Harulein schrieb:Im Moment informiere ich mich über Dänemark
ein paar Worte kann ich zu Dänemark sagen, einmal, weil ich aus Südschleswig komme und selbst ein ganz klein wenig Dänisch gelernt habe, aber insbesondere, weil ich kürzlich mehr als ein Jahr als Externer in einem großen dänischen Unternehmen, einem ehemaligen Staatsunternehmen, gearbeitet habe.
Man sollte sich erstmal ganz klar machen, dass Dänemark schon länger nicht mehr dem Klischee eines skandinavischen Sozialstaates entspricht.
Das wird schonmal deutlich, wenn man sich die Regierung anschaut: zwar sind die Socialdemokraterne noch immer stärkste Partei mit 47 von 179 Sitzen, in Ermangelung von Koalitionspartnern aber nicht Regierungspartei. Vielmehr wird die Regierung gebildet von der Venstre (Liberal-Konservativ, 34 Sitze), Liberal Alliance (neoliberal, 13 Sitze) und Konservative Folkeparti (konservativ, 6 Sitze), unter Duldung durch die zweitstärkste Partei, Dansk Folkeparti (rechtspopulistisch, 37 Sitze). Der Vergleich hinkt zwar, aber so ganz verkehrt ist es nicht, sich einfach mal vorzustellen, die FDP wäre in Deutschland Regierungsführer, mit der CDU als kleinem Partner und die würden eine Minderheitsregierung unter Duldung der AfD bilden.
Für mich als Schleswig-Holsteiner war dänische Politik immer in Gedanken verbunden mit der politischen Vertretung der dänischen Minderheit in Südschleswig, dem Südschleswigschen Wählerverband SSW, der nun sehr deutlich links-sozialdemokratisch geprägt ist, aber das ist nicht repräsentativ für Politik in Dänemark, zumindest nicht für Politik in Dänemark der letzten 15 Jahre.
Der EInfluss der DF auf die Politik im Land ist meines Eindrucks nach, gerade gemessen daran, dass sie zweitstärkste Partei ist, eher gering und nicht negativ. (Grenzkontrollen und Inhaftierung von ausreisepflichtigen Ausländern halte ich nicht für negativ). Aber der Einfluss der Liberalen ist deutlich und für jeden Bürger sehr spürbar. Sicher auch, weil die Venstre mit einer kurzen Lücke von 2011 bis 2014 bereits seit 2001 Regierungsführer ist!
Das Arbeitsmarktmodell in Dänemark wird oft unter dem Titel "Flexicurity" geführt, dieser Titel geht auf das zugrundeliegende Paper "Flexibiliteit en zekerheid" aus den Niederlanden zurück. Weitgehende Beseitigung von Kündigungsschutz und signifikanter Ausbau der Möglichkeiten von Zeitarbeitsverträgen waren die Folge. Ich habe dies selbst in der Zeit meiner Arbeit in Dänemark erlebt: es wurden Sparmassnahmen in dem Betrieb beschlossen, jede Abteilung wurde quasi per Gießkanne verpflichtet, einen Mitarbeiter zu entlassen, vier Wochen später war eine langjährige und sehr fähige Kollegin weg, dass die Wahl auf sie gefallen war, lag daran, dass sie aufgrund langer Unternehmenszugehörigkeit gemessen an ihrem Aufgabenbereich höhere Lohnansprüche hatte, also konnte man durch ihre Entlassung mehr sparen... Feuchter Traum von Neoliberalen.
Für Dich als Selbständigen dürfte jedoch dieses Thema eher keine Rolle spielen?
In einem erstaunlichen Gegensatz dazu steht die in vielen Betrieben herrschende Konsenskultur: Entscheidungswege sind oft irritierend lang und beziehen unerwartet viele Parteien mit ein. Das dürfte für Dich als Selbständigen erstmal keine Rolle spielen, es sollte einem allerdings bewusst sein, wenn man dänische Kunden hat.
Eher interessant dürfte sein, dass viele Dinge in Dänemark hochgradig optimiert sind, soweit bis zum Excess, dass vom Normfall abweichende Fälle sehr schwer zu behandeln sind, viel Aufwand erzeugen. Wer zB. eine persönliche Rejsekort haben will, aber keine Personenidentifikationsnummer CPR hat, kann das in nur sechs Bahnhöfen im Land beantragen. Anders Beispiel: wer das WLAN im S-Tog nutzen will, muss sich über eine SMS identifizieren, aber der SMS-Service funktioniert nur mit dänischen Rufnummern... Nicht schlimm, aber das sind nur Beispiele, dass oft Prozesse soweit optimiert sind, dass das Auftreten eines Sonderfalls, zB. eines Ausländers Schwierigkeiten erzeugt.
Was Krankenversicherung angeht: es ist richtig, dass diese durch Steuern finanziert ist. Allerdings sind die Wartezeiten für Behandlungstermine oft auch sehr lang, freie Arztwahl gibt es nicht, Zuzahlungen haben auch deutlich zugenommen. Man sollte sich also trotzdem genau erkundigen, ob man private Zusatzversicherungen braucht.
Auch sollte man wissen, dass der Erwerb von Wohneigentum in Dänemark für Ausländer mit zusätzlichen Hürden erschwert wurde. Aufgrund Teilnahme an EU Freizügigkeit ist es zwar nicht unmöglich, aber eben restriktiv. Erst wenn ein Ausländer mindestens fünf Jahre in Dänemark gelebt und gearbeitet hat, wird er Inländern beim Erwerb von Immobilien gleichgestellt.
Dänemark ist allerdings ein Land mit weit höherer Eigentumsrate als Deutschland. Da hat zur Folge, dass es weniger Mietwohnungen gibt und diese gemessen an den Preisen für Eigentum die Mieten ziemlich hoch sind.
Ganz allgemein sind die Lebenshaltungskosten verglichen mit Deutschland deutlich höher. Nicht ohne Grund gibt es viele, gerade junge Familien, die südlich der Grenze in Deutschland wohnen und nach Jütland zur Arbeit einpendeln...