WarMachine schrieb:hmm ok. Ob man jetzt zwingend einen autoritären sozialcharakter haben muss um den Film schlecht zu finden wage ich jetzt mal zu bezweifeln.
Von zwingend habe ich ja auch gar nicht gesprochen. Aber es ist aber schon auffällig, dass die Kritik an dem Film meistens in einer kategorischen Ablehnung von abstahierenden Stilmitteln begründet liegt. Es wird bewusst oder unbewusst auf das unmittelbare rekurriert. Das entspricht dem Punkt der "Anti-Intrazeption" der sog. F-Skala.
Dazu passt auch, dass der Film auf die Darstellung von Gewalt gegen ein neugeborenes reduziert wird, so als sei dies das Kernelement des Filmes. Dabei ist die Szene nicht einmal annähernd authentisch umgesetzt. Die Vergewaltigungs-Szene in Irreversibel ist deutlich nahegehender und ernstzunehmender als die fast schon sketchhafte Penetration einer (offensichtlichen) Babypuppe. Dadurch gilt der Film dann häufig als "das Machwerk, in dem ein Baby vergewaltigt wird". Dabei ist es ganz offensichtlich (sofern man den Film denn gesehen hat), dass die Szene in keinsterweise eine Verherrlichung des gezeigten darstellt. Merkwürdig finde ich außerdem, dass viel authentischere Darstellungen von sexualisierter Gewalt in anderen Filmen in keinsterweise kritisiert werden.
Natürlich kann man die Darstellung von Gewalt als Stilmittel in einer Kulturware generell kritisieren. Das wäre jedoch dann eine Diskussion um die Grenzen von Kunst, die der Film ja interessanterweise sogar inhaltlich anstoßen will. Als effekthascherische Gewaltverherrlichungsorgie, lässt sich der Film daher nur schwerlich abtun.
mistaz schrieb:Der einzige Punkt in deinen Ausführungen dem ich wiedersprechen möchte, denn ein Kunstwerk kann mehr als eine Aussage haben, das hängt alles vom Betrachter ab.
"Cannibal Holocaust" bspw. kann man auch als Kritik am Kolonialismus(im weiteren Sinne) und im Kontext seiner Entstehung als Realsatire sehen...das bleibt jedem selbst überlassen.
Da ich kein Postmodernist bin, bin ich schon der Überzeugung, dass Intention und Interpretation nicht gleichwertig zu behandeln sind. Selbstverständlich gibt es mehrere Möglichkeiten der Interpretation, jedoch sollte dann auch das Bewusstsein vorherrschen, dass durch eine Interpretation der Film nicht seine ursprüngliche Intention verliert, sondern quasi zweckentfremdet wird, um mit ihm etwas zu veranschaulichen. Mir ging es hier aber auch eher um die Abwesenheit von Interpretation und das damit verbundene Beharren auf das unmittelbar gezeigte (siehe oben).