Die Affentheorie
25.01.2006 um 22:12
Das Unendlich-viele-Affen-Theorem besagt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (das heißt die Wahrscheinlichkeit ist so gut wie 1) ein Affe, der zufällig auf eine Tastatur herumtippt, irgendwann alle Bücher in der französischen Bibliothèque nationale de France (Nationalbibliothek) schreibt. In englischsprachigen Ländern nimmt man an, dass so irgendwann die Werke von Shakespeare entstehen.
Der Name ist ein populäres Missverständnis einer Idee von Émile Borels Buch über Wahrscheinlichkeitsrechnung, erschienen 1909, das das Konzept der „daktylographischen1 Affen“ einführte.
Eine Variante des Theorems geht von einer unendlichen Anzahl von Affen aus, die unendlich lange tippen, was unnötigerweise zwei Unendlichkeiten beinhaltet.
Beweis
Das Unendlich-viele-Affen-Theorem ist relativ einfach zu beweisen. Wenn zwei Ereignisse voneinander statistisch unabhängig sind, also das eine keine Auswirkung auf das Ergebnis des anderen hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide eintreten, äquivalent dem Produkt aus der Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen der Einzelereignisse. Wenn zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit, dass es in Sydney regnet, 0,3 beträgt, und die Wahrscheinlichkeit, dass am selben Tag in San Francisco ein Erdbeben stattfindet, 0,8 beträgt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass an diesem Tag beides eintrifft, 0,3 mal 0,8 = 0,24.
Man nehme nun an, dass die Schreibmaschine 50 Tasten habe und der Affe das Wort „banane“ zu tippen versucht. Wenn zufällig getippt wird und dabei von einer Gleichverteilung der Zufallsfolge ausgegangen wird, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass der erste getippte Buchstabe ein „b“ ist, bei 1/50, ebenso, dass der nächste Buchstabe ein „a“ ist, etc. Diese Ereignisse sind voneinander unabhängig, daher beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die ersten sechs Buchstaben dem Wort „banane“ entsprechen 1/506. Aus dem selben Grund liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die darauffolgenden sechs Buchstaben erneut dem Wort „banane“ entsprechen, ebenfalls bei 1/506, etc.
Nun ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Folge von 6 Buchstaben nicht das Wort „banane“ geschrieben wird . Da jede Folge unabhängig voneinander getippt wird, ist die Wahrscheinlichkeit X für das Nicht-Tippen von „banane“ in jeder der ersten n Folgen von 6 Buchstaben . Da n anwächst, wird X kleiner. Für ein n von einer Million beträgt X = 99,99%, doch für ein n von 10 Milliarden beträgt es 53% und für ein n von 100 Milliarden beträgt es 0,17%. Wenn sich n unendlich nähert, nähert sich die Wahrscheinlichkeit X null. Das heißt, wenn man n nur groß genug wählt, lässt sich X beliebig klein machen. Wenn man zusätzlich die Fälle zählt, in denen das Wort „banane“ über die Grenzen der 6er-Folge hinweg auftaucht, nähert sich X noch schneller null an. Dasselbe Argument gilt auch in Bezug auf Affen, die jede beliebige andere Buchstabenfolge beliebiger Länge tippen.
Dasselbe Argument macht klar, warum unendlich viele Affen einen Text ebenso schnell erstellen können, wie es ein Mensch könnte, der ihn vom Original abschreibt. In diesem Fall ist , wobei X die Wahrscheinlichkeit darstellt, dass keine der ersten n Affen das Wort „banane“ beim ersten Versuch korrekt tippt. Wenn wir uns 100 Milliarden Affen vorstellen, dann reduziert sich diese Wahrscheinlichkeit auf 0,17% und wenn die Zahl der Affen n gegen unendlich geht, dann geht der Wert von X, also die Wahrscheinlichkeit, dass keiner der Affen in der Lage ist, den Text zu reproduzieren, gegen null. Das ist äquivalent zu der Aussage, dass ein oder mehr Affen aus einer unendlichen Zahl von Affen einen gegebenen Text beim ersten Versuch mit einer Wahrscheinlichkeit von 100% erstellt, dass dieser Vorgang also sicher eintritt.
