Themen-Wiki: Entführung einer Millionärs-Gattin in Norwegen
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Entführung oder Mord: Was geschah mit der Millionärsgattin Anne-Elisabeth Hagen?
Wohl kein Kriminalfall in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hat die norwegische Öffentlichkeit so lange so intensiv beschäftigt wie dieser. Immer neue Details zum Vorgehen der oder des Täters, neue Ermittlungsansätze, Pannen, Verdächtigungen und Wendungen halten die 5,4 Mio. Einwohner seit bald sechs Jahren in Atem. Es ist ein Fall, der in dem Land zwischen Skagerrak und Barentsee stark polarisiert und zu der jeder mittlerweile seine eigene Haltung gefunden hat – mindestens, solange unklar ist: Was geschah am 31. Oktober 2018 mit der Millionärsgattin Anne-Elisabeth Hagen?
Anne-Elisabeth Hagen lebt seit Anfang der 1980er Jahre mit ihrem Mann Tom Hagen in der kleinen Gemeinde Lørenskog, die unmittelbar östlich an den Ballungsraum Oslo grenzt. An der Adresse Sloraveien 4 hat sich das Ehepaar damals ein klassisches Eigenheim gebaut. Hier sind auch die drei Kinder der Hagens, zwei Töchter und ein Sohn, groß geworden, mittlerweile aber aus dem elterlichen Zuhause ausgezogen. Die Straße Sloraveien ist für Autos eine Sackgasse – sie endet mit dem Haus der Hagens auf der rechten Seite, anschließend folgt ein Patt, der Fußgänger zur größeren Straße Elveveien führt. Der Patt ist für Autos offiziell versperrt, wird laut Anwohnern aber teilweise genutzt, wenn aufgrund von Schneefall die Betonbarken von der Gemeinde zur Seite geräumt werden. Unmittelbar hinter dem Wohnhaus liegt der See Langvannet. Er bietet an anderen Stellen rundherum Möglichkeiten zum Entenfüttern und Angeln. Neben dem Haus in Lørenskog besitzt das Ehepaar zwei Ferienhäuser im Norden Norwegens in Biri (aus Anne-Elisabeths Familie stammend) und in Kvitfjell.
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Anne-Elisabeth Hagen stammt ursprünglich aus Gjøvik nördlich von Oslo, wo sie als Einzelkind unter dem Namen Anne-Elisabeth Rasmussen aufwuchs. An der Technischen Hochschule lernte sie kurz nach ihrem Schulabschluss 1969 Tom Hagen kennen, der als eines von 13 Kindern in Gran aufwuchs, knapp eine Autostunde südlich der Studentenstadt Gjøvik. Beide waren erst 19 Jahre alt, als sie am 25. Oktober 1969 heirateten. In Lørenskog arbeitete Anne-Elisabeth nach dem Umzug hauptsächlich ihrem Mann zu, als dieser in der Immobilienbranche sehr erfolgreich war und zum 176.-reichsten Mann des Landes aufstieg. Hagen war 1992 an der Gründung des Energieversorgers Elkraft AS beteiligt und hält noch immer 70% an den Unternehmenswerten. Sein Tagesgeschäft verrichtet er bei der von ihm gegründeten Futurum-Stiftung, die sieben bis acht Autominuten von der Sloraveien liegt. Auch sein Sohn und seine Frau sind dort angestellt.
Zusammenfassung in fünf Absätzen
Am 31. Oktober 2018 verschwindet Anne-Elisabeth aus dem gemeinsamen Haus der Hagens. Seitdem fehlt von der 68-Jährigen jede Spur. An diesem Morgen verlässt Tom Hagen das Haus in Sloraveien 4 um etwa 9 Uhr. Ein Telefonat mit ihrem Sohn um 9.14 Uhr ist das letzte gesicherte Lebenszeichen von Anne-Elisabeth. Einen Anruf des Elektrikers Tommy Skansen um 9.48 Uhr nimmt sie zu dessen Überraschung nicht mehr entgegen. Allerdings wird ihr Mobiltelefon, das später auf einem Tisch in der Nähe der Treppe zum ersten Obergeschoss gefunden wird, erst um 10.07 Uhr zum letzten Mal bewegt. In diesem Zeitraum zeichnet das Handy auch eine schnelle Bewegung wie einen Treppensturz auf. Außer Skansen versucht auch Tom Hagen mehrfach erfolglos, seine Frau auf dem Handy zu erreichen. Aus Sorge um sie bricht er nach eigener Aussage um 13.30 Uhr von der Arbeit auf und fährt nach Hause, bemerkt dort zunächst nur das Fehlen seiner Frau; erst bei genauerer Betrachtung fällt ihm ein Umschlag auf einem Stuhl im Flur auf, der einen Erpresserbrief beinhaltet. Der Brief, der in schlechtem Norwegisch teilweise mit englischen Einsätzen verfasst ist, droht bei Einschalten der Polizei mit der Tötung von Anne-Elisabeth und fordert für die Entführte umgerechnet 9 Millionen Euro in der Kryptowährung Monero. Für die Kommunikation mit dem oder den Tätern werden auf ein Täterkonto zu überweisende Bitcoin-Beträge als Codes für bestimmte Aussagen festgelegt. Neben dem Briefumschlag liegen der Ehering sowie ein weiterer Ring und die Uhr der Vermissten. Um 14.08 Uhr wählt Tom Hagen trotz der Drohungen den Notruf und übergibt kurz darauf an einer nahegelegenen Tankstelle den Brief an Polizeibeamte.
Die Polizei bringt zunächst die Familie in einem Hotel in Sicherheit und sichert unter strengster Geheimhaltung verdeckt Spuren in Sloraveien 4. Für die Beamten ergibt sich das Bild eines möglichen Überfalls auf Anne-Elisabeth im Bad im Erdgeschoss sowie im angrenzenden Flurbereich. Auf dem Boden des Bads liegen Kleidungsstücke von Anne-Elisabeth sowie ein orangefarbenes Handtuch. Gefunden werden darüber hinaus Schleifspuren und Rückstände von Stuhlgang, die mit einem Ersticken in Verbindung gebracht werden könnten, sowie geringe Mengen Blut von Tom Hagen, deren Alter nicht zu bestimmen ist. Im Flur fallen neben dem Erpresserbrief auf dem roten Stuhl ein Stück Kabelbinder und ein zu Boden geworfenes Lederfell auf. Auf dem Fell und im umliegenden Bereich werden die Abdrücke eines bisher nicht zugeordneten Sprox-Schuhs der Größe 45 festgestellt. Der Familienhund Tassen ist im Wohnzimmer eingeschlossen, wo zwei Ecken eines Teppichs, wie nach einer Reinigungsaktion, nach oben geschlagen sind. Trotz der Spuren kann die Polizei kein Tatgeschehen eindeutig rekonstruieren. Auch Auffälligkeiten im Umfeld des Hauses finden Eingang in die Fallakten: Bilder von Überwachungskameras lassen um 8.56 Uhr an diesem Morgen ein Auto auf dem Fußweg zwischen Sloraveien und Elveveien erahnen. Die Qualität der Bilder lässt aber keine weiteren Schlüsse zu. In Sichtweite zum Futurum-Gelände bewegen sich zwischen 7.36 und 8 Uhr mindestens zwei männliche Fußgänger, die trotz frühzeitiger Öffentlichkeitsfahndung bis heute nicht identifiziert sind. Und ebenfalls aktenkundig und noch nicht ausermittelt ist ein Zeugenhinweis aus Ås 30 Kilometer südlich von Oslo, wo zwei Frauen unabhängig voneinander eine blasse, hilfsbedürftig aussehende Frau auf der Rückbank eines roten BMW gesehen haben wollen, die sie später als Anne-Elisabeth Hagen identifizierten.
Die Gespräche zwischen Polizei und Familie kreisen um die Verhandlungsstrategie mit den angeblichen Entführern. Schon am 2. November 2018, gut zwei Tage nach dem Verschwinden von Anne-Elisabeth, schickt die Polizei der Gegenseite in Eigenregie mittels Bitcoin-Überweisung die Nachricht "Ich werde in sieben Tagen Monero schicken". Gegenüber den Kindern von Anne-Elisabeth sprechen die Beamten später von einem "technischen Versehen". Die Gegenseite antwortet erst am 10. November erstmals mit der Nachricht "Wenig Zeit, schnell oder sie stirbt". Am 13. November meldet sich erneut die Hagen-Seite mit "Ich habe Probleme, brauche mehr Zeit". Bis zum Gang an die Öffentlichkeit durch die Polizei am 9. Januar üben die angeblichen Entführer insgesamt neun Mal Druck aus und drohen teils in sehr kurzer Folge mit der Tötung Anne-Elisabeths. Familie und Polizei versuchen indes, mit mitgesandten Codes wie "cee face ae" ein Lebenszeichen der Vermissten zu erhalten. Am 27. Januar 2019 wechseln die angeblichen Entführer dann offenbar die Kommunikationsmethode: Hagens Anwalt Svein Holden erhält eine nicht nachverfolgbare E-Mail, in der mit einer zweiwöchigen Frist 2,25 Millionen Euro in Monero im Austausch für ein Foto von Anne-Elisabeth mit einer aktuellen Tageszeitung gefordert werden. Obwohl die Nachricht Täterwissen beinhaltet, setzt sich die Polizei mit der Haltung durch, dass ohne Lebenszeichen kein Geld fließen sollte. Im Mai 2019 schreibt Tom Hagen dann ohne Rücksprache mit der Polizei eine ganze Reihe von E-Mails und fordert erneut ein Lebenszeichen ein. Nach einer Antwort am 8. Juli, die von einer anderen Adresse kommt, aber ebenfalls Täterwissen beinhaltet und in der von einem schlechten medizinischen Zustand von Anne-Elisabeth die Rede ist, leistet Hagen letztlich die Anzahlung. Danach allerdings bricht der Kontakt vollständig ab.
