Fünf Geschwister bewegen sich nur auf allen Vieren fort
08.03.2006 um 00:46WoooooP....
Oder haben diese aliens ein problem mit unserer schwerkraft?
Auf gehts!
Story:
Wie Vierbeiner, auf Händen und Füßen,bewegen sich die Kinder einer kurdischen Familie fort. Ein Gendefekt nahm ihnen offenbardie Fähigkeit zum aufrechten Gang: Und er zeigt Wissenschaftlern, wie die Vorfahren desMenschen sich fortbewegt haben.
Während seine drei Schwestern Safiye, Senem undAmosh meist vor der Hütte ihrer Eltern verbringen, zieht es den 28-jährigen Huseyin insDorf - auf allen Vieren. Insgesamt sieben Kinder einer kurdischen Familie in derSüdtürkei bewegen sich vorzugsweise auf Händen und Füßen zugleich voran. Allein auf ihrenBeinen können fünf der Betroffenen überhaupt nicht laufen.
Die Familieverblüfft Wissenschaftler seit der zufälligen Entdeckung des Falles im vorletzten Sommer- und stellt sie zugleich vor die Frage: Was fehlt den Auf-allen-Vieren-Gehern? Zeigtsich hier, wie die Vorfahren des Menschen sich vor der Entwicklung des aufrechten Gangsvor mehr als drei Millionen Jahren fortbewegt haben? Oder handelt es sich schlicht umeine Marotte?
"Ich habe das auch für einen Fake gehalten, als ich zuerst davongehört habe", sagt Stefan Mundlos, Genetiker am Berliner Universitätsklinikum Charité undam Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin. Doch es war kein "Fake", nichtvorgetäuscht oder übertrieben. Mundlos hat mit einer Gruppe von Medizinern und Genetikernaus Berlin, München und dem türkischen Adana das Erbmaterial der Familie untersucht, umhinter das Geheimnis des Vierbeiner-Gangs zu kommen. Das berichten sie in einem Beitragfür das "Journal of Medical Genetics" (Online-Vorabveröffentlichung), der in einer dernächsten Ausgaben erscheinen soll.
Dass eine solche Art vierfüßiger Fortbewegungbei Menschen überhaupt existiert, verblüfft die Experten. "Physiologisch ist es möglich,was niemand vom Skelettbau moderner Menschen her erwartet hätte", sagte NicholasHumphrey, Evolutionspsychologe von der London School of Economics, der Zeitung "Times".Die Geschwister könnten sich geschickt und effizient auf allen Vieren fortbewegen,berichtet Stefan Mundlos SPIEGEL ONLINE: "Die haben an den Händen mehr Hornhaut als ichan den Füßen. Schließlich laufen sie über Stock und Stein damit."
Genkartierungzeigt Schaden auf Chromoson 17
Vordergründig ist ein Hirnschaden der Grund fürdie seltsame Fortbewegung. Die Kinder der Familie haben Verkümmerungen im Stammhirn undsind mental zurückgeblieben. Eine Kartierung der DNA aller Familienmitglieder zeigtezweierlei, so Mundlos: Die Erkrankung ist genetisch bedingt und sie wird rezessivvererbt, muss also von beiden Eltern an die Nachkommen weitergegeben werden. "Alle Kindersind von dem Hirndefekt betroffen", berichtet Mundlos. Doch bei den übrigen Geschwisternsei dieser weit weniger ausgeprägt als bei den sieben Vierfüßlern.
Die Elternder Kinder sind eng miteinander verwandt. In der abgeschiedenen, ländlichen Gegend ist esdurchaus üblich, dass Cousins und Cousinen miteinander verheiratet werden. Elternschaftin enger Verwandtschaft ist ein begünstigender Faktor für Erbkrankheiten. Die BerlinerForscher grenzten die genetische Ursache ein: Auf dem Chromoson 17 sitzt das schadhaftveränderte Gen, das für die Vierfüßler-Krankheit verantwortlich ist. "So etwas ist extremselten, das ist vorher noch nie beschrieben worden", sagt Mundlos.
Aufschlussüber Fortbewegung vor aufrechtem Gang
Die türkischen Geschwister könnten derWissenschaft einen Blick in evolutionär längst vergangene Zeiten eröffnen: Sie laufen,anders als etwa Gorillas oder Schimpansen, nicht auf den Fingerknöcheln, sondern auf denHandballen. Die ungewöhnlich nach oben abgespreizten Finger werden so geschont.Anthropologen hatten vermutet, dass die Vorfahren des Menschen so ihre empfindlichenFinger für feinere Tätigkeiten unbeschadet hielten. Auch die betroffenen Geschwisterkönnen ihre Finger für motorisch anspruchsvollere Tätigkeiten einsetzen, wie dieWissenschaftler beobachtet haben.
Nun ist umstritten, wie zwingend diese Formder Fortbewegung bei Safiye, Senem, Amosh, Huseyin und ihren Geschwistern ist:Evolutionspsychologe Humphrey gibt zu bedenken, dass auch soziale und psychologischeFaktoren zu diesem Verhalten beigetragen haben.
Genetiker Mundlos sieht bei denGeschwistern einen Atavismus. "Dabei führt ein Gendefekt dazu, dass Eigenschaften wiederauftreten, die in früheren evolutionären Phasen vorhanden waren, im Laufe der Entwicklungaber verschwunden sind", sagt er. Beispiele für solche Rückentwicklungen seien Pferde mitmehreren Fingern statt nur eines Hufs und Menschen mit mehr als zwei Brustwarzen. DieKonsequenz daraus wäre, dass bei den Vierfüßler-Geschwistern ein Defekt im Erbgut einverschüttetes Verhaltensmuster zum Vorschein gebracht hat. "Wie immer es dazu kam, hierhaben wir erwachsene Menschen, die sich bewegen, wie unsere Vorfahren vor mehrerenMillionen Jahren", sagt Nicholas Humphrey.
Das Team um Stefan Mundlos erforschtderzeit, an welchen Stellen genau auf dem Chromoson 17 sich Gene verändert haben. Erwarnt aber vor der Suche nach zu einfachen Kausalbeziehungen für den Vierfüßler-Gang:"Das sind alles komplexe Eigenschaften, die nicht von einem Gen bestimmt werden. Man kannnicht mit einem einzigen Gen 20 Millionen Jahre Evolution rückgängig machen." Allerdingsscheine es Schlüsselstellen zu geben, an denen kleine Veränderungen großeRückwärtsentwicklungen bewirkten.
source:http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,404748,00.html
Oder haben diese aliens ein problem mit unserer schwerkraft?
Auf gehts!
Story:
Wie Vierbeiner, auf Händen und Füßen,bewegen sich die Kinder einer kurdischen Familie fort. Ein Gendefekt nahm ihnen offenbardie Fähigkeit zum aufrechten Gang: Und er zeigt Wissenschaftlern, wie die Vorfahren desMenschen sich fortbewegt haben.
Während seine drei Schwestern Safiye, Senem undAmosh meist vor der Hütte ihrer Eltern verbringen, zieht es den 28-jährigen Huseyin insDorf - auf allen Vieren. Insgesamt sieben Kinder einer kurdischen Familie in derSüdtürkei bewegen sich vorzugsweise auf Händen und Füßen zugleich voran. Allein auf ihrenBeinen können fünf der Betroffenen überhaupt nicht laufen.
Die Familieverblüfft Wissenschaftler seit der zufälligen Entdeckung des Falles im vorletzten Sommer- und stellt sie zugleich vor die Frage: Was fehlt den Auf-allen-Vieren-Gehern? Zeigtsich hier, wie die Vorfahren des Menschen sich vor der Entwicklung des aufrechten Gangsvor mehr als drei Millionen Jahren fortbewegt haben? Oder handelt es sich schlicht umeine Marotte?
"Ich habe das auch für einen Fake gehalten, als ich zuerst davongehört habe", sagt Stefan Mundlos, Genetiker am Berliner Universitätsklinikum Charité undam Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin. Doch es war kein "Fake", nichtvorgetäuscht oder übertrieben. Mundlos hat mit einer Gruppe von Medizinern und Genetikernaus Berlin, München und dem türkischen Adana das Erbmaterial der Familie untersucht, umhinter das Geheimnis des Vierbeiner-Gangs zu kommen. Das berichten sie in einem Beitragfür das "Journal of Medical Genetics" (Online-Vorabveröffentlichung), der in einer dernächsten Ausgaben erscheinen soll.
