manche sogar ein großes Stück.
Ich habe schon durch viele Freundschaften oder Begegnungen, seit Kind an, Verhaltensweisen übernommen, ohne das Absichtlich zu kopieren. Genauso im Freundeskreis. Jeder, der Kontakt zu einer bestimmten Person hatte, hat etwas davon mitgenommen. Sei es eine spezielle Mimik, die Art etwas auszusprechen, eine Stimmlage, einen "Tick" oder einen Blick. Da gibt es sicher noch viel mehr. All diese Dinge sind geblieben und haben sich vermischt. Aber (bei den meisten) war das keine Absicht jemanden zu kopieren. Vielleicht kennt ihr ja diese Situation, am Telefon spricht der Gegenüber mit starkem Akzent und schon spricht man selbst mit Akzent, ohne es beabsichtigt zu haben.

Nun zu meiner Frage, sind wir, bzw. unser Charakter, nur ein Produkt anderer? Also ein Produkt vieler verschiedener Begegnungen? Und dadurch individuell, da jeder unterschiedliche Begegnungen macht die unterschiedlich intensiv oder lang sind?
Ich hoffe ihr versteht was ich meine.

Ich denke ich verstehe dich. Bin jetzt erst so richtig auf dieses Thema aufmerksam geworden. Leider.

Mal ganz auf die Schnelle: Ja und Nein. Am Meisten aber leider ja.



Wir werden vermutlich durch das ein oder andere beeinflusst/geprägt (Erziehung zb.), besitzen ab einem gewissen Alter jedoch auch die Fähigkeit Manches davon zu hinterfragen, sich ein eine eigene Meinung/Sichtweise zu bilden usw... Vorausgesetzt natürlich, dass man es kann und natürlich auch ob man es will.

Ich habe dafür sogar ein Beispiel in meiner Familie und mich gleich dazu. Ich versuche es mal halbwegs verständlich zu erklären.

Besagtes Familienmitglied von mir, wurde extrem durch die Erziehung seiner Mutter (meiner Großmutter also) geprägt. Diese Erziehung/Denkweise/Verhalten usw.. hat er sich auch bis heute beibehalten. Ebenso wie meine Großmutter dies bis zu ihrem Tode getan hatte.

Die gleiche Erziehung/Denkweise usw.. hat besagtes Familienmitglied auch bei mir versucht, ist damit allerdings gescheitert. Allein schon aus dem Grund, weil ich Gewisses nicht nur hinterfragen "konnte", sondern auch "wollte". Ebenso wie mein Onkel konnte und wollte, obwohl er die gleiche Erziehung genossen hatte, wie besagtes Familienmitglied.

Ich muss ehrlich sein. Dass ein gewisses Familienmitglied so ist wie es ist, damit habe ich schon ewig zu kämpfen. Man muss sich damit allerdings abfinden. Man kann gewisse Personen, die weder können noch wollen, einfach nicht ändern.

Einige mögen lachen und ich möchte ungern ins Detail gehen, aber so viel sei zumindest gesagt:

Wenn ein besagtes Familienmitglied knallhart nationalsozialistisch erzogen wurde und für dieses Familienmitglied bis heute nur Deutschland in wirklich allen Lebensbereichen zählt, (wirklich in allen die es gibt, selbst kulturell/unterhaltungsmäßig), wenn quasi kein anderes Land/keine andere Kultur/kein Leben außerhalb Deutschlands für gewissen Menschen existiert und auch nicht daran interessiert ist - dann hat man persönlich damit schon zu kämpfen. Erst recht, weil man das absolute Gegenteil davon ist.

Ja, wir sind das Produkt Anderer. Unserer Erziehung zb.
Aber nur soweit, wie wir das persönlich auch zulassen wollen oder vielleicht auch nur können. Aber Hauptsächlich entscheidet das eigene Wollen (der eigenen Wille also) darüber, wie man ist/sein möchte und wie man nicht ist/nicht sein möchte.

FerneZukunft schrieb:Selbstverständlich wird man durch andere Menschen beeinflusst. Ganz besonders in der Kindheit.

Trotzdem hat jeder eine eigene Persönlichkeit und Charakter und dieser ist zu bewahren.

Es macht mich direkt wütend, wenn mir viele Menschen (längst erwachsen) erklären: „Ich habe das ja von meinem Elternhaus eingetrichtert bekommen.“

Ich muss als erwachsener Mensch fähig sein, Dinge/Werte die mir gut tun zu übernehmen und andere Sachen, die mir nicht wirklich gut tun, fallen zu lassen. Egal ob es den Eltern/Erziehungsberechtigten gefällt oder nicht.

Das selbe gilt für den Dialekt. Ich habe schon als Kind nie unseren Dialekt gesprochen. Nicht, weil ich mir dafür schäme. Ich sprach automatisch hochdeutsch, ohne dass ich es wirklich wollte.