Ab Februar 2019 bröckelt das Vertrauensverhältnis zwischen Familie Hagen und der Polizei. Tom Hagen und seine Kinder halten die strategischen Entscheidungen der Beamten nicht für zielführend, und polizeiintern wachsen Zweifel, ob der Austausch mit den Entführern überhaupt echt ist. Am 26. Juni 2019 gibt Ermittlungsführer Tommy Brøske überraschend auf einer Pressekonferenz die "Änderung der Haupthypothese" bekannt. Die Polizei geht demnach davon aus, dass Anne-Elisabeth nicht lebend verbracht, sondern im Haus getötet und die Entführung anschließend inszeniert wurde. Ende März 2020 beginnen Ermittlungen in Richtung Tom Hagen. In deren Vordergrund steht eine offensichtliche Scheidungsabsicht Anne-Elisabeths, die sich in Google-Suchanfragen und einseitig ausgefüllten Scheidungsformularen zeigt. Das Ehepaar hatte 1993 einen Ehevertrag geschlossen, der so einseitig zu Gunsten Tom Hagens gestaltet war, dass er im Scheidungsfall wohl anfechtbar gewesen wäre. Nach den Ermittlungen ist die Polizei überzeugt, dass Tom Hagen aus Angst vor finanziellen Verlusten an der Tötung seiner Frau beteiligt war, und nehmen ihn am 28. April 2020 auf dem Weg zur Arbeit fest. Nach acht Tagen erreicht sein Anwalt jedoch durch Berufung eine Freilassung aus der Untersuchungshaft. Neben Hagen wird kurzzeitig noch ein weiterer Mann festgenommen, der in den Medien als Kryptomannen bezeichnet wird. Hagen selbst hatte der Polizei schon kurz nach dem Verschwinden von Anne-Elisabeth den Namen des 30 bis 40 Jahre alten Kryptoexperten aus Romerike genannt. Der Mann hatte Hagen ab Herbst 2017 mehrfach getroffen und ein Investment in eine Mining-Fabrik in Ägypten vorgeschlagen. In den ersten Vernehmungen machte sich der Kryptoexperte verdächtig, indem er von sich aus von einer Entführung Anne-Elisabeths ausging und auch Monero ins Spiel brachte, obwohl die Beamten zuvor keine Details dazu preisgaben. Ab Juni 2019 wurde das Telefon des Mannes abgehört und später auch ein verdeckter Ermittler eingesetzt, der vorgeblich die Expertise des Mannes für ein Monero-Investment suchte und ihm eine überwachte Penthouse-Wohnung zur Verfügung stellte.
Mit den Entlassungen von Tom Hagen und des Kryptomannen aus der Untersuchungshaft stehen die polizeilichen Ermittlungen wieder am Anfang. Seitdem werden von den Behörden diverse Spuren verfolgt, dazu gehören die Männer bei Futurum und die Sprox-Schuhabdrücke. Am vielversprechendsten erscheint jedoch die digitale Spur. So haben die Behörden im Laufe der Ermittlungen nachweisen können, dass ein Täter schon im Juni 2018 eine Datei auf einer Pastebin mit den Daten für die Bitcoin- und Monero-Konten des oder der Täter erstellte, auf die später im Erpresserbrief verwiesen wurde. Die Datei wurde mit dem Passwort "anne" geschützt. Im Juli 2018 wurden Konten bei Online-Börsen für Kryptowährungen erstellt, über die die Kommunikation mittels Bitcoin vorbereitet wurde. Die Konten liefen auf den Namen Ole Henrik Golf. Der 29-Jährige aus Sørlandet war Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden: Eine Kopie seines Personalausweises kursiert seit mindestens Januar 2016 im Darknet. Außerdem gaben der oder die Unbekannten die Telefonnumer +47 40745668 an, welche einer SIM-Karte zugeordnet werden konnte, die in einer Filiale der Einzelhandelskette Bunnpris in Oslo zum Kauf angeboten wurde. Die SIM-Karte wurde allerdings nie aktiviert und muss deshalb auch nicht im Besitz des oder der Täter gewesen sein. Die Polizei versucht seitdem, nachzuvollziehen, wer Ausweiskopie und SIM-Karte gekauft hat. Ins Visier rückte in der Folge ein 32-jähriger Norweger mit sri-lankischem Hintergrund und Wohnsitz in Oslo. Gegen den Mann liefen zuletzt seit Silvester 2021 verdeckte Ermittlungen. Der wegen diverser Betrugsdelikte und einer Vergewaltigung vorbestrafte Mann, der bei seinen Vergehen auch Kryptowährungen nutzte und unter anderem mit Monero handelte, hatte die Ausweiskopie Golfs auf seinem Computer, der im August 2020 beschlagnahmt wurde. Auf seinem Handy wurden Screenshots von Nachrichtenartikeln zum Vermisstenfall Anne-Elisabeth Hagen entdeckt. Im Mai 2022 wurde der Mann aufgrund der gesammelten Indizien in den Beschuldigtenstatus gehoben. Bislang reichen die Ermittlungen zu diesem Mann jedoch offenbar nicht zur Anklageerhebung.
Zeitachse
Disclaimer: Alle Informationen sind durch mehrere Quellen belegt oder die Quelle wird andernfalls genannt und verlinkt.
Später soll noch auf die vier bisherigen Tatverdächtigen eingegangen werden.
Eigene Kapitel gibt es außerdem zu den vier Verdächtigen und Verdachtsmomenten gegen sie, den Spuren im Haus, dem Erpresserbrief,
der Kommunikation mit der Gegenseite, der digitalen Spur, dem bislang einzigen TV-Interview mit Tom Hagen 2020
und der Kritik an der NRK-Berichterstattung über die Bitcoin-Zahlungen.
28. Juni 2018: Nach Überzeugung der Polizei beginnt die Vorbereitung der Tat spätestens Ende Juni 2018. Ein unbekannter Nutzer meldet sich an diesem Tag auf der Plattform pasted.co an. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Pastebin, also eine Plattform, auf der sich Texte erstellen und per Link teilen lassen. Der Text beinhaltet die Adressen jeweils eines Monero- und eines Bitcoinskontos. Der Text wird mit dem Passwort "anne" geschützt. [VG]
7. Juli 2018: Der Unbekannte richtet über einen gängigen E-Mail-Anbieter die Adresse ohgolf@mail.com ein. Er nutzt dazu den VPN-Client NordVPN, welcher IP-Adresse und Standort verschleiert und suggeriert, der Nutzer befinde sich in Oslo. Verwendet werden dabei die Personalien von Ole Henrik Golf, einem 29-jährigen Selbstständigen aus Sørlandet, der Opfer eines Identitätsdiebstahls wurde. Der Unbekannte erstellt mit dieser E-Mail-Adresse und den gestohlenen Personalien noch am selben Tag Accounts bei KuCoin und Binance, zwei Online-Börsen zum An- und Verkauf von Kryptowährungen. [VG]
9. Juli 2018: Mit der E-Mail-Adresse wird bei einer dritten Kryptobörse namens Huobi ein weiterer Account erstellt. Unklar ist, ob dies lediglich eine Irreführung ist oder damit zusammenhängt, dass bei der Verifizierung der Accounts unterschiedlich hohe Anforderungen durch die Börsen gestellt werden. [VG]
10. Juli 2018: Offenbar bereits vorhandene Dash, eine bis dahin weithin unbekannte Kryptowährung, werden durch den Unbekannten über die verschleiernde PrivateSend-Funktion bei Huobi verkauft. Im Gegenzug kauft der Unbekannte Bitcoin, die später zur Kommunikation verwendet werden. [VG]
28. Juli 2018: Der Unbekannte nutzt nun auch die Pastebin Hastebin. Dort erstellte Dateien sind nur 30 Tage abrufbar. Sie kommt nicht zum Einsatz. [VG]
Nach den Vorbereitungen im Sommer 2018 tritt der Unbekannte zunächst nicht mehr in Erscheinung.
