Vom Blumenelf zur Synästehsie
22.11.2013 um 00:34Ich weiß nicht so recht in welcher Rubrik ich meinen ersten Thread erstellen soll, da aber Synästhetiker ziemlich normale Menschen sind, versuche ich es einfach mal hier. Ich bitte jedoch darum es nicht nach "Mysterie" zu verschieben.
Als ich klein war und bei meinen Großeltern lebte war für mich völlig klar, dass in allen Blumen Elfen leben die Musik machen. Es gab aber auch Feuerelfen im Ofen die knisterten und silberne Pünktchen mit vielen bunten Linien aussendeten, Baumelfen die melodisch und rostrotgrün summten, Kuhelfen die braungefärbte Wellenlinien mit Posaunen spielten.. und überhaupt, es gab jede Menge Elfen überall. Am liebsten erinnere mich an die Tulpen- und Vergissmeinichtelfen. Die Vergissmeinichtelfen klingelten zart mit vielen Glöckchen, während die Tulpenelfen auf einer Orgel spielten. Fast konnte ich sie auch sehen, fast. Irgendwie waren sie immer gleich weg, wenn ich nachgeschaut hab, aber egal, sie waren da. Schließlich hab ich sie immer gehört und meine Oma hatte mir erklärt, dass diese Musik von Elfen gemacht wird. Als ich dann in die Schule kam und bei meinen Eltern leben musste, wurde mir allmählich klar, dass es für andere Kinder keine Elfen gab. Ich versuchte zunehmend dieses Farbensehen auszublenden, da es mich gelegentlich störte und wie Reizüberflutung wirkte. Wenn man nämlich eine Straße überqueren will und ständig dunkelbraunrote Wellen auf einen zufließen, lange bevor man Fahrzeug sieht. ist das irgendwie hinderlich. Wenn die Turnlehrerin mit ihrer grellpinkfarbenen Stimme kommandiert kann sich das wirklich übel anfühlen.
Nun, irgendwie hab ich versucht mich da so durchzulavieren. ich wollte weder auffallen, noch meine Elfen- und Feenwelt verlassen. Als ich dann mit Begabten-Sonderprüfung studieren durfte war ich mehr als glücklich .. ich fühlte mich endlich in meinem ganz eigenen Leben angekommen und auc h von anderen so angenommen. Zuvor musste ich im Betrieb meines Vaters (nachdem er mich aus dem Gymnasium nahm) eine Ausbildung zur Industriekauffrau machen, was mich todunglücklich gemacht hat. Während des Studiums lernte ich meinen Mann kennen, das genaue Gegenteil von mir, und Jahre später gestand ich ihm, dass ich eigentlich irgendwie einen Dachschaden hab, da ich von Kindesbeinen an Elfen höre, wie sie Musik in Blumen machen. Er, ein absoluter Rationalist, der allerdings einiges ungewöhnliche mit mir erlebt hatte, kam eines Tages mit dem neuesten Spiegel unterm Arm und sagte, hier sind deine Elfen. Der Spiegel-Titel war so weit ich mich erinnere „1 + 2 = grün“. In dem Artikel ging es um Synästhesie. Zunächst war ich wirklich erleichtert, hatte meine „Verrücktheit“ endlich einen Namen .. aber schließlich war ich wirklich mehr als enttäuscht. Es gab also doch keine Elfen! Gemeinheit!
Zwischendurch, das muss ich auch noch erzählen, hab ich natürlich versucht mir das ganze rational zu erklären. Meine Eltern hatten mir berichtet, dass ich mit einem „Kainsmal“ auf der Stirn geboren wurde, einem 2-Markstückgrossem Blutschwämmchen zwischen den Augen. Es muss schrecklich für sie gewesen sein, das erste Kind, nur eine Tochter, und dann auch noch ein Kainsmal auf der Stirn. Also beschlossen sie mich nach Heidelberg in die Uniklinik zu geben um das Kainsmal bestrahlen zu lassen. Laut meiner Eltern war ich da 3 Monate lang und wurde regelmäßig bestrahlt. Irgendwie dachte ich später, da muss irgendwas schief gegangen sein und deshalb höre ich Farben und umgekehrt. Mal abgesehen von dem Trauma, plötzlich von der Mutter getrennt z u sein, alleine in einem Krankenhaus als Baby und dann auch noch das Gehirn bestrahlt .. also, mir war klar, das ist Schuld für meine bekloppten Wahrnehmungen. Geändert haben sie sich trotz meiner Erkenntnisse nicht, es gab nach wie vor Elfen in Blumen und Musik hab ich wohl völlig anders wahrgenommen als die meisten Menschen in meiner Umgebung.
Ich habe Kunst studiert und Design, das war die beste Entscheidung meines Lebens. Als Künstlerin kann man so bekloppt sein, wie man will, keiner wird es einem ankreiden oder irgendwie übelnehmen wenn man „irgendwie anders“ ist .. es wird ja regelrecht erwartet. Für mich war diese Berufswahl wie ein Schutzschirm hinter dem ich mich gut entfalten konnte.
Meine Fragen lauten: Gibt es hier noch mehr Synästhetiker und wie habt ihr eure Kindheit erlebt? Wann wurde euch klar, dass ihr die Welt „irgendwie“ anders wahrnehmt und wie seid ihr damit umgegangen? Hattet ihr Ansprechpartner und wie gingen diese auf euch ein? Habt ihr darunter gelitten, oder es als Bereicherung empfunden? Hat sich das auf eure Berufswahl ausgewirkt, auf euer privates Leben, auf eure Kinder? Habt ihr überhaupt jemals mit euren Kindern darüber gesprochen?
und an alle: was ist mit Worten wie „knallrot“ oder „quietsch bunt“ ? Sind wir nicht alle irgendwie Synästetiker?