Meine Herkunft hört man mir nur an bestimmten Ausdrücken an, die nur bei uns verwendet werden.
Ebenso reden meine Kinder hochdeutsch.
Mein Partner hingegen spricht noch immer im Dialekt seiner Heimat (ländliche Gegend) Die Kinder und ich haben aber nur einzelne Worte übernommen aber ich spreche diese Worte hochdeutsch aus (das klingt komisch) – er im Dialekt.

Mir ist es wichtig, dass ich meiner eigene Persönlichkeit und meinem Charakter treu bleiben kann und mich nicht (auch unabsichtlich) von anderen umprogrammieren lasse.

Im Großen und Ganzen stimme ich Dir zu..
..aber ich denke es gibt Menschen die es erst mal realisieren müssen, woher manche Eigenschaften kommen.. und dann geht die Arbeit ja auch erst mal richtig los.. erkennen, akzeptieren, loslassen und "neu" programmieren..die eigenen Werte erkennen und danach leben.
Ich selbst habe lange dazu gebraucht zu erkennen, Wer ich eigentlich bin und welche Rollen ich gespielt habe.

sonnengold schrieb:Ich selbst habe lange dazu gebraucht zu erkennen, Wer ich eigentlich bin

Dazu habe ich zwei Fragen:

Wie bzw. durch was zeigte sich diese Erkenntnis?
Wie darf man sich das vorstellen, dieses eigentliche Ich?

@FlamingO
Weil ich viele Dinge getan habe die mir nicht entsprachen, die mich unglücklich gemacht haben oder sich für mich falsch angefühlt haben.

Ich habe erkannt, dass ich oft manipuliert worden bin von klein auf.. dass die Werte die ich in mir trug und nach denen ich lebte, nicht meine sind, sondern die Erwartungen anderer.. oder deren Überzeugungen.

Tja, das eigentliche Ich ist schwer zu greifen.. (zumindest für mich) aber ich arbeite dran..

sonnengold schrieb:Ich selbst habe lange dazu gebraucht zu erkennen, Wer ich eigentlich bin und welche Rollen ich gespielt habe.

Es freut mich, dass Du es erkannt hat. Man fühlt sich viel freier und glücklicher, wenn man so lebt, wie es einem selbst gut tut. Was andere denken ist so etwas von egal – man lebt für sich selbst und nicht für andere.

FerneZukunft schrieb:Es freut mich, dass Du es erkannt hat. Man fühlt sich viel freier und glücklicher, wenn man so lebt, wie es einem selbst gut tut. Was andere denken ist so etwas von egal – man lebt für sich selbst und nicht für andere.

Genauso ist es !!
Auch wenn es für manche egoistisch klingt mag, aber man selbst ist der wichtigste Mensch in seinem Leben.

sonnengold schrieb:Tja, das eigentliche Ich ist schwer zu greifen..

Wohl wahr. Doch das Ich ist ja nichts, was man ablegen kann wie ein Kleidungsstück, um dann ein neues überzustreifen. Auch wenn man sein Leben ändert, so bleibt man dennoch man selbst - das Ich wird mitgenommen in veränderte Umstände und durch Dazukommendes ergänzt, nicht aber ersetzt.

Du scheinst viel durchgemacht zu haben; beachtlich, dass du nicht kapituliertest, sondern aktiv gegen (für dich) negativ Verfestigtes gearbeitest hast!

@Winterella
Eigentlich war ich kurz gegen deine These.
Aber nach längerem Nachdenken: Hast recht. :)

Aber, das ist ja nichts Schlimmes, was von anderen mitzunehmen?

Man benimmt sich doch bei jedem ein wenig anders, oder nicht? Ich habe ein paar sehr enge Freunde und bei jedem bin ich ein wenig anders als bei dem anderen... die Grundprinzipien bleiben aber gleich dabei... die Lebenseinstellung, die Wertvorstellungen, aber wie man sich verhält dem anderen gegenüber kann sich ganz schön von Person zu Person unterscheiden...

...das habe ich jedenfalls festgestellt... bei dem einen kann ich richtig albern sein (und das passiert dann auch meist) bei dem anderen bin ich -fast immer- eher ernst und besonnen.

Ich verhalte mich, je nach Situation, nach gegenüber, nach Stimmung höchst unterschiedlich.

Wir alle sind Schauspieler hinter Masken, die Rollen im Leben spielen. Im eigenen wie in dem der Anderen.

Im Berufsleben bin ich anders als im Privaten. Meinen Kollegen gegenüber lege ich ein anderes Verhalten an den Tag als meinen Klienten/Kunden. Vor meinem Chef bin ich anders als vor meinen Untergebenen. Meinen Nachbarn gegenüber verhalte ich mich anders als meiner Familie gegenüber. Mit meiner Frau gehe ich anders um als mit meinen Kindern.

Ich bin jeweils so, wie ich sein möchte - und wie es andere von mir erwarten. Diesen Kompromiss muss ich, ohne Selbstverrat und Selbstaufgabe, finden und mit diesem Kompromiss muss ich leben. Die anderen auch.