23. Oktober 2018: Anne-Elisabeth Hagen, die von ihren Freunden Lisbeth genannt wird, schreibt an diesem Morgen mit ihrer Jugendfreundin Esther. In dem Gespräch geht es um die einige Monate zuvor wieder aufgenommene Arbeit in der Firma ihres Mannes und um den neuen Hund der Familie Hagen. Außerdem erfährt Esther, dass Tom und Anne-Elisabeth für Anfang November eine Hyttetur nach Kvitfjell planen: Viele wohlhabendere Norweger haben Anwesen im weniger bevölkerten Norden des Landes und nutzen diese für Wochenendausflüge – so auch die Hagens. Da Esther es eilig hat, vereinbaren die beiden ein Telefonat am Abend. Dazu kommt es jedoch nicht, da Esther so spät nicht mehr anrufen möchte, als sie Zeit hat. [VG]
25. Oktober 2018: Anne-Elisabeth tauscht an ihrem Hochzeitstag SMS mit einer langjährigen Freundin aus. Zu ihrer Enttäuschung schenkt ihr Mann dem Jubiläum wenig Beachtung. Am Abend ist das Ehepaar dann aber zum Essen bei seiner Tochter eingeladen. [TV2] Die Freundin beschwichtigt, es sei normal, dass man den Hochzeitstag mal vergesse, und berichtet von ihren eigenen Plänen. [Nettavisen]
30. Oktober 2018: Die Hagens sind mit einem befreundeten Paar in Oslo verabredet und schauen im norwegischen Nationaltheatret ein Musical an. Die Vorstellung beginnt um 20.03 Uhr und endet erst um 22.37 Uhr. Entsprechend spät sind beide abends wieder zu Hause. [VG]
31. Oktober, 7.36 Uhr: Eine Überwachungskamera am Firmengelände von Futurum, dem Unternehmen Tom Hagens, zeichnet eine schwarz gekleidete Person auf, die außerhalb des Geländes von links nach rechts durch das Bild schreitet und zu telefonieren scheint. Kurz darauf fährt ein Fahrradfahrer durch das Bild.
8 Uhr: Ein Mann, der aussieht wie der erste, schreitet von rechts nach links durchs Bild. Er wurde bislang nicht identifiziert (zum Video).
8.45 Uhr: Anne-Elisabeth telefoniert daheim mit einer Mitarbeiterin von Futurum und Angestellten ihres Mannes. Alles sei völlig normal gewesen, sagt diese später aus. Das Gespräch dauert etwas mehr als zehn Minuten und hat anstehende Lohnzahlungen im Unternehmen, Arbeitszeittabellen und das Musical vom Vorabend zum Thema. Außerdem ist von einem Trip nach Kvitfjell noch am selben Tag die Rede. Im Hintergrund habe sie auch Tom Hagen gehört. [VG]
8.56 Uhr: Auf den Firmengebäuden auf der gegenüberliegenden Seite des Langvannet befinden sich mehrere Überwachungskameras. Sie zeichnen an diesem Morgen mehrere potentiell interessante Ereignisse auf. Für die Ermittlungen relevant ist insbesondere ein Auto, das von 8.56 Uhr an etwa 20 Sekunden lang scheinbar auf dem für Autos verbotenen Fußweg von Elveveien in Richtung Sloraveien fährt und zeitweise nur geschätzt 100 Meter vom Haus entfernt ist. Die Qualität ist allerdings sehr schlecht und lässt keine Rückschlüsse auf den Autotyp zu. [VG]
9 Uhr: Tom Hagen verlässt nach eigener Aussage das Haus etwa eine Stunde später als gewöhnlich und fährt mit seinem Citroën Picasso zur Arbeit. Der Grund für die Verspätung sei die späte Rückkehr aus Oslo am Vorabend. [Nettavisen] Zu Futurum sind es mit dem Auto sieben oder acht Minuten.
9.06 Uhr: Anne-Elisabeth ruft ihre Tochter an. Ein Gespräch kommt aber nicht zustande, das Telefonat bricht nach drei Sekunden ab. [VG]
Gegen 9.08 Uhr: Der Citroën von Tom Hagen fährt am Futurum-Gelände vor. Die Überwachungskameras am Gelände zeichnen die Ankunft auf. Die Qualität der Bilder ist zwar sehr schlecht, die Polizei geht aber davon aus, dass Tom Hagen den Wagen fährt. [VG]
9.10 Uhr: Anne-Elisabeth schreibt ihrer Tochter kurz darauf stattdessen eine SMS: "Hallo [Tochter]. Theater gestern war toll. Schön, [Freund des Ehepaars] und seine Frau zu treffen. Wir werden wahrscheinlich erst morgen früh abreisen und haben gegen 11 Uhr ein Treffen in Lillehammer. Dann kann ich heute Abend/Nacht Kindermädchen sein." [VG]
9.14 Uhr: Anne-Elisabeth ruft von ihrem Handy aus ihren Sohn an. Der Sohn wird nach einer schlechten Nacht durch den Anruf geweckt und soll nicht sehr gesprächig gewesen sein. Das Gespräch dauert nur 92 Sekunden. In der kurzen Unterhaltung sei es um Halloween, Babysitting und abermals die anstehenden Lohnzahlungen bei Futurum gegangen. Auch der Sohn arbeitet dort. Das Gespräch ist das letzte gesicherte Lebenszeichen von Anne-Elisabeth. [VG]
9.48 Uhr: Der benachbarte Elektriker Tommy Skansen versucht, Anne-Elisabeth zu erreichen. Sie nimmt nicht ab und ruft auch nicht zurück. Skansen findet das bereits sehr ungewöhnlich für sie. Zwei Wochen zuvor hatten Skansen und Hagen einen Termin zum Wechsel der Lampen in der Küche vereinbart. [VG]
9.50 Uhr: Der Sohn von Anne-Elisabeth Hagen kann sie weder telefonisch noch per SMS erreichen. [VG]
10.06 Uhr/10.07 Uhr: Tom Hagen ruft in diesen Minuten zwei Mal auf dem Mobiltelefon seiner Frau an. Das ergibt die spätere Auswertung ihres Mobiltelefons. [VG] Nach Aussage Hagens hatten die beiden vereinbart, an diesem Morgen zu telefonieren, um die Hyttetur zu planen. [NRK]
10.07 Uhr: Das Handy von Anne-Elisabeth wird zum letzten Mal bewegt. Das ergeben Bewegungsdaten des Handys. [NRK]
12.30 Uhr: In Ås gut fünf Kilometer südlich von Oslo taucht laut der Zeugin Irene zu dieser Zeit ein roter BMW X3 mit dreckigem Kennzeichen auf. Sie beobachtet, wie der Fahrer des BMW einem anderen Auto die Vorfahrt nimmt und kurz darauf nur sehr langsam direkt an ihr vorbeifährt, da er auf ein einparkendes Auto wartet. Auf den vorderen Sitzen sind demnach zwei teilweise vermummte Männer und hinten eine blasse, hilfsbedürftig aussehende Frau, die Blickkontakt sucht und dem Anschein nach gefesselt ist. Irene wird die Frau später für Anne-Elisabeth Hagen halten. [TV2] Nachdem Irene im Fernsehen von ihrer Sichtung berichtet, meldet sich mit Gro Eriksen eine weitere Frau aus Ås, die eine ähnliche Beobachtung 900 Meter entfernt gemacht haben will. [TV2]
Tom Hagen ruft an diesem Vormittag insgesamt acht Mal erfolglos bei seiner Frau an. Die vorerst letzten Male davon um 13.06 Uhr, 13.08 Uhr und 13.18 Uhr. Eine ihrer Töchter versucht es ebenfalls mit Telefonanrufen und SMS bei ihr. Um 13.19 Uhr ruft Tom Hagen seinen Sohn an. Diesem gegenüber kündigt Hagen an, von der Arbeit nach Hause zu fahren und nach dem Rechten zu sehen, da er sich Sorgen um Anne-Elisabeth mache, so der Sohn in späteren Befragungen. [VG]
13.30 Uhr: Dreieinhalb Stunden früher als sonst bricht Hagen aus Sorge um seine Frau an seiner Arbeitsstelle auf und fährt nach Hause. [VG]
Vor der Haustür bemerkt Tom Hagen nach eigener Aussage eine rund ein Meter lange Schwarte, also ein äußeres Stück eines Baumstamms. "Als ich das gesehen habe, wusste ich, dass etwas nicht stimmt. Ich dachte aber erst an einen Herzinfarkt", so Hagen später in einem Fernsehinterview. [NRK]
13.40 Uhr: Hagen ist im Haus und hört zunächst das Festnetztelefon klingeln. Seine Tochter ist am Apparat und fragt ihn, ob er wisse, wo die Mutter ist. Nach eigener Aussage hat er sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Haus umgeschaut und kann die Frage deshalb nur verneinen. [VG]
13.46 Uhr: Tom Hagen versucht es vom Festnetz im Arbeitszimmer telefonisch auf dem Handy von Anne-Elisabeth. Das Handy liegt auf einem sichelförmigen Tisch im TV-Zimmer neben der Tür zum Flur, der Lautstärkeregler des Handys ist bei zwei Drittel – Tom Hagen aber hört das Klingeln nicht, wie er später in Vernehmungen aussagt. [TV2]
Hagen begibt sich nach eigener Aussage auf die Suche nach Anne-Elisabeth zunächst ins Obergeschoss und in den Keller. Im Wohnzimmer im Erdgeschoss findet er wimmernd den Familienhund Tassen vor. Anschließend geht er in die Garage. Erst bei der Rückkehr aus der Garage sieht Hagen dann den Schmuck seiner Frau und den Erpresserbrief auf dem roten Stuhl im Flur. Auch das angrenzende Bad, in dem Kleidung von Anne-Elisabeth auf dem Boden liegt, sichtet er nun. Als er im Wohnzimmer den Briefumschlag öffnet und den ersten Satz des Erpresserbriefs liest, wird ihm bewusst, was sich im Haus zugetragen hat. [VG]
