Link: www.mysteria3000.de (extern) (Archiv-Version vom 07.04.2005)Hi, Dragonheart.... ich kann dir zwar nicht ganz weiterhefen, habe aber einen paar Berichte gefunden die dir vieleicht ein paar Infos geben können, die du vieleicht noch nicht hast.....
Urkontinent Lemuria - Von der wissenschaftlichen Hypothese zur okkultistischen Spekulation
Mitte des 19. Jahrhunderts versuchte der englische Zoologe Philip L. Sclater mit Hilfe eines hypothetischen Urkontinents zwischen Amerika, Afrika und Indien biogeographische Probleme zu lösen: die Idee von Lemuria war geboren. Aufbauend auf Sclater deutete der dee Darwinist Ernst Haeckel Lemuria als mögliche "Wiege der Menschheit". Nur wenige Jahrzehnte später griffen okkultistische Strömungen diesen Gedanken erneut auf und erweiterten ihn zu dem heute bekannten, esoterischen Bild des versunkenen Kontinents Lemuria.
Stefan Wogawa
"Absurde Geschichte"? - Eine Einleitung
Als im Juni 1999 am Mount Shasta, einem 4.300 Meter hohen erloschenen Vulkan in Kalifornien, ein "Lemuria-Kongress mit Festival" unter dem Titel "Lemuria und die Zeitenwende" stattfand, richtete sich die Veranstaltung vor allem an Esoteriker. Der Mitinitiator Dietrich von Oppeln sieht in Lemuria die "spirituelle Epoche von Atlantis". Oppeln ist Autor von Büchern wie "Lemuria - Land des goldenen Lichts" und "Die Kristallstädte von Lemuria", verdient auch mit einer Lemuria-CD am Thema. Eines seiner Bücher ist nach Verlagsangaben ein Werk, in dem Oppeln "in seiner Trance-Reise zeigt, wie in Lemuria und den Kristallstädten gelebt, geforscht und gearbeitet wurde". Eine Durchsicht aktueller Veröffentlichungen zeigt: Lemuria ist dort meist das verlorene Paradies, der "Garten Eden", eine frühe Hochkultur auf einem inzwischen versunkenen Kontinent, dessen Bewohner über die phantastischsten Fähigkeiten, mental, bisweilen magisch und/oder technisch, verfügten. So spricht beispielsweise Johannes von Buttlar von "Überlieferungen, Legenden und Funde[n], die uns eine unerschöpfliche Materialfülle über untergegangene Zivilisationen mit fortschrittlichster Technologie bieten. Also über Kenntnisse, die dann wieder verloren gingen. Sie berichten von Lemuria ...". [1]
Vorstellungen von untergegangenen Inseln/-kontinenten haben die Phantasie der Menschen schon seit frühester Zeit angeregt. Eine der ältesten dürfte ein ägyptischer Mythos sein, in hieratischer Schrift auf einem Papyrus aus der 12. Dynastie (um 2000 v.u.Z.) niedergeschrieben. Er berichtet von einem Seemann, der auf der Rückfahrt von den Goldminen des Pharaos während eines Sturmes Schiffbruch erleidet. An Land gespült, begegnet er einem gewaltigen "Schlangengott". Der ist neun Meter lang, ganz mit Gold bedeckt und beherrscht seinen eigenen Worten nach eine Insel, die später "zu Wasser wird". [2] Am bekanntesten sind sicher diejenigen, die auf Überlieferungen des griechischen Philosophen Platon beruhen, der seinen sagenhaften Kontinent Atlantis in den Dialogen 'Timaios' und 'Kritias' behandelt.
Doch dass nach Ansicht des 1995 erschienenen Sachbuches 'Rätselhafte Vergangenheit' von allen Legenden über untergegangene Erdteile "die Geschichte von Lemuria die absurdeste" ist, verwundert angesichts des eingangs geschilderten Lemuria-Bildes zunächst nicht. [3] Dennoch habe die Legende - so wird fortgesetzt - in der Geschichte der Naturwissenschaften eine bedeutende Rolle gespielt und später die Unterstützung von Okkultisten gefunden. Vor allem der dee Biologe Ernst Haeckel sei mit dieser Theorie verbunden gewesen. Im folgenden Beitrag soll nun gezeigt werden, wie aus einer naturwissenschaftlichen Hypothese eine wirkmächtige okkultistisch-esoterische Spekulation wurde.
Das Lemuria der Wissenschaft
Die Annahme eines urzeitlichen Kontinents Lemuria entstand eindeutig als wissenschaftliche Hypothese. Sie fällt in eine Zeit radikaler Umwälzungen der Biologie in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Den Namen "Lemuria" für einen hypothetischen Urkontinent schuf 1864 der seinerzeit bekannte englische Zoologe Philip L. Sclater (1829-1913), einer der Pioniere der Biogeographie. Sclater hatte Jura und Naturwissenschaften studiert, arbeitete zur Systematik und Tiergeographie der Wirbeltiere, insbesondere der Vögel, war ab 1859 Sekretär der Zoological Society (London), von 1877-82 Generalsekretär der British Association for the Advancement of Science, gab die Zeitschriften 'Ibis' sowie 'Natural History Review' heraus, unternahm zahlreiche Forschungsreisen. [4] Er hatte bereits 1858 in einem Artikel die weltweite Verbreitung der Vögel beschrieben und dazu sechs tiergeographische Regionen benannt. [5] Sechs Jahre später beschäftigt er sich mit den Säugetieren Madagaskars. Deren Analyse und Vergleiche mit Afrika und Indien brachten ihn zu der Vermutung, im atlantischen und indischen Ozean habe einst ein Urkontinent bestanden, der vom heutigen Amerika bis nach Indien reichte und später zerbrach. Eine wichtige Rolle in seinen Überlegungen spielten die Halbaffen der Familie Lemuridae, die mit unterschiedlichen Vertretern in Afrika, Madagaskar und Indien vorkommen. Auf diese Tierfamilie bezieht sich Sclater bei der Benennung des Kontinents: "I should propose the name Lemuria!"
Als "Lemuren" hatten ursprünglich die Römer die von ihnen gefürchteten bösen Totengeister bezeichnet. Um diese gnädig zu stimmen, wurde an drei Tagen im Mai ein Fest, die "Lemurien", gefeiert. Später übertrug man die Bezeichnung auf die Halbaffen, wohl wegen deren nachtaktiver Lebensweise.
Schon bald nach dem Erscheinen von Charles Darwins (1809-1882) 'On the origin of species' (1859) fanden sich auch die Anhänger seiner Evolutionstheorie vor das bedeutende Probleme gestellt: Wie konnten sich Tiere über eigentlich unüberwindliche geographische Grenzen verbreiten? Alfred Russel Wallace (1823-1913), der gleichzeitig mit Darwin ganz ähnliche Gedanken einer Evolution der Lebewesen veröffentlicht hatte, griff die Hypothese Sclaters auf. Wallace, an den bis heute die von ihm entdeckte tiergeographische Trennungslinie im Malaiischen Archipel ("Wallace-Linie") erinnert, schrieb 1869, man müsse über die Möglichkeit nachdenken, ob nicht früher ein Festland im Indischen Ozean existiert haben könnte, welches als Brücke diente, um Afrika und Indien zu verbinden. [7] Die Theorie wurde zudem durch geologische Befunde gestützt. Verschiedene Gesteinsarten und fossile Reste in Mittelindien und Südafrika wiesen Gemeinsamkeiten auf.
Zu den Befürwortern zählte auch der Zoologe und Naturphilosoph Ernst Haeckel (1834-1919), seit 1862 Professor an der Universität Jena und der bedeutendste zeitgenössische Verfechter des Darwinismus in deland. Er ging schon 1863 weiter als Darwin, indem er aus der Evolutionstheorie die Abstammung des Menschen aus dem Affen herleitete, ein Gedanke, dessen Veröffentlichung Darwin selbst erst 1871 wagte. Haeckel wurde dafür heftig angegriffen.
Für ihn hatte Lemuria einen über Sclater weit hinausgehenden Belang. Schon Mitte der 1860er Jahre, also noch vor Wallace, äußerte er sich zunächst in Vorträgen und dann in seinem Buch 'Natürliche Schöpfungsgeschichte' zu diesem Urkontinent im Indischen Ozean. Der sei, so Haeckel, "zugleich von großer Bedeutung als die wahrscheinliche Wiege des Menschengeschlechts, das hier sich vermuthlich zuerst aus anthropoiden Affen herausbildete."
Haeckel vermutete also das "Missing Link" zwischen Affen und Menschen, das er "Pithecanthropus alalus" (sprechunfähiger Affenmensch) nannte, auf Lemuria. Mit dem Untergang seien auch dessen fossile Überreste vernichtet worden. Freilich setzt das eine andere Datierung dieses Kontinents als die der Tiergeographen und Geologen voraus. Während die vom Trias, dem Erdmittelalter, ausgingen, ist das Diluvium, in dem Haeckel Lemuria verortet, eine veraltete Bezeichnung für das Pleistozän - das begann erst vor 1,5 Millionen Jahren. Zeit und Ort des Kontinents differierten also gegenüber Sclater.
Haeckel hat sich von der Idee eines Lemuria später wieder abgewandt. Es schienen bisher, schrieb er in einer erweiterten Neuauflage der 'Natürlichen Schöpfungsgeschichte' im Jahre 1898, "eine Menge von Anzeichen (besonders chorologische Thatsachen) darauf hinzudeuten, daß die Urheimath des Menschen ein jetzt unter dem Spiegel des indischen Ozeans versunkener Kontinent sei."Indessen seien in neuester Zeit, so Haeckel weiter, "gegen diese, auch von mir früher vertretene Hypothese erhebliche Bedenken ... geltend gemacht worden." [10]
Wichtig waren in diesem Zusammenhang die zwischen 1891-94 gefundenen Fossilien des sogenannten "Java-Menschen" durch den niederländischen Arzt und Naturforscher Eugen Dubois (1858-1940), der - u.a. angeregt durch Haeckels Schriften - im heutigen Indonesien nach vormenschlichen Überresten suchte. Für Haeckel handelte es sich bei Dubois Funden eindeutig um "fossile Überreste einer ausgestorbenen Übergangsform zwischen Mensch und Affe." [11] Er ging also davon aus, dass das "Missing Link" gefunden worden sei; nach der Jahrhundertwende formulierte er nicht ganz zutreffend, dass die Deutung des "Java-Menschen" als "Ueberrreste eines wirklichen Mittelgliedes zwischen den älteren Menschenaffen und den ältesten Urmenschen jetzt von fast allen sachkundigen Naturforschern angenommen ist." [12] Mitte des 20. Jahrhunderts erkannte man die von Dubois gefundenen Reste indes als echt menschlich, der Pithecanthropus wird seitdem als Homo erectus angesehen. [13] Es hat sich inzwischen auch herausgestellt, dass sich der Mensch in Afrika entwickelte, was schon Darwin angenommen hatte.
Lemuria - Eine Rezeptionsgeschichte mit Fehlern
Der momentan eher "schlechte Ruf" Lemurias mag darin begründet liegen, dass es eine intensivere wissenschaftshistorische Beschäftigung mit dem Thema bisher nicht gab. [32] Fehlerhafte Darstellungen zum Thema Sclater/Lemuria sind deshalb offenbar weit verbreitet.
Der Sachverhalt wird gleich in zweifacher Hinsicht falsch in etlichen Lexika, darunter der 'Brockhaus Enzyklopädie'von 1990, wiedergegeben. Lemuria sei eine "Landmasse, die P.L. Slater [sic!] 1874 zur Deutung der Verbreitung der Halbaffen (Lemuren) ... annahm", ist dort zu lesen. [33] Im 'Großen Brockhaus' von 1934 war immerhin noch festgehalten, dass Lemuria "eine von P.L.Sclater (1874) vermutete und benannte Landmasse" sei. [34]
Die gleichen Fehler finden sich sogar in mehreren aktuellen Fachlexika. Zu Lemuria ist in einem achtbändigen 'Lexikon der Biologie' u.a. vermerkt: "Lemurenkontinent (P.L. Slater 1874), Name für eine alte Festlandsmasse, die aus paläozoogeographischen Erwägungen heraus Teile S-Afrikas, Madagaskars, die Inselgruppen der Komoren, Seychellen, Malediven, Lakkadiven u. Ceylon sowie die Dekhahalbinsel Vorderindiens umfasst haben u. etwa an der Wende Paläogen/Neogen (ca. 30 Mill. Jahre vor heute) bis auf die heutigen Reste im Ind. Ozean versunken sein soll." [35]
Der Ursprung des falschen Namens bleibt bis jetzt unklar, wahrscheinlich ist ab einem bestimmten Zeitpunkt ein Schreibfehler weitergegeben worden, für die fehlerhafte Jahreszahl gibt es eine Vermutung: Sclater veröffentliche 1874 einen Aufsatz 'The Geographical Distribution of Mammals'. Möglich, dass sich die Lexikonautoren daran gehalten haben.
Auch im schon zitierten Sachbuch fällt eine grobe Ungenauigkeit auf, wird Haeckel falsch zitiert. "Haeckel schrieb: 'Es gibt eine Reihe von Umständen (insbesondere chronologische Fakten), die darauf hinweisen, daß die Urheimat des Menschen ein Kontinent war, der heute unter der Oberfläche des Indischen Ozeans versunken ist'", heiß es dort. [36]
Doch Haeckels Text eine bedeutende Abweichung: "Es giebt aber eine Reihe von Anzeichen (besonders chorologische Thatsachen), daß die Urheimath des Menschen ein jetzt unter dem Spiegel des indischen Ozeans versunkener Kontinent war ...", schrieb er wirklich in der 'Natürlichen Schöpfungsgeschichte'. [37] Die Chorologie (oder Arealkunde) verstand Haeckel als die "Wissenschaft von der räumlichen Verbreitung der Organismen, von ihrer geographischen und topographischen Ausdehnung über die Erdoberfläche." [38] Die von ihm als solche interpretierten "chorologischen Thatsachen" benennt er: "Wenn wir dieses Lemurien als Urheimath [des Menschen, S.W.] annehmen, so läßt sich daraus am leichtesten die geographische Verbreitung der divergirenden Menschenarten durch Wanderung erklären." [39]
Mit "Chronologie" hat das freilich nichts zu tun. Erstaunlich ist, dass sich eine ebenso falsche Darstellung auch in einem anderen Buch findet. [40] Da beide Bücher zuerst in England erschienen, wäre er interessant, nachzuprüfen, ob die Umdeutung des Begriffs "Chorologie" in "Chronologie" schon bei der Übersetzung von Haeckels Werken ins Englische oder erst der beider Bücher ins dee stattfand. [41]
.....ich hoffe das dir, die Berichte ein bischen Weitergeholfen haben, werde mich auf jeden fall deswegen noch ein bisschen durchs Netz klicken......
Gruß Cyberspion......