Medizinwahn! Wie weit denn noch?
19.02.2009 um 15:13Neunjähriger entwickelt Tumore nach Stammzelltherapie
Von Heike Le Ker
Gefährlicher Versuch: Obwohl Forscher nicht wissen, welche Risiken embryonale Stammzellen bergen, hat ein israelisches Paar sein schwerkrankes Kind damit behandeln lassen. Vier Jahre später entwickelt es Tumore in Kopf und Rückenmark. Die gehen sicher auf die Stammzellen zurück, meinen Ärzte.
Die traurige Geschichte spielt sich zwischen Tel Aviv und Moskau ab. Ein neunjähriger Junge aus Israel hat eine seltene Erkrankung, das sogenannte Louis-Bar-Syndrom. Weil eines seiner Gene mutiert ist, schwindet die Substanz seines Kleinhirns langsam, er kann seine Bewegungen nicht mehr richtig koordinieren, Gehen fällt ihm schwer. Älter als 20 Jahre wird er ohne Therapie kaum werden.
STAMMZELLTHERAPIE: JUNGE ENTWICKELT TUMORE
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Eine ursächliche Therapie gibt es nicht, im Vordergrund bei der Behandlung steht, das Immunsystem zu stärken. Dafür erhalten die Betroffenen sogenannte Immunglobuline, die die unzureichende Antikörperproduktion ausgleichen sollen.
Die verzweifelten Eltern des Jungen entscheiden sich angesichts dieser Situation zu einem fragwürdigen Experiment: Mit ihrem Sohn reisen sie 2001 nach Russland und lassen ihm embryonale Stammzellen in Gehirn und Hirnflüssigkeit spritzen. Ein und drei Jahre später wiederholen die Moskauer Ärzte die Prozedur, die verhindern soll, dass die Krankheit fortschreitet.
Gegen die Empfehlung der israelischen Ärzte: "Ich wusste schon vorher von dem Wunsch der Eltern, und habe ihnen immer wieder eindringlich davon abgeraten", sagt Gideon Rechavi, Direktor des Krebsforschungszentrums am Sheba Medical Center in Tel Aviv. Auch haben die israelischen Ärzte keine Ahnung, unter welchen Bedingungen die Therapie in Russland stattfand und ob es eine Ethikkommission gab - vergeblich hatten sie versucht, Kontakt zu den Ärzten in Moskau zu bekommen.
"Damals wie heute halte ich so einen Versuch für zu gefährlich, weil die transplantierten Zellen entarten können", beurteilt Rechavi die fragwürdige Therapie. Doch die Eltern ließen sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen.
Was die Ärzte befürchten, tritt ein: Als der Junge 13 Jahre alt ist, bekommt er Kopfschmerzen. Im Sheba Krankenhaus in Tel Aviv schieben die Mediziner ihn in einen Kernspintomografen und entdecken Tumore in seinem Kopf sowie am unteren Ende des Rückenmarks. Sie schneiden die Wucherung am Rückenmark heraus und untersuchen das Zellmaterial: Der Tumor ist aus den Stammzellen entstanden, so ihre niederschmetternde Folgerung.
STAMMZELLEN - DIE ZELLULÄREN MULTITALENTEEmbryonale Stammzellen (ES)
DPASie gelten als die zellulären Alleskönner: Reift eine befruchtete Eizelle zu einer Blastozyste, einem kleinen Zellklumpen, heran, entsteht in deren Inneren eine Masse aus embryonalen Stammzellen. Die noch nicht differenzierten Stammzellen können sich zu jeder Zellart des menschlichen Körpers entwickeln. Voraussetzung ist, dass sie mit den richtigen Wachstumsfaktoren behandelt werden.
Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS)
Körperzellen einfach in Stammzellen umprogrammieren - das gelang Forschern durch das Einschleusen ganz bestimmter Steuerungs-Gene. Aus den dabei entstandenen maßgeschneiderten Stammzellen züchteten sie erfolgreich verschiedene Körperzellen. Diese Methode ist nicht nur elegant, sondern auch ethisch unbedenklich, da dabei kein Embryo hergestellt und zerstört wird. Allerdings birgt die Methode noch Risiken, weil für das Einschleusen der Gene Viren benötigt werden, die ihrerseits ihr Erbgut in die Zellen einbauen.