14 Uhr/14.01 Uhr: Tom Hagen informiert telefonisch seinen Sohn und seine Tochter. [VG]
14.08 Uhr: Trotz der eindeutigen Warnungen vor einem Einschalten der Polizei in dem Drohschreiben wählt Hagen den Notruf. Er wirkt "leicht geschockt" und bittet darum, dass die Polizei in zivil erscheint - diese hat aber keine zivilen Fahrzeuge zur Verfügung. Aus Sicherheitsgründen entscheiden die Beamten, sich an einer Shell-Tankstelle an der Straße Knatten einige hundert Meter vom Haus entfernt mit Hagen zu treffen. Das Telefonat dauert sieben Minuten. [TV2]
Etwa zur gleichen Zeit kommt der Sohn Hagens nach einer Benachrichtigung seines Vater nach Hause. [VG]
Rund zwanzig Minuten später erscheint Hagen an der Tankstelle und überreicht drei Polizisten den Erpresserbrief. [TV2]
November 2018: Das Verschwinden der 68-Jährigen löst Großalarm bei der Polizei aus. Hauptkommissar Tommy Brøske vom örtlichen Polizeibezirk Øst übernimmt die Ermittlungen. Der Polizeibezirk Oslo, die für schwere Verbrechen zuständige Kriminalpolizei, die Behörde Økokrim zur Bekämpfung von Wirtschafts- und Computerkriminalität und das Sondereinsatzkommando werden ebenfalls hinzugezogen. Interpol und Europol sind informiert. Trotz schwerwiegender Bedenken, dass durch Unterlassen traditioneller Ermittlungsschritte wichtige Spuren verloren gehen, entscheiden sich die Beamten für die Geheimhaltung. Nachbarn werden noch am selben Tag zum angeblichen Verschwinden einer 13-Jährigen oder einer Einbruchsserie befragt. Kriminaltechniker kommen in Autos mit gefälschten Kennzeichen zu Sloraveien 4. Nach den mehrwöchigen Untersuchungen im Haus geht die Polizei davon aus, dass Anne-Elisabeth im Bad angegriffen wurden. Einige Nachbarn wundern sich über den erhöhten Verkehr – und darüber, dass in Hagens Haus mittlerweile rund um die Uhr die Lichter brennen. [VG] Sämtliche Aufzeichnungen von Überwachungskameras im Umkreis werden sichergestellt. [VG]
2. November 2018: Tom Hagen wird zum ersten Mal umfangreich angehört. Aus Sicherheitsgründen findet das Gespräch im Hotelzimmer in Lillehammer statt. Es geht vor allem daran, dem Unternehmer zu erklären, was für die Kommunikation über Bitcoin notwendig ist. Hagen sagt, er habe indirekt das Gefühl gehabt, dass man ihm von der Zahlung abrät, aber wolle nochmal hören, was die Polizei davon hält, da er sich selbst noch nicht entschieden habe. Er befürchte auch, dass die Entführer ihm absichtlich eine für ihn unlösbare Aufgabe gestellt haben, um zu erfahren, wenn er die Polizei einschaltet. [VG] Über seine Frau erzählt Hagen den Beamten, dass sie mental sehr stark sei und die Entführer vielleicht sogar schon für sich gewonnen habe. Wahrscheinlich werde sie behaupten, er sei eiskalt und würde ohnehin nichts zahlen, so Hagen. [VG] Er macht die Polizisten außerdem auf einen Mann aufmerksam, mit dem er seit Herbst 2017 sechs oder sieben Gespräche über ein mögliches Investment in Kryptowährungen geführt habe. Thema waren eine sogenannte Mining-Fabrik sowie ein Handel mit Bitcoin. Er selbst sei an Kryptowährungen interessiert, aber technisch unfähig, behauptet Hagen. An den richtigen Namen des Mannes, mit dem letztlich keine Geschäftsbeziehung zustande kam, kann er sich nicht erinnern. Die Polizei identifiziert ihn als einen 30 bis 40 Jahre alten Mann aus Romerike aus. [VG]
2. November 2018, 18.32 Uhr: Die Hagen-Seite sendet eine Bitcoin-Summe in Höhe ähnlich des Codes mit der Bedeutung: "Ich werde in sieben Tagen Moneros schicken." [Kryptografen]
Ein Kind der Hagens beschuldigt in einem Brief im darauffolgenden Oktober die Polizei, dass diese Überweisung nicht mit der Familie abgesprochen worden war: "Wie sollte dann die Taktik aussehen? Wer A sagt, muss auch B sagen. Sie haben Geld versprochen und erklärt, dass der Prozess im Gange ist. Ich hatte das Gefühl, dass mein Vater von der Polizei unter Druck gesetzt wurde. Sie haben, wie ich es sehe, mit allen Mitteln darauf gedrängt, dass er den vollen Betrag zahlt." Demnach habe die Polizei der Familie gegenüber von einem "technischen Versehen" gesprochen und ihr Bedauern ausgedrückt. [TV2]
10. November 2018, 23.19 Uhr: Die Gegenseite meldet zurück: "Wenig Zeit, schnell oder sie stirbt." [Kryptografen]
13. November 2018, 11.31 Uhr: Die Hagen-Seite schickt den Code: "Ich habe Probleme, brauche mehr Zeit." [Kryptografen]
18. November 2018: Ein Mann meldet sich von sich aus bei der Polizei und möchte eine Aussage machen. Die Person hatte im Zusammenhang mit der Ehekrise 1993 zwischen Anne-Elisabeth und Tom Hagen einen polizeibekannten Konflikt mit dem Ehemann und gab damals an, sich von Hagen mit dem Tode bedroht zu fühlen. In drei Anhörungen, beginnend am Folgetag, sagt er nun aus, er sei ganz sicher, dass Tom Hagen hinter dem Verschwinden seiner Frau stecke. Er sei regelmäßig bei der Familie in Lørenskog zu Besuch gewesen und habe Anne-Elisabeth bis zuletzt geraten, die Ehe zu verlassen. [Nettavisen]
23. November 2018: Im Schlafzimmer von Sloraveien 4 finden die Beamten insgesamt fünf Waffen: In einer Seekiste liegen drei defekte Pistolen, darunter eine aus dem Zweiten Weltkrieg, sowie eine funktionstüchtige Smith & Wesson, die nicht auf Hagen angemeldet sind. Am Bett steht eine geladene Schrotflinte, die zwar angemeldet ist, aber eigentlich im Waffenschrank im Erdgeschoss aufbewahrt werden muss. Hagen wird wegen illegalen Waffenbesitzes angeklagt. Wie sein späterer Anwalt Svein Holden nach Veröffentlichung im Dezember 2020 bestätigt, hatte Hagen schon immer ein Interesse an Waffen, sammelte sie antiquarisch und war Mitglied im Schützenverein. Die Schrotflinte habe er aus Angst, dass die Täter zurückkommen könnten, an sein Bett geholt. [NRK]
30. November 2018, 16.17 Uhr: Die Gegenseite schickt zwei Mal den Code: "Wenig Zeit, schnell oder sie stirbt." [Kryptografen]
1. Dezember 2018, 11.02/13.15 Uhr: Die Gegenseite schickt drei Mal den Code: "Wenig Zeit, schnell oder sie stirbt." [Kryptografen]
4. Dezember 2018: Der Kryptoexperte, auf den Hagen in einer Befragung Anfang November aufmerksam machte, nimmt erstmals auf einem Verhörstuhl auf der Polizeistation in Lillestrøm Platz. Viel erfährt er nicht – nur, dass Tom Hagens Frau in Sloraveien 4 vermisst wird. Völlig uneingeladen fängt der 30 bis 40 Jahre alte Mann an, über Entführungen und die Kryptowährung Monero zu reden. Der Mann sagt, er wisse, dass Monero unter anderem in den Vereinigten Staaten bei Entführungsfällen eingesetzt worden sei. Damit redet er sich ins Blickfeld der Mordermittlungen. Ab dann trägt er den Namen Kryptomannen. [VG]
6. Dezember 2018: Die Polizei passt Ole Henrik Golf nach seiner Rückkehr von einer Techkonferenz in Helsinki am Flughafen Oslo-Gardermoen ab und verhört den 29-Jährigen über sieben Stunden. Golf erfährt von dem Missbrauch der Kopie seines Ausweises. Für die Tat in Lørenskog wird er ausgeschlossen. [VG]
10. Dezember 2018, 14.16/15 Uhr: Die Hagen-Seite schickt erstmals in der Bitcoin-Blockchain zwei eigene Nachrichten mit: "dec0de" und "decode hex in monero to ascii". Vermutlich hat sie zuvor über Monero eine Mitteilung geschickt, die mit dem Standardcode ASCII entschlüsselbar ist. [Kryptografen]
20.58 Uhr: Die Gegenseite reagiert und schickt zwei Mal den Code: "Wenig Zeit, schnell oder sie stirbt." [Kryptografen]
14. Dezember 2018, 9.59 Uhr: Die Hagen-Seite schickt bei Bitcoin erneut eine Nachricht mit: "cee face ae". Sie fordert damit offensichtlich ein Lebenszeichen von Anne-Elisabeth. [NRK] Die Veröffentlichung dieses Umstandes durch den Sender NRK im Juni 2020 löst heftige Kritik aus (siehe Kapitel).