Das Theorem exemplifiziert eine Aussage der Wahrscheinlichkeitstheorie, das sog. null-eins-Gesetz Kolmogorows.
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Wahrscheinlichkeiten
Wenn man Zeichensetzung, Leertasten und Großbuchstaben außer Acht lässt und annimmt, dass die Buchstaben einer Zufallsverteilung folgen, dann besteht für einen Affen eine Wahrscheinlichkeit von eins zu 26, dass er den ersten Buchstaben in einer englischen Fassung vom Hamlet-Drama korrekt tippt. (In der deutschen kämen ä, ö, ü zu den verfügbaren Buchstaben dazu.) Für ihn besteht eine Wahrscheinlichkeit von , die ersten beiden Buchstaben korrekt zu tippen. Da die Wahrscheinlichkeit exponentiell sinkt, beträgt sie bei 20 Buchstaben nur noch = , was in etwa der Wahrscheinlichkeit entspricht, 4 Lotto-Scheine zu kaufen und jedes Mal den Jackpot mit 6 Richtigen zu knacken. Im Fall des gesamten Hamlet-Textes werden die Wahrscheinlichkeiten so minimal, dass sie sich in menschlichen Begriffen kaum mehr ausdrücken lassen. Der Text des Hamlet umfasst, selbst wenn man die gesamte Interpunktion unberücksichtigt lässt, mehr als 130.000 Buchstaben.
Die bloße Tatsache allerdings, dass es eine gewisse, wenn auch sehr kleine, Wahrscheinlichkeit gibt, ist der Schlüssel zum unendlich-viele-Affen-Theorem, denn Kolmogorows null-eins-Gesetz besagt, dass eine solche unendliche Folge von unabhängigen Ereignissen eine Wahrscheinlichkeit entweder von eins oder von null haben muss. Da wir aber bereits gezeigt haben, dass sie nicht null ist, muss sie eins sein. Wenn man bedenkt, dass, wenn eine unendliche Zeit gegeben ist, ein derart unwahrscheinliches Ereignis mit Sicherheit eintritt, dann bekommt man eine Ahnung davon, wie riesig die Unendlichkeit ist.
Gian-Carlo Rota schrieb in einem unvollendeten Buch über Wahrscheinlichkeit:
„Wenn der Affe in der Lage wäre, jeweils einmal pro Nanosekunde eine Taste zu drücken, dann würde die Wartezeit, bis er den gesamten Hamlet vollendet hat, einen solch großen Zeitraum umfassen, dass das geschätzte Alter des Universums im Vergleich dazu unbedeutend wäre … nicht gerade eine praktikable Methode, um Theaterstücke zu schreiben.“ (Hier können wir es uns nicht verkneifen, Alfred North Whitehead zu zitieren: „Ich gehe nicht bis ins Unendliche).“
In The Nature of the Physical World: The Gifford Lectures (Macmillan, New York, 1929, Seite 72) schrieb der Arzt Arthur Eddington:
„Wenn ich meine Finger absichtslos über die Tasten einer Schreibmaschine gleiten lasse, kann es passieren, dass im so entstehenden Wälzer ein lesbarer Satz vorkommt. Wenn eine Armee von Affen auf ihre Schreibmaschinen einklimpert, dann können sie alle im British Museum enthaltenen Bücher schreiben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie dies tun, liegt deutlich höher als die Wahrscheinlichkeit, dass sich in einem Behälter alle Moleküle in einer Hälfte sammeln.“
In der Physik liegt also die Stärke des „Affen-Arguments“ nicht in der Wahrscheinlichkeit, dass die Affen „am Ende“ etwas Lesbares produzieren, sondern dass sie es in der praktischen Realität nicht tun werden. Jeder physikalische Prozess, der noch seltener ist als eine solche Affen-Leistung, ist in Wirklichkeit unmöglich; darin liegt die statistische Grundlage für den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.