Dass eine solche Art vierfüßiger Fortbewegungbei Menschen überhaupt existiert, verblüfft die Experten. "Physiologisch ist es möglich,was niemand vom Skelettbau moderner Menschen her erwartet hätte", sagte NicholasHumphrey, Evolutionspsychologe von der London School of Economics, der Zeitung "Times".Die Geschwister könnten sich geschickt und effizient auf allen Vieren fortbewegen,berichtet Stefan Mundlos SPIEGEL ONLINE: "Die haben an den Händen mehr Hornhaut als ichan den Füßen. Schließlich laufen sie über Stock und Stein damit."
Genkartierungzeigt Schaden auf Chromoson 17
Vordergründig ist ein Hirnschaden der Grund fürdie seltsame Fortbewegung. Die Kinder der Familie haben Verkümmerungen im Stammhirn undsind mental zurückgeblieben. Eine Kartierung der DNA aller Familienmitglieder zeigtezweierlei, so Mundlos: Die Erkrankung ist genetisch bedingt und sie wird rezessivvererbt, muss also von beiden Eltern an die Nachkommen weitergegeben werden. "Alle Kindersind von dem Hirndefekt betroffen", berichtet Mundlos. Doch bei den übrigen Geschwisternsei dieser weit weniger ausgeprägt als bei den sieben Vierfüßlern.
Die Elternder Kinder sind eng miteinander verwandt. In der abgeschiedenen, ländlichen Gegend ist esdurchaus üblich, dass Cousins und Cousinen miteinander verheiratet werden. Elternschaftin enger Verwandtschaft ist ein begünstigender Faktor für Erbkrankheiten. Die BerlinerForscher grenzten die genetische Ursache ein: Auf dem Chromoson 17 sitzt das schadhaftveränderte Gen, das für die Vierfüßler-Krankheit verantwortlich ist. "So etwas ist extremselten, das ist vorher noch nie beschrieben worden", sagt Mundlos.
Aufschlussüber Fortbewegung vor aufrechtem Gang
Die türkischen Geschwister könnten derWissenschaft einen Blick in evolutionär längst vergangene Zeiten eröffnen: Sie laufen,anders als etwa Gorillas oder Schimpansen, nicht auf den Fingerknöcheln, sondern auf denHandballen. Die ungewöhnlich nach oben abgespreizten Finger werden so geschont.Anthropologen hatten vermutet, dass die Vorfahren des Menschen so ihre empfindlichenFinger für feinere Tätigkeiten unbeschadet hielten. Auch die betroffenen Geschwisterkönnen ihre Finger für motorisch anspruchsvollere Tätigkeiten einsetzen, wie dieWissenschaftler beobachtet haben.
Nun ist umstritten, wie zwingend diese Formder Fortbewegung bei Safiye, Senem, Amosh, Huseyin und ihren Geschwistern ist:Evolutionspsychologe Humphrey gibt zu bedenken, dass auch soziale und psychologischeFaktoren zu diesem Verhalten beigetragen haben.
Genetiker Mundlos sieht bei denGeschwistern einen Atavismus. "Dabei führt ein Gendefekt dazu, dass Eigenschaften wiederauftreten, die in früheren evolutionären Phasen vorhanden waren, im Laufe der Entwicklungaber verschwunden sind", sagt er. Beispiele für solche Rückentwicklungen seien Pferde mitmehreren Fingern statt nur eines Hufs und Menschen mit mehr als zwei Brustwarzen. DieKonsequenz daraus wäre, dass bei den Vierfüßler-Geschwistern ein Defekt im Erbgut einverschüttetes Verhaltensmuster zum Vorschein gebracht hat. "Wie immer es dazu kam, hierhaben wir erwachsene Menschen, die sich bewegen, wie unsere Vorfahren vor mehrerenMillionen Jahren", sagt Nicholas Humphrey.
Das Team um Stefan Mundlos erforschtderzeit, an welchen Stellen genau auf dem Chromoson 17 sich Gene verändert haben. Erwarnt aber vor der Suche nach zu einfachen Kausalbeziehungen für den Vierfüßler-Gang:"Das sind alles komplexe Eigenschaften, die nicht von einem Gen bestimmt werden. Man kannnicht mit einem einzigen Gen 20 Millionen Jahre Evolution rückgängig machen." Allerdingsscheine es Schlüsselstellen zu geben, an denen kleine Veränderungen großeRückwärtsentwicklungen bewirkten.
source:http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,404748,00.html