Adulte Stammzellen
Nicht nur Embryonen sind eine Quelle der Zellen, aus denen sich verschiedene Arten menschlichen Gewebes entwickeln können. In etwa 20 Organen inklusive der Muskeln, der Knochen, der Haut, der Plazenta und des Nervensystems haben Forscher adulte Stammzellen aufgespürt. Sie besitzen zwar nicht die volle Wandlungsfähigkeit der embryonalen Stammzellen, bereiten aber auch keine ethischen Probleme: Einem Erwachsenen werden die adulten Stammzellen einfach entnommen und in Zellkulturen durch Zugabe entsprechender Wachstumsfaktoren so umprogrammiert, dass sie zu den gewünschten Gewebearten heranreifen.
Ethik und Recht
Die Stammzellforschung birgt ethische Konflikte. Embryonale Stammzellen werden aus Embryonen gewonnen, die entweder eigens hergestellt werden oder bei künstlichen Befruchtungen übriggeblieben sind. Dabei wird der Embryo zerstört. Die Argumentation der Befürworter: Die Embryonen würden ohnehin vernichtet. Kritiker sprechen dagegen von der Tötung ungeborenen Lebens.
In Deutschland ist das Herstellen menschlicher Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen verboten. In Ausnahmefällen erlaubt das Gesetz aber den Import von Stammzellen, die vor dem 1. Mai 2007 hergestellt wurden. In Großbritannien und Südkorea ist das therapeutische Klonen ausdrücklich erlaubt, ebenso in den USA.
Was Wissenschaftler rund um den Globus schon lange befürchten, ist bei dem israelischen Jungen offenbar eingetreten: Weil sich embryonale Stammzellen in alle Gewebearten weiterentwickeln können - und deshalb oft als Alleskönner bezeichnet werden - bergen sie auch die Gefahr einer bösartigen Wucherung. "Diese Nebenwirkung konnte man im Prinzip erwarten", sagt Axel Zander, Direktor der Klinik für Stammzelltransplantation am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf. "Für die therapeutische Anwendung von embryonalen Stammzellen am Patienten ist es noch viel zu früh."
In Deutschland wäre ein solcher Vorgang undenkbar, weil der Einsatz embryonaler Stammzellen zu Therapiezwecken nicht erlaubt ist. An anderen Orten der Welt ist das anders, wenngleich embryonale Stammzellen auch dort nur unter kontrollierten Studienbedingungen verwendet werden dürfen.
So hatte erst kürzlich die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA dem Biotech-Unternehmen Geron genehmigt, dieses Jahr einen Versuch mit embryonalen Stammzellen bei zehn Querschnittsgelähmten zu beginnen. Diese Studie soll vor allem dem Zweck dienen, die Sicherheit der Zellen zu überwachen.
Als der israelische Junge therapiert wurde, lagen solche Ergebnisse noch nicht vor. Er leidet offenbar unter einem relativ gutartigen Tumor, der langsam wächst, berichten Rechavi und seine Kollegin Ninette Amariglio in der Online-Fachzeitschrift "PLoS Medicine". Das von ihnen untersuchte Gewebe war ein buntes Gemisch aus unterschiedlichen Komponenten: Nervenzellen fanden sich darin und Stützgewebe - und Zellen von mindestens zwei Spendern. Bei der Chromosomenanalyse entdeckten die Wissenschaftler sogar: Sie stammten von einem männlichen und einem weiblichen Spender.
Wegen verzweifelter Familiensituation vorgeprescht?
Obwohl die Ärzte die Geschwulst im Gehirn bislang nicht entfernt haben - der Tumor sitzt an einer schwer erreichbaren Stelle und wächst eben nur langsam - glauben sie, dass auch er auf die Stammzellen zurückgeht. Ihrer Theorie nach könnte der Junge auch deshalb Krebszellen entwickelt haben, weil seine Grunderkrankung das Immunsystem schwächt. Beim Louis-Bar-Syndrom sind die für die Abwehr wichtigen T-Lymphozyten geschwächt. Die Kinder infizieren sich daher schneller mit Viren und Bakterien und entwickeln auch häufiger Leukämien.
