Ich find's ja immer wieder bezeichnend, dass in unserer Gesellschaft die Feindbilder so völlig klar sind. Dschungelserien, Bildzeitung, McDonalds = Volksverdummung. Eine nette, einfache Gleichung, die man seinen Kindern nur mit erhobenem Zeigefinger beizubringen braucht, um sie auf den "richtigen Weg" zu bringen. Nur die Dummen gucken das. Nur die Dummen machen das. Meide die "Feinde", umgib Dich mit "Intellektuellen", lese Zeit und Focus und Spiegel, und Du wirst von Manipulation und Verdummung verschont. So einfach ist das.
Mag jetzt etwas abschweifen, aber wer immernoch glaubt, wenn er sich nur BILD und Dschungel und Co. nicht antut (den so genannten "seriösen Quellen" aber blindes Vertrauen schenkt), beschreitet er automatisch den Weg der Weisheit, ist ein hoffnungsloser Narr.
Sollte man sich, um sich ein umfassendes Urteil bilden zu können und ein Gespür für Meinungsmache sowie Verdummungsversuche zu bekommen, nicht die unterschiedlichsten Medien/ Medienformate zu Gemüte geführt haben? Wer sich auf zementierte Feindbilder konzentriert, verliert den Blick fürs große Ganze.
Man macht es sich zu einfach, ein von der Masse kolportiertes Vorurteil zu übernehmen und sich danach zu richten. Oder, um es aufs Thema zu beziehen: "RTL = böse, NTV = gut. / Fernsehen = böse, Bücher = Gut".
Dadurch wird der kritische Blick auf der einen Seite überschärft, auf der anderen hingegen getrübt. Neutral-objektive Kritik ist so nicht möglich. Denn dazu muss man hinsehen, verstehen, analysieren, sich selbst eine Meinung bilden und nicht bilden lassen.
Um zum Dschungel zu kommen: Was genau macht den Zuschauer so dumm? Meiner Meinung nach ist/ wird er es dann, wenn er das Format eben
nicht versteht bzw durchschaut, und sich beispielsweise mittels Anrufen das Geld aus der Tasche ziehen lässt.
Oder, allgemein auf solche "Reality Shows" bezogen, wenn er die dort vermittelten Klischees, Ideale, Stereotypen, Verhaltensmuster für sich selbst übernimmt und seine Welt dann so einfach strickt wie die in der jeweiligen Serie. Dann war die "Verdummung" erfolgreich.
Meistens läuft es jedoch andersherum. Die Sendung ist meist nur "Futter" für den ohnehin schon klischee- und vorurteilsbelasteten Zuschauer. Der erkennt sich selbst oder andere dann in manch einer Figur und nimmt das Ganze ernst / baut Sympathie oder emotionale Verbindung zur Serienwelt auf. Diese Reality Shows sind gefaked bzw haben einen vorgegebenen Plot, ich denke das ist kein Geheimnis. Aber womit arbeiten sie denn letztendlich? Mit menschlichen Verhaltensmustern, Psychologie, seelischen Abgründen, alles sehr vereinfacht aber dennoch sehr gezielt - sie nehmen letztendlich nur das auf, was die Realität ihnen bietet.
Ich sag immer, wenn ich mal auf sowas stoße: Das Schlimme ist, solche Menschen gibt es wirklich. Letztendlich bietet die Gesellschaft die eigentlichen Abgründe, das TV inszeniert sie lediglich. Und je nachdem inwieweit man sich dessen bewusst ist, fällt dann auch der "Aufreger" über solche Shows aus.:-)
Hat sich von den Dschungelguckern eigentlich mal jemand die Frage gestellt, wie es wohl möglich ist, dass der Verdacht, die Mutmaßung oder die "Anschuldigung", jemand sei schwul, eine solche Skandalwelle lostreten kann? Wie es wohl möglich ist, dass dieses Gerücht "sein Leben zerstören" könnte? Dass die Reaktion desjenigen so erfolgte, wie sie erfolgte (oder laut Regie zu erfolgen hatte ;-)), egal ob es nun wahr ist oder nicht?
Ich habe die Sendung in diesem Jahr zum ersten Mal gesehen - natürlich ebenso mit den mir von der Masse vermittelten Vorurteilen ("Dumm-TV") behaftet, auf die ich jedoch einfach mal scheißen wollte - und ich bin dran hängen geblieben. Warum?
Eine interessante Lehrstunde in Sachen Verhaltens- und Gruppenpsychologie.
Dabei ist aus o.g. Gründen unerheblich, ob gefaked oder nicht.
Ich betrachte das Ganze eher so wie in "Das Experiment" (kennt den Film jemand?) - dh ich glaub dass es für manche Teilnehmer durchaus im Vorhinein festgelegte Rollen (zB als Agent Provocateur) gibt, und die Rahmenbedingungen von außen so beeinflusst werden, dass zusammen alles auf "Eskalation" ausläuft. Ein Experiment eben, und eine wunderbare Menschenstudie.
DonFungi schrieb:Ey Leute, das ist super soziale Psychoanalyse und Verhaltensforschung am Fernseher.
(Darüberhinaus haben der Wortwitz und selbstironische Sarkasmus der Moderatoren doch manchmal ein Niveau, das ich bei dem Format so nicht erwartet hätte! So ganz kann das also nicht nur auf "Dumme" zugeschnitten sein.)
FAZIT: Es ist kein Drama, sich sowas mal anzugucken. Es kommt viel mehr drauf an, wie man damit umgeht und vor allem, was man daraus lernt. Jaa, man
kann daraus lernen. :-)