Guardian1988
Diskussionsleiter
Profil anzeigen
Private Nachricht
Link kopieren
Lesezeichen setzen
dabei seit 2010
Profil anzeigen
Private Nachricht
Link kopieren
Lesezeichen setzen
Das bessere Leben: Leben ohne Reichtum erstrebenswerter?
22.10.2013 um 16:30Hallo Leute,
in diesem Thread möchte ich gern diskutieren, auf welche Weise sich Wohlstand in unserer (Konsum-)gesellschaft auf das Befinden auswirkt. Dabei geht es mir nicht um den Reichtum der oberen Zehntausend, sondern eher um das, was man als deutsches Durchschnittseinkommen bezeichnen würde. Dieses liegt nach aktuellen Erhebungen bei 28.950 Euro im Jahr (Brutto). Quelle:http://de.statista.com/themen/293/durchschnittseinkommen/
Auf den ersten Blick scheint die Frage dumm zu sein, wer will schon mit weniger Geld leben? Bei nährerer Betrachtung gibt es meiner Meinung nach jedoch deutliche Hinweise, dass die Lebenszufriedenheit mit zunehmendem Einkommen eher sinkt. Wie ich darauf komme, möchte ich kurz erläutern:
Was im Leben wirklich zählt
Vor Kurzem hörte ich ein Podcast, in dem verschiedene Interviews mit sterbenden Menschen geführt wurden. Es handelte sich dabei um Menschen aller Altersgruppen, deren Tod inzwischen absehbar geworden war (meist aufgrund einer Krankheit).
Es hat sich deutlich herauskristallisiert, dass die meisten Menschen am Ende ihres Lebens einen starken Bezug zu erlebten Erfahrungen aufweisen und materielle Dinge fast nie im Vordergrund stehen. Die überwältigende Mehrheit bereute das Geld, dass sie in Gegenstände inverstiert hatte und hätte sich mehr einzigartige Erlebnisse gewünscht. Damit waren selbstverständlich keine All-Inklusive-Urlaune oder Themenparkbesuche gemeint, sondern meistens ein direkteres/intensiveres Erleben seiner Umgebung.
Ich selbst kann diesen Teil ganz gut nachvollziehen. Vor einigen Jahren lit ich unter Geldproblemen, wollte aber trotzdem nicht auf eine Reise ins Ausland verzichten. Also beschloss ich, alles zu streichen, was nicht unbedingt notwendig war und begann mit meiner Freundin eine Reise durch Irland. Geschlafen haben wir in einem billigen Zelt, der Flug kostete 60 Euro pro Person. Wir wanderten durch die Wälder und Berge und wenn ich heute an diese Zeit zurückdenke, ist meine Erinnerung viel positiver und intensiver als alle Urlaube vorher. Seit dieser Erfahrung gestalten wir alle Reisen nach diesem Prinzip und sind damit sehr glücklich. Wäre ich nicht durch Geldmangel zu dieser Entscheidung gezwungen gewesen, hätte ich ich nie für einen Ausflug ohne Hotel & Co. entschieden.
Die Konsumspirale und das Belohnungszentrum
Die Meisten von euch dürften sich an das erste selbstverdiente Geld erinnern. Zum ersten mal in seinem Leben steht man auf eigenen Füßen.
Üblicherweise beginnt jeder Mensch nach Eintritt in das Berufsleben damit, sich selbst eine Existenz aufzubauen und diese im Laufe der Zeit permanent aufzuwerten. "Aufwerten" bedeutet dabei meist "Ich kaufe mir endlich ein X oder ersetze mein Altes". Für X darf dabei jeder einsetzen, was er möchte.
Bei jedem Kauf wird das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert und wir werden mit Glückshormonen überschüttet. Dieses Gefühl haben die Meisten schon einmal erlebt, sei es beim Kauf eines neuen Smartphones oder bei dem neusten Teil seines Lieblingsspiels. Anfangs ist dieses Gefühl sehr stark, so dass der Wunsch ausgelöst wird, es immer wieder zu erleben.
Wissenschaftler haben allerdings herausgefunden, dass unser Gehirn nach und nach abstumpft und immer größere Erfolge notwendig werden, um den gleichen Effekt zu erzielen. Auch dies dürfte den Wenigsten fremd sein. Für mich war das Zweite Smartphone deutlich unspektakulärer als das Erste - inzwischen ist es eine Selbstverständlichkeit. Wir begeben uns also in eine Abwärtsspirale, in die wir mit zunehmendem Einkommen immer weiter hineingeraten. Ein Fahrrad, Ein Computer, Ein Auto, Ein Haus - die Ansprüche werden immer größer, ohne dass das erlebte Glücksgefühl merklich wächst. Einige Menschen können irgendwann aussteigen und sich ihre Dosis Glückshormone auf andere Weise beschaffen, beispielsweise durch Lebenspartner, Kinder oder eigene Leistungen (Hobbies, Sport, kreative Arbeit).