Als ich klein war und bei meinen Großeltern lebte war für mich völlig klar, dass in allen Blumen Elfen leben die Musik machen. Es gab aber auch Feuerelfen im Ofen die knisterten und silberne Pünktchen mit vielen bunten Linien aussendeten, Baumelfen die melodisch und rostrotgrün summten, Kuhelfen die braungefärbte Wellenlinien mit Posaunen spielten.. und überhaupt, es gab jede Menge Elfen überall. Am liebsten erinnere mich an die Tulpen- und Vergissmeinichtelfen. Die Vergissmeinichtelfen klingelten zart mit vielen Glöckchen, während die Tulpenelfen auf einer Orgel spielten. Fast konnte ich sie auch sehen, fast. Irgendwie waren sie immer gleich weg, wenn ich nachgeschaut hab, aber egal, sie waren da. Schließlich hab ich sie immer gehört und meine Oma hatte mir erklärt, dass diese Musik von Elfen gemacht wird. Als ich dann in die Schule kam und bei meinen Eltern leben musste, wurde mir allmählich klar, dass es für andere Kinder keine Elfen gab. Ich versuchte zunehmend dieses Farbensehen auszublenden, da es mich gelegentlich störte und wie Reizüberflutung wirkte. Wenn man nämlich eine Straße überqueren will und ständig dunkelbraunrote Wellen auf einen zufließen, lange bevor man Fahrzeug sieht. ist das irgendwie hinderlich. Wenn die Turnlehrerin mit ihrer grellpinkfarbenen Stimme kommandiert kann sich das wirklich übel anfühlen.
Nun, irgendwie hab ich versucht mich da so durchzulavieren. ich wollte weder auffallen, noch meine Elfen- und Feenwelt verlassen. Als ich dann mit Begabten-Sonderprüfung studieren durfte war ich mehr als glücklich .. ich fühlte mich endlich in meinem ganz eigenen Leben angekommen und auc h von anderen so angenommen. Zuvor musste ich im Betrieb meines Vaters (nachdem er mich aus dem Gymnasium nahm) eine Ausbildung zur Industriekauffrau machen, was mich todunglücklich gemacht hat. Während des Studiums lernte ich meinen Mann kennen, das genaue Gegenteil von mir, und Jahre später gestand ich ihm, dass ich eigentlich irgendwie einen Dachschaden hab, da ich von Kindesbeinen an Elfen höre, wie sie Musik in Blumen machen. Er, ein absoluter Rationalist, der allerdings einiges ungewöhnliche mit mir erlebt hatte, kam eines Tages mit dem neuesten Spiegel unterm Arm und sagte, hier sind deine Elfen. Der Spiegel-Titel war so weit ich mich erinnere „1 + 2 = grün“. In dem Artikel ging es um Synästhesie. Zunächst war ich wirklich erleichtert, hatte meine „Verrücktheit“ endlich einen Namen .. aber schließlich war ich wirklich mehr als enttäuscht. Es gab also doch keine Elfen! Gemeinheit!
Zwischendurch, das muss ich auch noch erzählen, hab ich natürlich versucht mir das ganze rational zu erklären. Meine Eltern hatten mir berichtet, dass ich mit einem „Kainsmal“ auf der Stirn geboren wurde, einem 2-Markstückgrossem Blutschwämmchen zwischen den Augen. Es muss schrecklich für sie gewesen sein, das erste Kind, nur eine Tochter, und dann auch noch ein Kainsmal auf der Stirn. Also beschlossen sie mich nach Heidelberg in die Uniklinik zu geben um das Kainsmal bestrahlen zu lassen. Laut meiner Eltern war ich da 3 Monate lang und wurde regelmäßig bestrahlt. Irgendwie dachte ich später, da muss irgendwas schief gegangen sein und deshalb höre ich Farben und umgekehrt. Mal abgesehen von dem Trauma, plötzlich von der Mutter getrennt z u sein, alleine in einem Krankenhaus als Baby und dann auch noch das Gehirn bestrahlt .. also, mir war klar, das ist Schuld für meine bekloppten Wahrnehmungen. Geändert haben sie sich trotz meiner Erkenntnisse nicht, es gab nach wie vor Elfen in Blumen und Musik hab ich wohl völlig anders wahrgenommen als die meisten Menschen in meiner Umgebung.
Ich habe Kunst studiert und Design, das war die beste Entscheidung meines Lebens. Als Künstlerin kann man so bekloppt sein, wie man will, keiner wird es einem ankreiden oder irgendwie übelnehmen wenn man „irgendwie anders“ ist .. es wird ja regelrecht erwartet. Für mich war diese Berufswahl wie ein Schutzschirm hinter dem ich mich gut entfalten konnte.
Meine Fragen lauten: Gibt es hier noch mehr Synästhetiker und wie habt ihr eure Kindheit erlebt? Wann wurde euch klar, dass ihr die Welt „irgendwie“ anders wahrnehmt und wie seid ihr damit umgegangen? Hattet ihr Ansprechpartner und wie gingen diese auf euch ein? Habt ihr darunter gelitten, oder es als Bereicherung empfunden? Hat sich das auf eure Berufswahl ausgewirkt, auf euer privates Leben, auf eure Kinder? Habt ihr überhaupt jemals mit euren Kindern darüber gesprochen?
und an alle: was ist mit Worten wie „knallrot“ oder „quietsch bunt“ ? Sind wir nicht alle irgendwie Synästetiker?