Um den dritten Advent herum kehrt Tom Hagen ins Haus zurück. Der Ehemann der Vermissten war bislang bei einem Familienmitglied in der Nähe untergekommen und hat auch weiter bei Futurum gearbeitet. Nun ist von der Seite des Langvannet aus Weihnachtsschmuck in den Fenstern zu sehen. [VG]
20. Dezember 2018: Der Kryptomannen aus Romerike wird ein zweites Mal durch die Polizei verhört. Die Beamten konfrontieren ihn mit seinen verdächtigen Aussage aus der ersten Vernehmung. Der Mann rechtfertigt sich damit, dass die Entführung eine Verbindung sei, die er selbst hergestellt habe, als er hörte, dass sie vermisst werde, und dass er in den Medien von solchen Fällen gelesen habe. Dass eine Kryptowährung im Spiel sein könnte, war ihm aufgrund der Möglichkeit, Spuren zu verbergen, in den Sinn gekommen. Sein einziger Wunsch sei, dass Anne-Elisabeth gefunden wird. [VG]
21. Dezember 2018: Die Polizei lädt die Redakteure der Medien in die Polizeistation in Ski ein, die über das Verschwinden von Anne-Elisabeth Bescheid wissen. Die zentrale Botschaft ist, dass die Medien nicht berichten sollen, da weiterhin eine sehr große Gefahr für Leben und Gesundheit besteht. [VG]
Am 27. Dezember, 18.34 Uhr und 2. Januar, 20.54 Uhr/21.05 Uhr schickt die Gegenseite erneut insgesamt drei Mal: "Wenig Zeit, schnell oder sie stirbt." [Kryptografen]
7. Januar 2019: Tom Hagen und seine Kinder erscheinen zu einem fünfstündigen Treffen mit der Polizei. Dabei wird gemeinsam an einem Plan gearbeitet, um das Verschwinden endlich an die Öffentlichkeit zu bringen. [VG]
9. Januar 2019: Ermittlungsführer Tommy Brøske eröffnet um 11 Uhr vor einer großen Anzahl Journalisten und Fotografen die Pressekonferenz: "Der Polizeibezirk Ost ermittelt seit mehreren Wochen in einem Fall, in dem eine Frau aus ihrem Haus in Fjellhamar bei Lørenskog vermisst wird. In dem Fall wird wegen Freiheitsberaubung nach § 255 StGB ermittelt. Das letzte bestätigte Lebenszeichen stammt vom Mittwoch, 31. Oktober 2018." Die Medien warten bereits frühzeitig mit exklusiven Informationen und Interviews auf. Es gehen zahlreiche Hinweise ein. Die Beobachtung eines Spaziergängers, Angler am gegenüberliegendem Ufer hätten im September vor der Tat nicht nur Angelwerkzeug, sondern auch auffällige schwere Objektive dabei gehabt, führt ebenso zu keinem Ergebnis wie die 1300 weiteren Hinweise. [VG]
16. Januar 2019: Die angeblichen Entführer melden sich nach knapp zwei Wochen Pause und erstmals nach der Pressekonferenz wieder bei der Familie und schicken per Bitcoin-Überweisung den Code für: "Wenig Zeit, schnell oder sie stirbt." [Kryptografen]
23. Januar 2019: Berufstaucher durchsuchen trotz geschlossener Eisdecke den See Langvannet hinter dem Haus. "Wir suchen im Langvannet nicht nach Anne-Elisabeth Hagen, sondern nach relevanten Hinweisen, die mit dem Fall in Verbindung gebracht werden können", so Kommissar Christian Berge. [NRK]
24. Januar 2019: Familienanwalt Svein Holden informiert die Öffentlichkeit auf einer Pressekonferenz über die eine Woche zuvor eingegangene Nachricht. Den Inhalt der Nachricht und die Kommunikationsweise benennt er dabei nicht. "Wir sehen es als klares Zeichen, dass Anne-Elisabeth lebt und die Familie sie zurückbekommen kann. Wir möchten aber mit denen, die sie haben, besser in Kontakt treten, damit wir einen sicheren und guten Prozess einleiten können, um sie so schnell wie möglich sicher nach Hause zu bringen", so Holden. Ein klares Lebenszeichen stehe noch aus. [VG]
27. Januar 2019: Svein Holden und die Polizei erhalten nun erstmals eine E-Mail von den angeblichen Entführern. Die Nachricht ist über den Service Tor Mail erfolgt und deshalb nicht rückverfolgbar. In der in gebrochenem Norwegisch verfassten E-Mail werden 2,25 Millionen Euro in Monero für ein Lebenszeichen gefordert. Als Frist wird Freitag, der 11. Februar, 23 Uhr mitteleuropäischer Zeit gesetzt: "Der Beweis dafür, dass sie lebt, wird ein Bild von Anne-Elisabeth mit einer tagesaktuellen Zeitung aus Norwegen aus verschiedenen Blickwinkeln sein. Wir verwenden kein Photoshop. Wenn Sie den Beweis erhalten haben, wollen wir den Rest des Geldes." Die Verfasser der E-Mail verweisen auf die Uhr und die Ringe auf dem Stuhl und zeigen damit klar Täterwissen. [Nettavisen]
Polizeiintern kommen Zweifel an dem Entführungsszenario auf: Warum haben es die Entführer so wenig eilig und warten mit einem Lebenszeichen? [VG]
7. Februar 2019: Tom Hagen kauft für knapp 2,8 Millionen Euro Monero. [VG]
11. Februar 2019: Ermittlungsleiter Tommy Brøske informiert die Öffentlichkeit in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz über die Nachricht der angeblichen Entführer über eine besser geeignete Plattform. Ein Lebenszeichen von Anne-Elisabeth habe die Nachricht nicht enthalten, so Brøske: "Wir empfehlen der Familie, die Verhandlungen erst dann aufzunehmen, wenn ein Lebenszeichen vorliegt. Das Wichtigste ist, dass das Lebenszeichen datiert werden kann." [Nettavisen] Familienanwalt Svein Holden tritt noch am selben Abend in Mo i Rana vor die Presse: "Die Familie findet es gut, dass besser als zuvor Kontakt zu ihnen aufgenommen wurde. Schade ist, dass es sich um eine einseitige Kommunikation handelt. Der Familie wurde keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Entführung ist schon eine Weile her und man weiß nicht, ob sie noch lebt. Die Polizei rät, nichts zu unternehmen, bis sie ein Lebenszeichen erhalten. Die Familie wird diesem Rat folgen." [Nettavisen] Die um 23 Uhr ablaufende Zahlungsfrist aus der E-Mail erwähnt weder Brøske noch Holden.
Innerhalb der Familie Hagen gibt es mittlerweile Zweifel an der Haltung der Polizei. Auch eine Zahlung der geforderten Summe wird diskutiert. [VG]
März 2019: Während die Familie auf eine Antwort wartet, geht Tom Hagen wie gewohnt seiner Arbeit nach. Er redet mit seinen Kollegen, aber wenig über die Sache. Eine ihm nahestehende Person erlebt ihn als vom Warten betroffen und gestresst. Mitte des Monats reist er sogar mit einigen Kollegen zu einer Vorstandssitzung nach Kopenhagen. Gegenüber anderen äußert er, dass er versuchen werde, trotz der Umstände so normal wie möglich zu leben. [VG]
20. März 2019: Der norwegische Musikproduzent Truls Birkeland erscheint mit zwei Koffern in Sloraveien 4. Was genau seine Aufgabe ist, möchte er nicht sagen. [NRK] Medienberichten zufolge geht es unter anderem um den Anruf vom Festnetz auf Anne-Elisabeths Handy um 13.46 Uhr kurz nach Hagens Rückkehr nach Hause, von dem der Ehemann später erklärte, er habe das Klingeln des Handys nicht wahrgenommen. Birkelund geht demnach von Raum zu Raum, um Hörbarkeit und Lautstärke zu prüfen. Die Polizei kommt zu dem Schluss, dass das Klingeln eigentlich hätte gehört werden müssen. [VG]
11./12. April 2019: Die Polizei sucht nun auch mit Spürhunden auf dem Grundstück von Sloraveien 4 von der Einfahrt bis hinten zum Wasser. "Der Grund, warum die Untersuchungen gerade jetzt durchgeführt werden, ist unter anderem, dass wir gewartet haben, bis der Schnee verschwunden ist", so Ermittlungsleiter Tommy Brøske. [Dagbladet]
29. April 2019: Die Polizei bekommt nun auch Unterstützung von der schwedischen Polizei. Der speziell für die Suche im Wasser ausgebildete Spürhund Cross war schon 2017 bei der Suche nach der vermissten schwedischen Journalistin Kim Wall erfolgreich. In Lørenskog ist Cross zusammen mit einem weiteren schwedischen und zwei norwegischen Hund im Einsatz. Abgesucht werden der Langvannet sowie der Vesletjern ebenfalls unweir des Hauses. [VG]
Im April 2019 diskutiert die Polizei mit Tom Hagen außerdem eine Drei-Schritt-Strategie: Hagen solle eine E-Mail an die Entführer schreiben, kurz darauf eine Pressekonferenz abhalten und anschließend Geld überweisen. Hagen aber stimmt nicht zu. "Er brachte zum Ausdruck, dass er davon nichts hält. Er wollte diskret verhandeln, nicht auf Pressekonferenzen", so eine Quelle im Umfeld der Ermittlungen. Die Strategie wird nicht angewendet. [VG] Ebenfalls in diesem Monat werden zahlreiche Geschäftskontakte von Tom Hagen langen und detaillierten Verhören unterzogen. [VG]
16./17. Mai 2019: Tom Hagen möchte in den Verhandlungen in die Offensive kommen und nimmt nach fast vier Monaten ohne Nachricht erstmals selber per E-Mail Kontakt zu den angeblichen Entführern auf. Da ihm gesagt wurde, dass diese die E-Mails aus Gründen der Nachverfolgbarkeit möglicherweise nicht öffnen würden, nutzt er lediglich die Betreffzeile und schreibt entsprechend gleich einige Mails. Hagen berichtet darin, dass er Monero gekauft habe. Wenn die andere Partei dieses Geld will, müsse sie innerhalb einer kurzen Frist antworten. Hagen korrigiert außerdem inhaltliche Fehler aus der E-Mail der Gegenseite über am Tatort zurückgelassene Gegenstände. Er stellt richtig, dass vier Prozent seines Vermögens nicht 9 Millionen Euro entsprechen, wie im Erpresserbrief geschrieben war, und schlägt damit eine neue Lösegeldsumme vor. [VG]
20. Mai 2019: Hagen verkauft seinen Citroën Picasso an einen Gebrauchtwagenhandel in Hakadal. Darüber landet er bei einem Mann aus Vestland. [BT]
4. Juni 2019: Die Behörden verfolgen der am 31. Oktober bei Futurum gesichteten Männer nicht weiter. "Die Polizei glaubt nun, Beweise dafür zu haben, dass es unwahrscheinlich ist, dass die beiden Männer am Verschwinden von Anne Elisabeth Hagen beteiligt waren. Nach einer umfassenden Prüfung hat sich die Polizei daher dafür entschieden, das Futurum-Projekt einzustellen, obwohl die beiden nicht identifiziert wurden", so Tommy Brøske gegenüber der Verdens Gang.