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Affen-Experimente
Die The Monkey Shakespeare Simulator-Website, begonnen am 1. Juli, 2003, enthält ein Java-Applet, das viele tippende Affen simuliert. Am 3. Januar 2005 waren bereits 24 sequentielle Zeichen getippt: (RUMOUR. Open your ears; 9r"5j5&?OWTY Z0d "B-nEoF.vjSqj… aus Heinrich VI., Teil 2).
Im Jahr 2003 berichteten Wissenschaftler des Zoos von Paignton und der University of Plymouth in Devon in England, dass sie einen Monat lang eine Computertastatur in einem Käfig mit sechs Makaken platziert haben. Nicht nur haben die Affen nichts Sinnvolles zu Stande gebracht, außer fünf Seiten (PDF), wobei die Texte hauptsächlich aus dem Buchstaben S bestanden, sondern sie begannen auch, auf die Tastatur mit einem Stein einzuschlagen und sich über der Tastatur zu entleeren. Mit diesem Experiment wurde zugleich eine weitere Voraussetzung des Theorems widerlegt, denn Affen tippen nicht in einer gleichverteilten Zufallsverteilung. Das Experiment wurde als Performance inszeniert, weniger als ernsthafte Widerlegung, denn das Unendlich-viele-Affen-Theorem ist ein Gedankenexperiment und geht nicht von tatsächlich existierenden Affen aus.
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Veranschaulichung
Anschaulich betrachtet würden die Affen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jeden beliebigen Text der jemals geschrieben wurde oder auch in der Zukunft jemals geschrieben wird tippen, wenn sie nur unendlich viel Zeit zur Verfügung gestellt bekämen. Auf den ersten Blick mutet dies insofern positiv an, als die Affen somit jedes vorhandene oder jemals noch bekannt werdende Wissen niederschreiben würden. Die dabei zufälligerweise entstehenden sinnvollen Texte sind dennoch ohne jeden schöpferischen Wert, da sie in einer unvergleichlich höheren Anzahl nicht sinnvoller Texte untergingen. Dabei würden die Affen auch beispielsweise jeden beliebigen Text mit jeweils allen denkbaren orthographischen oder inhaltlichen Fehlern niederschreiben – es wäre dann unmöglich, die sinnvollen von den nicht sinnvollen Varianten zu unterscheiden, ohne den Text in der richtigen Fassung ohnehin schon zu kennen.
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Literatur und Popkultur Referenzen
In Tom Stoppards Stück Rosencrantz & Guildenstern are Dead, das die Geschichte von Hamlet aus einer andere Perspektive wiedergibt, sagt eine Figur: „Wenn eine Million Affen …“ und kann dann nicht weitersprechen, weil sie selber Teil des Shakespearschen Universums ist, auf das sich die Redewendung im Englischen bezieht; spräche sie weiter, erklärte sie ihre eigene Fiktionalität. Der Satz endet mit einem anderen Thema.
Im Jahr 2000 hat das IETF Internet Standard-Komittee in einer Aprilscherz RFC den Infinite Monkey Protocol Suite (IMPS) vorgeschlagen, eine Methode um einen Hof mit unendlich vielen Affen über das Internet zu steuern. Ein amüsantes Zitat von Robert Wilensky: „Wir haben alle gehört, dass eine Millionen Affen auf eine Millionen Schreibmaschinen irgendwann Shakespeare erzeugen werden. Dank des Internets wissen wir, dass das nicht stimmt.“
In einer Folge der Trickfilm-Serie Die Simpsons lässt Mister Burns ein Stück in einem riesigen Raum voll von Affen auf Schreibmaschinen schreiben.
Die C-Standardformatierung des Editors GNU Emacs wird oft als "schlimmer als zufällig" beschrieben: „An infinite number of monkeys typing into GNU emacs would never make a good program.“
DRUM AND BASS FOREVER !!!
Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche.