Eigentlich dürfte es die vier riesigen Sterne in der Großen Magellanschen Wolke gar nicht geben. Sie sind nach gängiger Theorie einfach zu massereich. Eine Simulation zeigt nun, wie es den Himmelskörpern gelingt, ihre Nachbarn einfach aufzufuttern.
Bonn - Die leuchtenden Riesen ließen die Forscher staunen. Vor zwei Jahren waren Astronomen um Paul Crowther von der University of Sheffield auf vier relativ junge, gigantisch große Sterne gestoßen, die es nach gängiger Theorie eigentlich gar nicht hätte geben dürfen. Die Objekte hatten nämlich mehr als 150 Sonnenmassen, was unter vielen Fachleuten als Obergrenze für die Masse neuer Sterne gilt.
Auf Bildern des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (Eso) lagen alle vier kurioserweise in demselben Sternhaufen in der Großen Magellanschen Wolke, einer Satellitengalaxie unserer Milchstraße. Und nirgendwo sonst sind Astronomen bislang auf derart große Sterne gestoßen. Bonner Forscher präsentieren nun im Fachblatt "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society" eine Erklärung für die Existenz dieser Monstersterne.
Die gigantischen Riesensonnen, die bis zu 300-mal mehr Masse besitzen als unsere eigene Sonne, sind demnach das Ergebnis der Verschmelzung kleinerer Sterne. Diese naheliegende These hat das Team um Sambaran Banerjee von der Universität Bonn mit enormem Rechenaufwand überprüft.
Die Heimat der Monstersonnen, der Sternhaufen mit der Katalognummer R136 im Tarantel-Nebel, ist mit Abstand die hellste Sternfabrik in unserer lokalen Gruppe von rund 50 Galaxien, einschließlich der Milchstraße. Die Gruppe um Banerjee fragte sich, ob die Sternproduktion dort in irgendeiner Hinsicht anders abläuft als sonst im Universum, so dass derart massereiche Sterne entstehen können.
Rechnung mit 170.000 virtuellen Sonnen
Mit immensem Aufwand simulierten die Astronomen die Entwicklung von Sternhaufen wie R136 im Computer. Dazu erschufen sie nach den etablierten Gesetzen der Astronomie 170.000 virtuelle Sonnen und berechneten die Entwicklung dieses Sternhaufens. Das ist kompliziert, denn schon die Wechselwirkung von drei Objekten ist nicht analytisch lösbar. Der Computer musste daher 510.000 Gleichungen wieder und wieder lösen, um die Entwicklung in kleinen Schritten zu simulieren.
Die Forscher profitierten bei dieser sogenannten N-Körper-Simulation von der Rechenleistung moderner, für Computerspiele optimierter Grafikkarten. Zusätzlich zu den Schwerkraftwirkungen der Sterne aufeinander waren dabei noch die Energieabstrahlung der Sterne sowie die physikalischen Vorgänge bei Sternkollisionen zu berechnen. "Mit allen diesen Zutaten sind unsere R136-Modelle die schwierigsten und aufwendigsten N-Körper-Berechnungen, die je gemacht wurden", so Co-Autor Pavel Kroupa von der Universität Bonn.
"Nachdem die Berechnungen gemacht waren, wurde schnell klar, dass die ultramassereichen Sterne kein Mysterium sind", berichtet Banerjee. "Sie tauchen bereits sehr früh im Leben des Sternhaufens auf." Wegen der hohen Zahl von Sternen stehen viele Sonnen sehr dicht beieinander, viele sind außerdem paarweise als Doppelsterne aneinander gebunden. Daher kommt es häufig zu zufälligen Begegnungen, von denen manche in Kollisionen enden.
"Die resultierenden Sterne können dann recht einfach zu ultramassereichen werden, wie wir sie in R136 sehen", erläuterte Banerjee. "Obwohl extrem komplizierte Physik am Werk ist, wenn zwei sehr massereiche Sterne zusammenstoßen, ist es für uns recht überzeugend, dass dies die Monstersterne erklärt, die wir im Tarantel-Nebel sehen."
Diese Erklärung lässt die Astrophysiker aufatmen, wie Kroupa betont. "Das hilft uns zu entspannen. Denn die Kollisionen bedeuten, dass sich ultramassereiche Sterne viel einfacher erklären lassen. Die Allgemeingültigkeit der Sternentstehung setzt sich schließlich durch."
http://m.spiegel.de/wissenschaft/weltall/a-848865.html#spRedirectedFrom=wwwIm Augenblick sind wir unter günstigen Bedingungen bei etwa 300 Sonnenmassen