6. Juni 2019: Die Polizei konzentriert sich stattdessen auf den verdächtigen Kryptomannen und beginnt die Telefonüberwachung des Mannes. [VG]
26. Juni 2019: Dramatische Wende im Fall Hagen: Tommy Brøske gibt auf einer Pressekonferenz in Lillehammer die Änderung der "Haupthypothese" bekannt. Man gehe nun davon aus, dass Anne-Elisabeth getötet wurde. Das "impliziert außerdem die Hypothese, dass versucht wurde, den Mord durch eine vorgetäuschte Entführung zu vertuschen", so Brøske, "Hintergrund ist unter anderem die vergangene Zeit. Das fehlende Lebenszeichen trotz wiederholter Aufrufe der Familie durch deren Anwalt, die Wahl einer ungeeigneten Kommunikationsplattform, eine sehr eingeschränkte Kommunikationsbereitschaft und nicht zuletzt der fehlende Kontakt in den letzten Monaten, eine komplizierte Zahlungsform mit auffallend geringer Bereitschaft, um das Lösegeld zu kassieren, und darüber hinaus eine Gesamtbewertung der bisherigen Ermittlungen." Ausgeschlossen werden eine Entführung aus finanziellen Motiven aber nicht. [Nettavisen]
8. Juli 2019: Familienanwalt Svein Holden erhält erneut eine Tor-E-Mail. Der Text ist relativ lang und in gebrochenem Norwegisch verfasst. Inhalt und Sprache deuten darauf hin, dass der Verfasser auch den Erpresserbrief in Sloraveien 4 abgelegt und die erste E-Mail geschrieben hat. In der Nachricht wird behauptet, dass Anne-Elisabeth noch lebe, für ein Lebenszeichen würden aber nun 1,35 Millionen Euro in Monero gefordert: "Tom, bist du jetzt bereit für Verhandlungen? Verstehst du, dass es ein verdammter Fehler ist, uns zu ficken? Anne-Elisabeth Hagen braucht medizinische Hilfe. Wir haben nur die Grundlagen", heißt es dort, "Sie brauchen lange, keine Garantie, wie lang sie noch lebt." Holden leitet die E-Mail an Oberpolizeianwalt Haris Hrenovica weiter. [VG]
9. Juli 2019: Im Polizeigebäude zahlt Hagen die geforderten 1,35 Millionen Euro in Monero. Die Polizei filmt den Vorgang. [VG]
In Polizeikreisen wachsen durch die erneute Kommunikation die Zweifel: Warum kommt diese Nachricht jetzt – mehr als fünf Monate nach der vorherigen? Und warum kommt es, kurz nachdem die Polizei die Haupthypothese auf Mord geändert hat? Tom Hagen selbst rückt jetzt in den Fokus der Ermittlungen. [VG]
6. August 2019: Svein Holden tritt erneut vor die Presse und berichtet von der E-Mail von Anfang Juli. "Ich kann auf die meisten Inhalte nicht öffentlich eingehen, aber es gibt zwei Umstände, die ich hervorheben kann: Wir verstehen die Anfrage als eine klare und eindeutige Antwort auf eine Botschaft, die wir der Gegenpartei Mitte Mai übermittelt haben. Zweitens wird eindeutig gesagt, dass Anne-Elisabeth Hagen am Leben ist, aber bis heute haben wir keinen Beweis dafür erhalten, dass dies richtig ist", so Holden, "es würde mich überraschen, wenn die Polizei jetzt ausschließen würde, dass Hagen noch am Leben sein könnte. Die Familie hat dies immer als einen Entführungsfall betrachtet, und der 8. Juli hat die Überzeugung bestärkt, dass es genau das ist, um was es geht." [VG]
28. August 2019: Tommy Brøske bittet auf einer Pressekonferenz um Hinweise. Gesucht wird der Käufer eines bestimmten Schuhs der Marke Sprox in der Größe 44, 45 oder 46 im Zeitraum von August 2016 bis Mai 2019: "Wir halten den Schuhabdruck für interessant, da er an einer Stelle am Tatort vorgefunden wurde, der für die von uns untersuchte Straftat relevant ist. Interessant ist auch die Art und Weise, wie der Abdruck hinterlassen wurde. Wir halten es für wahrscheinlich, dass der Schuhabdruck von einem Täter stammt." 1590 Paare dieses Schuhs wurden in dem genannten Zeitraum in Sparkyøp-Läden in Norwegen verkauft – 62 davon in der Filiale im Metrocenter in Lørenskog. Brøske betont auch, dass "sich an der Haupthypothese der Polizei nichts ändert". [Nettavisen]
Oktober 2019: Hagen schickt in Abstimmung mit der Polizei per E-Mail einen "Honeypot" – eine Nachricht, auf die das Gegenüber vermeintlich eingehen muss. Der Inhalt der E-Mail ist nicht bekannt, aber Hagen ist mit ihm nicht besonders glücklich. Die Nachricht bleibt unbeantwortet. [VG]
19. Dezember 2019: Die Polizei kehrt in die Sloraveien 4 zurück. Während erneut der Musikproduzent Truls Birkeland im Haus arbeitet, verlässt ein Beamter vier Mal das Haus, setzt seinen Wagen um und kehrt zurück. Die Hintergründe werden nicht bekannt. "Bei allen größeren Ermittlungen bekommen wir Antworten, die zu neuen Fragen führen. Einigen davon müssen neue Untersuchungen folgen", so Ermittlungsleiter Tommy Brøske. [VG]
Anfang 2020: Nach der Telefonüberwachung im Sommer des Vorjahres möchte die Polizei noch näher an den Kryptoexperten aus Romerike heranrücken. Auf Facebook nimmt ein Beamter Kontakt zu dem etwa 30-Jährigen auf und vermittelt ihn an den verdeckten Ermittler Frank. Frank bittet den Kryptomannen als vermeintlicher Investor um seine Expertise und Mithilfe bei dem Investment von 10 Millionen Kronen in Monero. Der Kryptomannen soll dazu in einer Penthouse-Wohnung in der Hochhausreihe 'Barcode' in Oslo arbeiten, soll dort keine Gäste empfangen und nur Franks technisches Equipment nutzen. [VG]
Februar 2020: Hagen verschickt erneut eine E-Mail lediglich mit Text in der Betreffzeile an die Entführer. Sie kann nicht mehr zugestellt werden. [VG]
Außerdem schreibt Hagen in diesem Winter zahlreiche E-Mails an die Polizei mit etwaigen Ermittlungsansätzen – einige davon sind über 20 Seiten lang. Ein guter Freund, der ihn Ende der 1980er Jahre als Redakteur kennengelernt hat, hilft ihm und verbringt ganze Tage im Futurum-Büro. "Schreiben ist innere Medizin", sagt Hagen Freunden. Mehrfach verweist er in Briefen darauf, dass die Täter offenbar viel über ihn wissen, und nennt für ihn verdächtige Geschäftskontakte auch namentlich. In Polizeikreisen werden die E-Mails zwar gelesen, aber geradezu wie Verschwörungstheorien behandelt. [VG]
26. März 2020: Der Kryptomannen zieht in die Penthouse-Wohnung in Oslo. Es beginnt die Abhörung der Wohnung und des Computers. [VG]
Ende März 2020: Zugleich beginnen die Untersuchungen gegen Tom Hagen. Der nach Vestland verkaufte Citroën Picasso wird beschlagnahmt. [BT]
3. April 2020: Die Coronakrise trifft Norwegen hart. Zwischen Polizei und Hagen findet eine Videokonferenz statt. Die Beamten informieren ihn, dass sie optimistisch sind, den Fall zu lösen, ohne aber Details zu nennen. Hagen erklärt Freunden gegenüber, er habe nie ein besseres Gespräch mit der Polizei gehabt. [VG]
27. April 2020: Zum zweiten Mal wird die dem Kryptomannen vom verdeckten Ermittler zur Verfügung gestellte Penthouse-Wohnung durchsucht. [VG]