Einige Menschen verlieren sich jedoch auch in dieser Konsumspirale und haben stets nur den nächsten materiellen Wert vor Augen.
Sind einkommensschwache Menschen weniger gefährdet? Meiner Meinung nach ja, denn unterhalb eines bestimmten Einkommens kommen teure Anschaffungen nur selten in Frage, wobei langfristig das erlebte Belohnungsfgefühl erhalten bleibt. Darüber hinaus wandert die Aufmerksamkeit fast automatisch auf andere Bereiche, in denen sich das "Erfolgsgefühl" kostenlos erleben lässt.
Reichtum lähmt
Es ist eine Tatsache, dass sich Menschen sehr schnell an einen Lebensstandard gewöhnen. Sie können vollkommen glücklich mit einem geringen Einkommen leben, steht jedoch zeitweise mehr Geld zur Verfügung, ist der Abstieg äußerst unangenehm. Dies führt dazu, dass die meisten Menschen ein sehr risikoarmes Leben führen, um ihren erarbeiteten Standard nicht zu gefährden. In einigen Fällen führt dies dazu, dass große Teile der Persönlichkeit nicht ausgelebt werden können, was spätestens im Alter zur Unzufriedenheit führt. Ich kenne Beispiele, in denen Menschen Jahrzehnte lang einen Beruf des Geldes und der Sicherheit wegen gemacht haben, obwohl sie sich eigentlich etwas anderes wünschten. Vor einiger Zeit hörte ich von einem anerkannten, schweizer Chirurgen, der inzwischen als LKW-Fahrer arbeitet. Obwohl er diesen Beruf bereits seit langem Ergreifen wollte, hielten ihn die Angst vor gesellschaftlichem Abstieg und Existenzverlust von dieser Entscheidung ab.
Ich denke, dass es vielen Menschen genauso geht und der Beruf nur selten mehr als "Broterwerb" ist.
Natürlich ist für ein ausfüllendes Leben in unserer Zeit Geld notwendig, doch ist die permanente Jagd nach mehr wirklich in unserem Interesse? Mich interessiert, was ihr dazu zusagen habt. Bitte nehmt es mir nicht übel, wenn ich vor morgen nicht mehr antworte.
Viele Grüße,
Guardian
in diesem Thread möchte ich gern diskutieren, auf welche Weise sich Wohlstand in unserer (Konsum-)gesellschaft auf das Befinden auswirkt. Dabei geht es mir nicht um den Reichtum der oberen Zehntausend, sondern eher um das, was man als deutsches Durchschnittseinkommen bezeichnen würde. Dieses liegt nach aktuellen Erhebungen bei 28.950 Euro im Jahr (Brutto). Quelle:http://de.statista.com/themen/293/durchschnittseinkommen/
Auf den ersten Blick scheint die Frage dumm zu sein, wer will schon mit weniger Geld leben? Bei nährerer Betrachtung gibt es meiner Meinung nach jedoch deutliche Hinweise, dass die Lebenszufriedenheit mit zunehmendem Einkommen eher sinkt. Wie ich darauf komme, möchte ich kurz erläutern:
Was im Leben wirklich zählt
Vor Kurzem hörte ich ein Podcast, in dem verschiedene Interviews mit sterbenden Menschen geführt wurden. Es handelte sich dabei um Menschen aller Altersgruppen, deren Tod inzwischen absehbar geworden war (meist aufgrund einer Krankheit).
Es hat sich deutlich herauskristallisiert, dass die meisten Menschen am Ende ihres Lebens einen starken Bezug zu erlebten Erfahrungen aufweisen und materielle Dinge fast nie im Vordergrund stehen. Die überwältigende Mehrheit bereute das Geld, dass sie in Gegenstände inverstiert hatte und hätte sich mehr einzigartige Erlebnisse gewünscht. Damit waren selbstverständlich keine All-Inklusive-Urlaune oder Themenparkbesuche gemeint, sondern meistens ein direkteres/intensiveres Erleben seiner Umgebung.
Ich selbst kann diesen Teil ganz gut nachvollziehen. Vor einigen Jahren lit ich unter Geldproblemen, wollte aber trotzdem nicht auf eine Reise ins Ausland verzichten. Also beschloss ich, alles zu streichen, was nicht unbedingt notwendig war und begann mit meiner Freundin eine Reise durch Irland. Geschlafen haben wir in einem billigen Zelt, der Flug kostete 60 Euro pro Person. Wir wanderten durch die Wälder und Berge und wenn ich heute an diese Zeit zurückdenke, ist meine Erinnerung viel positiver und intensiver als alle Urlaube vorher. Seit dieser Erfahrung gestalten wir alle Reisen nach diesem Prinzip und sind damit sehr glücklich. Wäre ich nicht durch Geldmangel zu dieser Entscheidung gezwungen gewesen, hätte ich ich nie für einen Ausflug ohne Hotel & Co. entschieden.
Die Konsumspirale und das Belohnungszentrum
Die Meisten von euch dürften sich an das erste selbstverdiente Geld erinnern. Zum ersten mal in seinem Leben steht man auf eigenen Füßen.
Üblicherweise beginnt jeder Mensch nach Eintritt in das Berufsleben damit, sich selbst eine Existenz aufzubauen und diese im Laufe der Zeit permanent aufzuwerten. "Aufwerten" bedeutet dabei meist "Ich kaufe mir endlich ein X oder ersetze mein Altes". Für X darf dabei jeder einsetzen, was er möchte.
Bei jedem Kauf wird das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert und wir werden mit Glückshormonen überschüttet. Dieses Gefühl haben die Meisten schon einmal erlebt, sei es beim Kauf eines neuen Smartphones oder bei dem neusten Teil seines Lieblingsspiels. Anfangs ist dieses Gefühl sehr stark, so dass der Wunsch ausgelöst wird, es immer wieder zu erleben.
Wissenschaftler haben allerdings herausgefunden, dass unser Gehirn nach und nach abstumpft und immer größere Erfolge notwendig werden, um den gleichen Effekt zu erzielen. Auch dies dürfte den Wenigsten fremd sein. Für mich war das Zweite Smartphone deutlich unspektakulärer als das Erste - inzwischen ist es eine Selbstverständlichkeit. Wir begeben uns also in eine Abwärtsspirale, in die wir mit zunehmendem Einkommen immer weiter hineingeraten. Ein Fahrrad, Ein Computer, Ein Auto, Ein Haus - die Ansprüche werden immer größer, ohne dass das erlebte Glücksgefühl merklich wächst. Einige Menschen können irgendwann aussteigen und sich ihre Dosis Glückshormone auf andere Weise beschaffen, beispielsweise durch Lebenspartner, Kinder oder eigene Leistungen (Hobbies, Sport, kreative Arbeit).
Einige Menschen verlieren sich jedoch auch in dieser Konsumspirale und haben stets nur den nächsten materiellen Wert vor Augen.
Sind einkommensschwache Menschen weniger gefährdet? Meiner Meinung nach ja, denn unterhalb eines bestimmten Einkommens kommen teure Anschaffungen nur selten in Frage, wobei langfristig das erlebte Belohnungsfgefühl erhalten bleibt. Darüber hinaus wandert die Aufmerksamkeit fast automatisch auf andere Bereiche, in denen sich das "Erfolgsgefühl" kostenlos erleben lässt.
Reichtum lähmt
Es ist eine Tatsache, dass sich Menschen sehr schnell an einen Lebensstandard gewöhnen. Sie können vollkommen glücklich mit einem geringen Einkommen leben, steht jedoch zeitweise mehr Geld zur Verfügung, ist der Abstieg äußerst unangenehm. Dies führt dazu, dass die meisten Menschen ein sehr risikoarmes Leben führen, um ihren erarbeiteten Standard nicht zu gefährden. In einigen Fällen führt dies dazu, dass große Teile der Persönlichkeit nicht ausgelebt werden können, was spätestens im Alter zur Unzufriedenheit führt. Ich kenne Beispiele, in denen Menschen Jahrzehnte lang einen Beruf des Geldes und der Sicherheit wegen gemacht haben, obwohl sie sich eigentlich etwas anderes wünschten. Vor einiger Zeit hörte ich von einem anerkannten, schweizer Chirurgen, der inzwischen als LKW-Fahrer arbeitet. Obwohl er diesen Beruf bereits seit langem Ergreifen wollte, hielten ihn die Angst vor gesellschaftlichem Abstieg und Existenzverlust von dieser Entscheidung ab.
Ich denke, dass es vielen Menschen genauso geht und der Beruf nur selten mehr als "Broterwerb" ist.
Natürlich ist für ein ausfüllendes Leben in unserer Zeit Geld notwendig, doch ist die permanente Jagd nach mehr wirklich in unserem Interesse? Mich interessiert, was ihr dazu zusagen habt. Bitte nehmt es mir nicht übel, wenn ich vor morgen nicht mehr antworte.
Viele Grüße,
Guardian