Chefheizer schrieb:Ich würde aber nicht nur die Medien als Verursacher des Übels bezeichnen, sondern letztlich auch die Menschen selbst.
das problem ist, viele personifizieren die Medien als etwas höheres. dabei ist jeder tagtäglich medium, wenn er kommuniziert. klar, er ist dann nicht gleich "in den medien", trotzdem ist diese distanz gewissermaßen falsch verortet.
die themenfrage inkludiert ein "so viel" und gerade deshalb ist es auch richtig, auf die streurate von medien hinzuweisen.
man muss durch die begriffe hindurch schauen: was genau ist eigentlich verarsche? wurd zum teil schon richtig angedeutet: ansichtssache.
ist "PWND" eigentlich ein hype, ein trend, ein witz oder ein mem?
verarsche verletzt und das tut es insbesondere, wenn man in irgendeiner form geschädigt oder benachteiligt wird und das mit schadenfreude und spott einhergeht.
unser verhalten gleicht in diesem fall einer farbpalette und wir sind auf die farben angewiesen, die es zu kaufen gibt.
kaum jemand ist heute noch originell oder individuell: unsere persönlichkeiten haben ein stück hiervon ein stück davon und von dem und das meiste davon haben wir uns aus den medien abgeguckt.
wir sind weltmeister im imitieren.
Spoilerhttp://www.youtube.com/watch?v=TJgU5tSZ52g die aufgeschlossenheit und lust gegenüber schadenfreude, bloßstellung und lästerei wird mit absoluter sicherheit von den medien angestachelt.
das schon seit formaten wie "versteckte kamera".
in den 50ern wurde unser glorreicher medienkuppeldom über allem installiert und alsbald wurden wir von psychologischen tricks heimgesucht, die scheinbar kein tabu kennen. tabus und richtlinien lassen sich hervorragend durch medien installieren. die medien sind längst kein spiegel mehr, sie sind taktgeber.
die leute wären wochenlang wie auf entzug, würde man ihnen die berieselung durch das tv-programm abstellen.
kannste drehn und wenden wie du willst, das A und O bei einstellungsfragen der gesellschaft sind die medien und was sie übertragen. die gesellschaft ist denen beinah so hörig wie klischee-lemminge.
Chefheizer schrieb:Es fehlt aber auch an den richtigen Leitbildern. Haudegen, die Dinge ehrlich und geradlinig lösen und für das Einstehen was sie machen findet man leider kaum noch - sie wurden durch weiche Charaktere ersetzt, denn die Kunst der Täuschung ist immer auch eine Kunst der Schwäche.
terence hill und bud spencer waren doch hervorragende leitbilder und haudegen.
im prinzip sind sie auch die verarsche-könige und steht das simple niveau ihrer filme auch genau für die mentalität über die wir hier reden: piff paff alles gut, triumphiere, lache. das sind die botschaften, die man aus solchen komödien mitnimmt. gerade komödien vermögen es, uns vollkommen zu verziehen.
sie kitzeln auch den letzten klitzekleinen schelmischen argwohn in einem wach und öffnen somit aufgestauter frustration ein befreiendes ventil, an der man kraft und stärke schöpfen kann. die kraft, jeden kummer, jedes problem, jeden fehler, jede schwäche einfach wegzulachen. hier ist auch einer der anker, warum medien süchtig machen können. denn die stimulation von heiterkeit gibt es auf knopfdruck und wer es beherrscht, kann alles verdrängen und vor allem davonflüchten. verdrängnis und flucht kennzeichnen fast jede sucht.
wenn ich mir so sicher bin, dass gerade wegen medien so viel verarscht wird, dann denke ich dabei vor allem an amerikanische sitcoms aber auch an deutsche seifenopern. eigentlich alles mit eingespielten lachern, was eigentlich nicht lustig ist aber einen dann bald mitreisst wie der anblick eines konzertsaales gähnender affen. du denkst grad noch "hey!" und lachst dich dann trotzdem weg.
ich bin mir sicher, da laufen genug leute rum und bilden sich in ihrer rücksichtslosen egoshow ständig solche lacher ein, wenn sie über andere hinweggehen. man kann es manchmal gar nicht fassen, wie selbstverliebt manche die medien machen. ein eitles spiegelbild, meinte ich ja.
verarsche ist ja auch zum teil demütigendes dominanzverhalten. aufgezeigte peinlichkeit, finger-in-die-wunde-fassen. die sitcoms strotzen von solch "schwarzem" humor. auch schwarzer humor in seiner gänzlichen mitleidlosigkeit verzieht kinder. deswegen ist der nix für junge altersgruppen.
und trotzdem saugen sies teilweise in sich auf, kennen mit 12 schon das komplette medienangebot des internets - trés cool
sind ja nicht alle so. aber haste einen in der klasse, sind bald die mitschüler genauso drauf.
coolness ist eine krankheit, sagen die adbusters. kalle lasn hat das damals in "culture jamming" aufgezeigt, wie sehr uns die medien bei den eiern haben.
"cool" sei ein mem wie "coca cola" auch eins ist und es wurde absichtlich in die welt hinausgeschickt um einen keil zwischen die menschen zu treiben.
aber soweit muss man erstmal kommen, dass man das hinterfragt kriegt.
kann das buch sehr empfehlen.
wer sich mit medien kritisch auseinandersetzt, kommt an einem nicht vorbei.
neil postman schreibt zwar vorwiegend über amerikaner, aber die zustände und zusammenhänge gelten für uns auch. denn wir alle sind opfer der informationsüberflutung.
In Gerichtssälen, Klassenzimmern, Operationssälen, Sitzungssälen, Kirchen und selbst im Flugzeug sprechen die Amerikaner nicht miteinander, sie unterhalten einander. Sie tauschen keine Gedanken aus; sie tauschen Bilder aus. Sie argumentieren nicht mit Sätzen; sie argumentieren mit gutem Aussehen, Prominenz und Werbesprüchen.
Die Menschen in Schöne neue Welt leiden nicht daran, daß sie lachen, statt nachzudenken, sondern daran, daß sie nicht wissen, worüber sie lachen und warum sie aufgehört haben, nachzudenken.
und sein vielleicht großartigster satz, den er sich vielleicht bei monty python geborgt hat:
Der Ausdruck «Und jetzt ...» umfaßt das Eingeständnis, daß die von den blitzschnellen elektronischen Medien entworfene Welt keine Ordnung und keine Bedeutung hat und nicht ernst genommen zu werden braucht. Kein Mord ist so brutal, kein Erdbeben so verheerend, kein politischer Fehler so kostspielig, kein Torverhältnis so niederschmetternd, kein Wetterbericht so bedrohlich, daß sie vom Nachrichtensprecher mit seinem «Und jetzt ...» nicht aus unserem Bewußtsein gelöscht werden könnten.
befasst euch mal mehr mit ihm und ihr lernt vielleicht, hier etwas mehr über den tellerrand zu blicken.