28. April 2020: Die Polizei fängt Tom Hagen um 8.30 Uhr auf dem Weg zu seiner Arbeitsstätte ab und nimmt ihn unter dem Verdacht der Beteiligung an der Ermordung seiner Frau fest. Ursprünglich war eine Verhaftung in Sloraveien 4 geplant, die Beamten müssen aber ein Sonderkommando einsetzen, da Hagen eine andere Haustür nutzt und zu schnell vom Hof fährt. [Aftenposten] Auf einer Pressekonferenz gibt Ermittlungsleiter Tommy Brøske bekannt, dass sich die geänderte Haupthypothese konkretisiert habe. Man vermute Mittäter, weitere Verhaftungen seien denkbar, aber bisher nicht erfolgt. "Die Polizei geht mittlerweile davon aus, dass keine Entführung stattgefunden hat. Und dass es daher weder einen echten Verhandlungspartner noch die Absicht zu echten Verhandlungen gegeben hat. Mit anderen Worten: Die Polizei geht davon aus, dass der Fall die Merkmale einer eindeutig geplanten Täuschung trägt", so Brøske. Polizeianwältin Åse Kjustad Eriksson erklärt, dass sie beim Bezirksgericht Nedre Romerike eine vierwöchige Untersuchungshaft aufgrund der Gefahr der Beseitigung von Beweismitteln beantragt hat und Hagen am Folgetag dem Haftrichter vorgeführt werden soll. Bei Futurum beschlagnahmen die Polizei mehrere Kartons mit Material. Das Gelände rund um das Haus in Sloraveien 4 wird abgesperrt und am Morgen von Kriminaltechnikern der Kripos mit einem Hund durchsucht. Auch das Ferienhaus in Kvitfjell mitsamt des Grundstücks wird in den kommenden Tagen intensiv untersucht und mit 3D-Scannern kartiert. [NRK]
Hagen bestellt Familienanwalt Svein Holden als persönlichen Anwalt ein. Der bestreitet der Presse gegenüber eine Tatbeteiligung seines Mandaten. [VG]
Am selben Tag ist der Kryptomannen vor der ihm von Frank zur Verfügung gestellten Wohnung mit dem vermeintlichen Investor verabredet. Entgegen der Absprache hat er in der Nacht zuvor seine Freundin in der Penthouse-Wohnung übernachten lassen. Frank fährt mit dem Verdächtigen zum Flughafen Oslo-Gardermoen. Dort will er einen weiteren Investor mit dem Alias-Namen Tore Tangen treffen. Das Treffen scheitert. Auf Hin- und Rückfahrt ist die Verhaftung Hagens das Gesprächsthema zwischen den beiden. Seiner Freundin gegenüber vermutet er jetzt zeitnah weitere Anhörungen seiner Person. [VG]
29. April 2020: Das Bezirksgericht Nedre Romerike gibt dem Antrag der Polizeianwaltschaft auf eine vierwöchige Untersuchungshaft für Tom Hagen mit Verweis auf die Verdunkelungsgefahr statt. Die Zeit soll nach Auskunft der Polizei zur Klärung des Verbleibs von Anne-Elisabeth und zur Ermittlung weiterer Beteiligter genutzt werden. Hagens Anwalt Holden sieht indes nur eine "sehr magere Grundlage für eine Verhaftung" gegeben. [NRK]
3. Mai 2020: Rechtsanwalt Holden reicht offiziell Berufung gegen die angeordnete Untersuchungshaft an. [TV 2]
7. Mai 2020: Tom Hagen erstreitet die Entlassung aus der U-Haft nach acht Tagen. Zwei von drei Richtern am Berufungsgericht Eidsivating entscheiden zu seinen Gunsten: "Nach Ansicht unserer Mehrheit tragen mehrere der Beweisstücke, die die Polizeianwaltschaft als Grundlage für den Verdacht herangezogen hat, kaum dazu bei, den Vorwurf des Mordes oder der Mittäterschaft am Mord zu stützen." Die Polizei legt wiederum Berufung beim Obersten Gerichtshof ein und verhindert damit die kurzfristige Freilassung. Das Höchstgericht könnte die Entscheidung des Berufungsgerichts aber nur bei Feststellung eines Verfahrensfehlers wieder kippen. [NRK] "Die Polizei nimmt die Entscheidung des Berufungsgerichts zur Kenntnis, wir sind jedoch etwas überrascht. Wir registrieren, dass sie nicht einstimmig ist", so Polizeianwalt Haris Hrenovica. [Aftenposten]
7. Mai 2020, 21 Uhr: In Oslo wird wenige Stunden nach dem Urteil des Berufungsgerichts ein zweiter Mann festgenommen. Dabei handelt es sich um den Kryptomannen. Die Polizei bestätigt am Folgetag: "Der Festgenommene steht in einer Beziehung zu Tom Hagen, und der Polizei ist eine IT- und Kryptowährungsexpertise des Mannes bekannt." Sein Anwalt Dag Svensson bezeichnet die Vorwürfe öffentlich als "absurd". [Dagbladet] Polizeianwalt Haris Hrenovica erklärt in der Pressemitteilung: "Wir können bestätigen, dass die Festnahme auf der Grundlage des [...] Urteils des Berufungsgerichts beschleunigt wurde. Der Grund für die Beschleunigung ist die Gefahr der Verfälschung von Beweismitteln. Die Polizei kann weitere Festnahmen nicht ausschließen." [VG]
8. Mai 2020: Der Oberste Gerichtshof in Norwegen entscheiden: Kein Verfahrensfehler – Hagen kommt frei. Zusammen mit Anwalt Svein Holden und einem Müllsack über der Schulter verlässt der Unternehmer um 17.30 Uhr das Osloer Gefängnis. Ståle Kihle, Anwalt der Kinder von Tom Hagen, erklärt: "Sie sind erleichtert. Sie glauben, dass dies eine völlige Prokrastination seitens der Polizei war. Jetzt sind sie einfach nur erleichtert und glücklich." [NRK] Ein Versuch der Polizei, Hagen sofort wieder wegen des Verdachts des Mordes in Haft zu nehmen, wird von Staatsanwaltschaft abgeblockt. Staatsanwältin Kirsti Guttormsen betont: "Es ist ein wichtiger Grundsatz, dass die Staatsanwaltschaft den Entscheidungen des Gerichts folgen muss." [NRK] Hochrangige Polizisten das Urteil als "größten Schock" ihres Arbeitslebens. Viele Beamten machen die Polizeianwaltschaft für die Freilassung verantwortlich. [VG]
Trotz der Freilassung darf Hagen noch nicht wieder in Sloraveien 4 einziehen. Die Polizei führt weiter auf der rechtlichen Grundlage der "Durchsuchung bei Dritten" Untersuchungen in und an den Häusern in Lørenskog und Kvitfjell durch, bestätigt Holden und deutet ein rechtliches Vorgehen dagegen an. [NRK]
9. Mai 2020: Auch der Kryptoexperte aus Romerike wird aus der Untersuchungshaft entlassen. Die Anklage wird auf Beihilfe zur Entführung geändert, um weitere Befragungen zu ermöglichen. [VG] In diesen wird er erneut mit seiner merkwürdigen Aussage aus dem Dezember 2018 konfrontiert. Dort behauptet er nun, dass die Beamten zuvor schon ihrerseits von einer Entführung gesprochen hatten. Die Protokolle widerlegen das. Der Mann zieht sich erneut auf seine Aussage zurück, er habe zuvor von Kryptowährungen im Zusammenhang mit Entführungen gelesen und es sei daher für ihn naheliegend gewesen, diese Schlussfolgerung zu ziehen. Es wäre ja unsinnig gewesen, Monero von sich aus zu erwähnen, wäre er selbst daran beteiligt gewesen, erklärt er. [VG]
Von Frank hört der Kryptomannen nach seiner Festnahme nie wieder. Erst zwei Jahre später soll er über seinen Anwalt von den Abhörungen erfahren. [VG]
27. Mai 2020: Die Polizei und die Verteidigung lassen öffentlich kein gutes Haar aneinander. "Während großer Teile der Ermittlungen empfand die Polizei die Zusammenarbeit mit Tom Hagen als schwierig. Darauf will ich jetzt nicht näher eingehen", so Polizeianwalt Haris Hrenovica auf Medienanfrage, "wir sind mit dem Verteidiger im Gespräch über neue Vernehmungen, stellen aber fest, dass wir bisher nicht auf dem richtigen Weg sind." Hagens Anwalt Svein Holden reagiert: "Das Berufungsgericht Eidsivating hat festgestellt, dass es keine vernünftigen Gründe gibt, Tom Hagen wegen irgendetwas zu verdächtigen. Ich finde es völlig unerhört, dass der Leiter der polizeilichen Ermittlungen meinen Mandanten so negativ charakterisiert. Ich erwarte, dass dies nicht wieder vorkommt." [TV2]
29. Mai 2020: Hagen versucht nach seiner Freilassung eigenmächtig erneut eine Kontaktaufnahme und sendet den Bitcoin-Code: "Ich bestätige, dass ich zahlen werde." Anwalt Svein Holden erklärt: "Wir möchten mit unserem Gegenüber in Kontakt treten. Deshalb haben wir jetzt die Initiative ergriffen, in der Hoffnung, dass sie beantwortet wird. Die Polizei war in diesen Prozess nicht involviert." [VG]
