Der 666 Beweis
01.08.2008 um 23:54
Text von :
Cornelis de Jager, Astrophysiker am Labor für Weltraumforschung in Utrecht.
Vor einigen Jahren stand im 'Skeptical Inquirer' ein Artikel, der sich über die 'geheimnisvollen Zusammenhänge' der Maße der Cheopspyramide mit irgendwelchen astronomischen Konstanten ein wenig lustig machte. Ähnliche Zahlen- und Buchstabenspiele hat es immer schon gegeben, und gerade in den Religionen wurde davon reichlich Gebrauch gemacht...
Ich poste hier einmal den [hier interessierenden] Schluss des Artikels:
(die mathematischen Symbole habe ich z.T. vereinfacht)
_________
Radosophie
...Verschiedene Aspekte pseudowissenschaftlicher Beweisführung sind hier ganz deutlich auszumachen. Am offensichtlichsten ist eine übersteigerte Ehrfurcht vor zufälligen Übereinstimmungen von Zahlen, und einhergehend damit wird die mögliche Anzahl mathematischer Relationen zwischen einfachen Zahlen unterschätzt.
Um das zu verdeutlichen, möchte ich nun eine neue Religion vorstellen. Sie gründet sich auf mein Hollandrad. Warum? Weil ein Fahrrad in meiner Heimat praktisch denselben Status besitzt wie die Pyramiden im alten Ägypten. In meinem Land gibt es 15 Millionen Holländer, aber 16 Millionen Fahrräder.
Ich vermaß die Durchmesser
• des Pedalwegs, der die vorwärtsschreitende Dynamik symbolisiert;
• des Vorderrads, das meinen Weg in eine unbekannte Zukunft lenkt;
• der Lampe, die mir meine Pfade erleuchtet;
• der Klingel, die mir zur Kommunikation mit Entgegenkommenden dient.
So legte ich den elementaren Grundstein für eine neue holistische, vierdimensionale Religion, die des anbrechenden Wassermannzeitalters würdig ist: die Radosophie.
Die Meßergebnisse wurden in Heilige-Fahrrad-Inches umgerechnet. 1 HFi entspricht 17 Millimetern, denn 1 ist die erste und 17 die siebte Primzahl, und die Sieben ist außerdem die heilige Zahl.
Wenn ich die vier gemessenen Werte mit P, W, L und B benenne, zeigt sich, daß
P^2 √LxB=1823
und siehe da, dies entspricht dem Quotienten der Massen von Proton und Elektron. Ich finde es bemerkenswert, daß eine solch simple Relation zwischen drei Parametern meines Fahrrads eine so fundamentale Konstante ergibt; der Schöpfer meines Rades muß sehr begabt gewesen sein. Möglicherweise besaß er übernatürliche Kräfte, denn vielleicht waren ihm die Werte der Massen von Proton und Elektron gar nicht bekannt.
Aber das ist ja noch nicht alles. Die 'Feinstrukturkonstante', eine für die Grundlagenphysik sehr bedeutsame Zahl, lautet 137,0. Und - man staune:
P^4/W^2 =137,0
Die Gravitationskonstante lautet G= 6,67 x 10-8, und siehe da:
P^-5 3√L/ WB= 6,67 x 10-8
Ebenso besteht eine Beziehung zwischen meinem Fahrrad und grundlegenden astronomischen Daten. Zum Beispiel beträgt die Entfernung zwischen Erde und Sonne, in Einheiten von hundert Millionen Kilometern ausgedrückt, 1,496. Was stelle ich fest? Daß
P^1/2 B^1/3/L= 1,496
Die Lichtgeschwindigkeit beträgt 2,998 x 105 Kilometer pro Sekunde. Aus meinen Fahrradparametern errechne ich
W^pi P^2 L^1/3 B^5 = 2,999 x 105
Aufgrund der Differenz zwischen den letzten Ziffern möchte ich den Physikern eine Neuberechnung der Lichtgeschwindigkeit nahelegen, denn angesichts der zitierten exakten Übereinstimmungen scheint es sehr unwahrscheinlich, daß der Fehler bei meinem Fahrrad liegt.
Ich könnte die Liste der Kombinationen noch erheblich verlängern. Ich könnte mein Fahrrad zu jeder willkürlich gewählten Zahl in Relation setzen - vom Alter des Weihnachtsmannes bis zur Anzahl der Blumen in meinem Garten. Alle Rechnungen würden aufgehen. Doch weder an der Großen Pyramide noch an meinem Fahrrad ist irgend etwas Besonderes.
Wählen Sie vier Zahlen A, B, C und D und bringen Sie sie in folgende Rechnung ein:
A^a x B^b x C^c x D^d
wobei Sie für a, b, c und d ganze Zahlen zwischen 5 und -5 sowie die positiven und negativen Werten, 1/2 und 1/3 einsetzen können. Es gibt 83.521 mögliche Kombinationen, und die Wahrscheinlichkeit, daß eine davon einer zuvor bestimmten festen Größe (mit einer Abweichung von 0,01 Prozent) entspricht, ist etwa eins. (Beachten Sie, daß ich im vorigen Teil vorsichtig genug war, alle festen Größen mit lediglich drei oder vier Stellen anzugeben!) Ein einfaches Computerprogramm kann all die Kombinationen ausdrucken, die der festen Größe mit einer Abweichung von, sagen wir, 0,1 Prozent entsprechen. In den meisten Fällen waren es etwa zehn mögliche Kombinationen, aus denen ich dann die besten ausgesucht habe. Ein größerer Rechner als meiner, der auf mehr Variablen und Formeln zurückgreifen. kann, würde noch weit bessere Ergebnisse ausspucken.
In numerischen Experimenten wie auch im täglichen Leben gibt es immer wieder Fälle von Koinzidenz. Wer nicht begreift, daß solche zufälligen Übereinstimmungen nicht 'selten' sind, verwendet sie entsprechend unangemessen und inkorrekt, um die Existenz paranormaler Vorgänge zu beweisen. Die meisten Menschen unterschätzen die gewaltige Menge möglicher Kombinationen von Zahlen. Und das hat es vielen pseudowissenschaftlichen Auffassungen leichtgemacht, sich auszubreiten und allgemeine Anerkennung zu finden.