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Stammzellen embryonale Stammzellen adulte Stammzellen Tumor Krebs (Medizin) Leukämie Geron T- Lymphozyt Louis- Bar- Syndrom
zu SPIEGEL WISSEN Deutlich wird durch den Fall des Jungen in Israel aber vor allem eines: Die Wissenschaft weiß noch lange nicht genug über embryonale Stammzellen, um sie für eine Therapie beim Menschen einzusetzen. "Aus Tierversuchen mit embryonalen Stammzellen ist bekannt, dass sie Krebs auslösen können", erklärt Axel Zander in Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Bei der Behandlung in Moskau sei man da möglicherweise vor dem Hintergrund einer verzweifelten Familiensituation vorgeprescht. "Bis zu einer sicheren Anwendung brauchen wir noch 10, vielleicht 20 Jahre und vor allem viele wissenschaftliche Untersuchungen", so Zander. Das sehen auch die Eltern des Jungen mittlerweile so. Laut Rechavi bereuen sie ihre Entscheidung von damals.
Die israelischen Krebsforscher fordern in ihrem Bericht, die Sicherheit von embryonalen Stammzellen zunächst genauer in Zellkulturen und in Tierversuchen zu überprüfen. "Unsere Ergebnisse legen jedoch nicht nahe, dass man die therapeutische Anwendung von Stammzellen aufgeben soll", schreiben die Autoren in "PLoS Medicine". Dem stimmt auch Zander zu: "Würden nicht embryonale sondern adulte Stammzellen eingesetzt werden, wäre das Risiko für eine Tumorentstehung nach den bisherigen Erkenntnissen deutlich geringer."
Ob die Stammzelltherapie dem israelischen Jungen geholfen hat, diskutieren die Ärzte in dem Artikel nicht. "Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Stammzellen dem Jungen in irgendeiner Form geholfen haben", so Rechavi. "Die Krankheit ist weiter fortgeschritten und der Tumor im Kopf weiter gewachsen." Als er mit 13 Jahren erstmals über die Kopfschmerzen klagte, war seine Intelligenz nicht eingeschränkt und er besuchte motiviert die Schule. Obwohl der Tumor im Kopf seine Größe mittlerweile verdoppelt hat, warten die Ärzte in Tel Aviv weiter ab. Eine Bestrahlung wäre für den immungeschwächten Jungen zu gefährlich.
Erschaffen Mediziner humanoide Pseudo-Außerirdische?
Von Heike Le Ker
Gefährlicher Versuch: Obwohl Forscher nicht wissen, welche Risiken embryonale Stammzellen bergen, hat ein israelisches Paar sein schwerkrankes Kind damit behandeln lassen. Vier Jahre später entwickelt es Tumore in Kopf und Rückenmark. Die gehen sicher auf die Stammzellen zurück, meinen Ärzte.
Die traurige Geschichte spielt sich zwischen Tel Aviv und Moskau ab. Ein neunjähriger Junge aus Israel hat eine seltene Erkrankung, das sogenannte Louis-Bar-Syndrom. Weil eines seiner Gene mutiert ist, schwindet die Substanz seines Kleinhirns langsam, er kann seine Bewegungen nicht mehr richtig koordinieren, Gehen fällt ihm schwer. Älter als 20 Jahre wird er ohne Therapie kaum werden.
STAMMZELLTHERAPIE: JUNGE ENTWICKELT TUMORE
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Eine ursächliche Therapie gibt es nicht, im Vordergrund bei der Behandlung steht, das Immunsystem zu stärken. Dafür erhalten die Betroffenen sogenannte Immunglobuline, die die unzureichende Antikörperproduktion ausgleichen sollen.
Die verzweifelten Eltern des Jungen entscheiden sich angesichts dieser Situation zu einem fragwürdigen Experiment: Mit ihrem Sohn reisen sie 2001 nach Russland und lassen ihm embryonale Stammzellen in Gehirn und Hirnflüssigkeit spritzen. Ein und drei Jahre später wiederholen die Moskauer Ärzte die Prozedur, die verhindern soll, dass die Krankheit fortschreitet.
Gegen die Empfehlung der israelischen Ärzte: "Ich wusste schon vorher von dem Wunsch der Eltern, und habe ihnen immer wieder eindringlich davon abgeraten", sagt Gideon Rechavi, Direktor des Krebsforschungszentrums am Sheba Medical Center in Tel Aviv. Auch haben die israelischen Ärzte keine Ahnung, unter welchen Bedingungen die Therapie in Russland stattfand und ob es eine Ethikkommission gab - vergeblich hatten sie versucht, Kontakt zu den Ärzten in Moskau zu bekommen.
"Damals wie heute halte ich so einen Versuch für zu gefährlich, weil die transplantierten Zellen entarten können", beurteilt Rechavi die fragwürdige Therapie. Doch die Eltern ließen sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen.
Was die Ärzte befürchten, tritt ein: Als der Junge 13 Jahre alt ist, bekommt er Kopfschmerzen. Im Sheba Krankenhaus in Tel Aviv schieben die Mediziner ihn in einen Kernspintomografen und entdecken Tumore in seinem Kopf sowie am unteren Ende des Rückenmarks. Sie schneiden die Wucherung am Rückenmark heraus und untersuchen das Zellmaterial: Der Tumor ist aus den Stammzellen entstanden, so ihre niederschmetternde Folgerung.
STAMMZELLEN - DIE ZELLULÄREN MULTITALENTEEmbryonale Stammzellen (ES)
DPASie gelten als die zellulären Alleskönner: Reift eine befruchtete Eizelle zu einer Blastozyste, einem kleinen Zellklumpen, heran, entsteht in deren Inneren eine Masse aus embryonalen Stammzellen. Die noch nicht differenzierten Stammzellen können sich zu jeder Zellart des menschlichen Körpers entwickeln. Voraussetzung ist, dass sie mit den richtigen Wachstumsfaktoren behandelt werden.
Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS)
Körperzellen einfach in Stammzellen umprogrammieren - das gelang Forschern durch das Einschleusen ganz bestimmter Steuerungs-Gene. Aus den dabei entstandenen maßgeschneiderten Stammzellen züchteten sie erfolgreich verschiedene Körperzellen. Diese Methode ist nicht nur elegant, sondern auch ethisch unbedenklich, da dabei kein Embryo hergestellt und zerstört wird. Allerdings birgt die Methode noch Risiken, weil für das Einschleusen der Gene Viren benötigt werden, die ihrerseits ihr Erbgut in die Zellen einbauen.
Adulte Stammzellen
Nicht nur Embryonen sind eine Quelle der Zellen, aus denen sich verschiedene Arten menschlichen Gewebes entwickeln können. In etwa 20 Organen inklusive der Muskeln, der Knochen, der Haut, der Plazenta und des Nervensystems haben Forscher adulte Stammzellen aufgespürt. Sie besitzen zwar nicht die volle Wandlungsfähigkeit der embryonalen Stammzellen, bereiten aber auch keine ethischen Probleme: Einem Erwachsenen werden die adulten Stammzellen einfach entnommen und in Zellkulturen durch Zugabe entsprechender Wachstumsfaktoren so umprogrammiert, dass sie zu den gewünschten Gewebearten heranreifen.
Ethik und Recht
Die Stammzellforschung birgt ethische Konflikte. Embryonale Stammzellen werden aus Embryonen gewonnen, die entweder eigens hergestellt werden oder bei künstlichen Befruchtungen übriggeblieben sind. Dabei wird der Embryo zerstört. Die Argumentation der Befürworter: Die Embryonen würden ohnehin vernichtet. Kritiker sprechen dagegen von der Tötung ungeborenen Lebens.
In Deutschland ist das Herstellen menschlicher Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen verboten. In Ausnahmefällen erlaubt das Gesetz aber den Import von Stammzellen, die vor dem 1. Mai 2007 hergestellt wurden. In Großbritannien und Südkorea ist das therapeutische Klonen ausdrücklich erlaubt, ebenso in den USA.
Was Wissenschaftler rund um den Globus schon lange befürchten, ist bei dem israelischen Jungen offenbar eingetreten: Weil sich embryonale Stammzellen in alle Gewebearten weiterentwickeln können - und deshalb oft als Alleskönner bezeichnet werden - bergen sie auch die Gefahr einer bösartigen Wucherung. "Diese Nebenwirkung konnte man im Prinzip erwarten", sagt Axel Zander, Direktor der Klinik für Stammzelltransplantation am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf. "Für die therapeutische Anwendung von embryonalen Stammzellen am Patienten ist es noch viel zu früh."
In Deutschland wäre ein solcher Vorgang undenkbar, weil der Einsatz embryonaler Stammzellen zu Therapiezwecken nicht erlaubt ist. An anderen Orten der Welt ist das anders, wenngleich embryonale Stammzellen auch dort nur unter kontrollierten Studienbedingungen verwendet werden dürfen.
So hatte erst kürzlich die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA dem Biotech-Unternehmen Geron genehmigt, dieses Jahr einen Versuch mit embryonalen Stammzellen bei zehn Querschnittsgelähmten zu beginnen. Diese Studie soll vor allem dem Zweck dienen, die Sicherheit der Zellen zu überwachen.
Als der israelische Junge therapiert wurde, lagen solche Ergebnisse noch nicht vor. Er leidet offenbar unter einem relativ gutartigen Tumor, der langsam wächst, berichten Rechavi und seine Kollegin Ninette Amariglio in der Online-Fachzeitschrift "PLoS Medicine". Das von ihnen untersuchte Gewebe war ein buntes Gemisch aus unterschiedlichen Komponenten: Nervenzellen fanden sich darin und Stützgewebe - und Zellen von mindestens zwei Spendern. Bei der Chromosomenanalyse entdeckten die Wissenschaftler sogar: Sie stammten von einem männlichen und einem weiblichen Spender.
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Obwohl die Ärzte die Geschwulst im Gehirn bislang nicht entfernt haben - der Tumor sitzt an einer schwer erreichbaren Stelle und wächst eben nur langsam - glauben sie, dass auch er auf die Stammzellen zurückgeht. Ihrer Theorie nach könnte der Junge auch deshalb Krebszellen entwickelt haben, weil seine Grunderkrankung das Immunsystem schwächt. Beim Louis-Bar-Syndrom sind die für die Abwehr wichtigen T-Lymphozyten geschwächt. Die Kinder infizieren sich daher schneller mit Viren und Bakterien und entwickeln auch häufiger Leukämien.
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Stammzellen embryonale Stammzellen adulte Stammzellen Tumor Krebs (Medizin) Leukämie Geron T- Lymphozyt Louis- Bar- Syndrom
zu SPIEGEL WISSEN Deutlich wird durch den Fall des Jungen in Israel aber vor allem eines: Die Wissenschaft weiß noch lange nicht genug über embryonale Stammzellen, um sie für eine Therapie beim Menschen einzusetzen. "Aus Tierversuchen mit embryonalen Stammzellen ist bekannt, dass sie Krebs auslösen können", erklärt Axel Zander in Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Bei der Behandlung in Moskau sei man da möglicherweise vor dem Hintergrund einer verzweifelten Familiensituation vorgeprescht. "Bis zu einer sicheren Anwendung brauchen wir noch 10, vielleicht 20 Jahre und vor allem viele wissenschaftliche Untersuchungen", so Zander. Das sehen auch die Eltern des Jungen mittlerweile so. Laut Rechavi bereuen sie ihre Entscheidung von damals.
Die israelischen Krebsforscher fordern in ihrem Bericht, die Sicherheit von embryonalen Stammzellen zunächst genauer in Zellkulturen und in Tierversuchen zu überprüfen. "Unsere Ergebnisse legen jedoch nicht nahe, dass man die therapeutische Anwendung von Stammzellen aufgeben soll", schreiben die Autoren in "PLoS Medicine". Dem stimmt auch Zander zu: "Würden nicht embryonale sondern adulte Stammzellen eingesetzt werden, wäre das Risiko für eine Tumorentstehung nach den bisherigen Erkenntnissen deutlich geringer."
Ob die Stammzelltherapie dem israelischen Jungen geholfen hat, diskutieren die Ärzte in dem Artikel nicht. "Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Stammzellen dem Jungen in irgendeiner Form geholfen haben", so Rechavi. "Die Krankheit ist weiter fortgeschritten und der Tumor im Kopf weiter gewachsen." Als er mit 13 Jahren erstmals über die Kopfschmerzen klagte, war seine Intelligenz nicht eingeschränkt und er besuchte motiviert die Schule. Obwohl der Tumor im Kopf seine Größe mittlerweile verdoppelt hat, warten die Ärzte in Tel Aviv weiter ab. Eine Bestrahlung wäre für den immungeschwächten Jungen zu gefährlich.
Erschaffen Mediziner humanoide Pseudo-Außerirdische?