4. Juni 2020: Die Polizei hat Tom Hagen zu drei neuen Vernehmungen in der Folgewoche geladen, doch dazu wird er nicht erscheinen, bestätigt Holden: "Ich kann nicht erkennen, wie eine weitere Befragung von Tom Hagen geeignet wäre, den Fall voranzubringen. Die Ermittlungen zielen offenbar nicht darauf ab, Klarheit zu schaffen, was mit Anne Elisabeth Hagen passiert ist, sondern geraten in eine Sackgasse, in der die Polizei nur Tom Hagen festnehmen will." [VG]
15. Juni 2020: Svein Holden lobt in einem Fernsehinterview 10 Millionen Kronen Belohnung für zielführende Hinweise zum Auffinden von Anne-Elisabeth Hagen aus. [TV2] Polizeianwalt Hanis Hrenovica kommentiert, dass man grundsätzlich allen Initiativen positiv gegenüberstehe, es aber nicht unterstützen könne, dass jemand anderes als die Polizei eine Bewertung der Hinweise vornehme. Holden verspricht, alle eingehenden Hinweise weiterzuleiten. [TV2]
23. Juni 2020: Erneut entscheidet das Bezirksgericht Nedre Romerike zugunsten der Polizei: Das Ferienhaus in Kvitfjell darf weiter beschlagnahmt und nun auch die Hütte in Biri untersucht werden. Hrenovica spricht von "bereits vorliegenden als auch neuen Indizien". Dagbladet] Zu den neuen Indizien dürften Gegenstände gehören, die nach der Festnahme von Tom Hagen im April in Sloraveien 4 gefunden wurden – von Anne-Elisabeth einseitig unterschriebene Scheidungspapiere sowie Notizbücher von Tom Hagen, in denen er die schon seit der Ehekrise 1993 turbulente Ehe dokumentierte. [VG]
10. Juli 2020: Die Ermittlungsarbeit ist mittlerweile Gegenstand von Zeitungsumfragen. In einer repräsentativen Studie für das Dagbladet, das den Fall praktisch täglich auf der Titelseite hat, geben 10% der 1073 Befragten sehr hohes Vertrauen, 50% hohes Vertrauen, 23% geringes Vertrauen und lediglich 2% kein Vertrauen in die Polizeitätigkeit im Vermisstenfall Anne-Elisabeth Hagen an. Die Zeitung titelt: "Die Menschen stehen hinter euch!"
18. Juli 2020: Der betrunkene Fahrer eines weißen Audi A3 ohne Kennzeichen rauscht in den Vorgarten des Anwesens und zerstört dabei den Gartenzaun. Verdutzte Nachbarn rufen die Polizei. Der Fahrer wird wenig später gestellt und bezüglich des Vermisstenfalls ausgeschlossen. [Nettavisen]
5. August 2020: Die Polizei ist mal wieder zu Untersuchungen im Haus der Hagens. Ein Nachbar sieht ein Auto in Hagens Einfahrt stehen. Anschließend sind mehrere Polizisten für einige Stunden im Haus. "Es ist schon lange her, dass ich gesehen habe, dass da jemand reingegangen ist", so der Nachbar. [VG]
6. August 2020: Hagen-Anwalt Svein Holden hat die ermittelnden Beamten bei der Spezialeinheit für Polizeiangelegenheiten gemeldet. Die unabhängige Behörde soll bei polizeilichem Fehlverhalten ermitteln. Grund ist die angebliche Weitergabe von belastenden Informationen an die Presse. "Deshalb haben wir Anzeige wegen Schweigepflichtverletzung bei der Polizei erstattet", so Holden. NRK]
14. August 2020: Haris Hrenovica tritt als Polizeianwalt in dem Fall zurück und wechselt zu September zum Inlandsgeheimdienst PST. Das verrät er in einem Zeitungsporträt über ihn. [Agderposten] Wenige Tage später wird bekannt, dass Gjermund Hanssen die leitende Position übernimmt. [TV2]
15. August 2020: Abermals entscheidet das Bezirksgericht Nedre Romerike zugunsten der Polizei und gibt einer Beschlagnahmung von Sloraveien 4 bis Mitte November statt: "Insgesamt ist das Gericht der Auffassung, dass die Polizei aufgrund der Analyse bereits durchgeführter Untersuchungen einen anhaltenden Beschlagnahmungsbedarf sowohl für geplante forensische Ermittlungen als auch für mögliche neue Ermittlungen begründet hat." Holden kündigt Berufung gegen das Urteil an. Es handle sich um eine "eine Zumutung für einen erwachsenen Mann, keinen Zugang zu seinem eigenen Zuhause zu haben." [VG]
21. August 2020: Sloraveien 4 darf doch nur für einen weiteren Monat beschlagnahmt werden. Das erreicht Svein Holden vor dem Berufungsgericht Eidsivating. "Die Polizei nimmt die Anpassung des Zeitrahmens zur Kenntnis. Wenn es nicht möglich ist, die notwendigen Ermittlungen innerhalb der Frist von einem Monat durchzuführen, müssen wir erwägen, die Frage einer Verlängerung erneut vor Gericht zu bringen", wird Polizeianwalt Gjermund Hanssen zitiert. [NRK]
26. August 2020: Die Polizei hat offenbar eine neue Hypothese über das Geschehen am Tattag in Sloraveien 4. Informationen aus der Gesundheitsapp auf dem Handy von Anne-Elisabeth deuten daraufhin, dass die Vermisste an diesem Morgen die Treppe heruntergefallen ist. Anhaltspunkt sei, dass das Handy eine abrupte, schnelle und ausufernde Bewegung aufgezeichnet hat, wie sie der Bewegung einer 68-Jährigen unüblich ist. Der Schrittzähler zeigt demnach einen einen Sprung an, der mehreren Schritten in ein und derselben Bewegung entspricht. Die Polizei bringt die Theorie auch mit weggewischten Blutspuren an der Treppe zwischen Erdgeschoss und erstem Stock in Verbindung. Polizeianwalt Hanssen möchte die Tatortarbeit nicht kommentieren. [VG]
3. September 2020: Erneut finden Tests in Sloraveien 4 statt. Mindestens fünf Beamte sind vor Ort. Zwischen 8.30 und 9.30 Uhr steigt einer von ihnen mindestens 20 Mal vom Rücksitz eines Autos, während ein anderer die Übung filmte, so ein Nachbar. Um 13.35 Uhr verließen die Polizisten das Haus. [TV2]
18. September 2020: Am Morgen sind Polizeibeamte in Sloraveien 4 und entfernen das Absperrband sowie die Überwachungskameras. Anschließend geben sie den Tatort für Hagen frei. Als erster trifft um 13 Uhr sein Anwalt Svein Holden am Haus ein und telefoniert mit seinem Mandanten. [VG]
24. September 2020: Die Kinder der Hagens werden in einer mehrstündigen Sitzung auf dem Polizeirevier in Lørenskog über den Stand der Ermittlungen gegen ihren Vater unterrichtet. Sie sind weiter fest von der Unschuld überzeugt, bestätigt Anwalt Kihle im Anschluss: "Wir haben bei den Ermittlungen kein Vertrauen in die Polizei und mehr gibt es derzeit dazu nicht zu sagen. Das haben wir die ganze Zeit gesagt. Wir haben auch jetzt kein Vertrauen gewonnen." [VG]
3. Oktober 2020: Ein Familienmitglied von Tom Hagen wird der unzulässigen Beeinflussung von Zeugen angeklagt. Ein Zeuge hatte sich im Sommer in einem Podcast kritisch zu Tom Hagen geäußert und war anschließend von dem Hagen-Verwandten telefonisch kontaktiert worden. Der Verwandte soll wütend, laut und aggressiv gewesen sein und habe den Zeugen für Hagens Status als Verdächtigen verantwortlich gemacht. Das habe der Zeuge widerum als bedrohlich empfunden und Anzeige erstattet. Später wird das Verfahren allerdings eingestellt. [VG]
22. Oktober 2020: Hagen lässt über seinen Anwalt ausrichten, dass er die im Frühjahr beschlagnahmten Beweismittel, darunter offenbar auch sein Laptop, zurückfordert. "Er will das Werkzeug zurückbekommen, das für ihn und sein Unternehmen wichtig ist", so Svein Holden. [RB.]
31. Oktober 2020: Der TV-Sender NRK veröffentlicht als erstes Medium ein Interview mit Tom Hagen (siehe Kapitel).
24. Mai 2021: Gjermund Hanssen sucht in der Verdens Gang nach Monaten wieder den Weg in die Öffentlichkeit. Die Zeitung veröffentlicht zahlreiche Informationen über die Vorbereitungen der Tat. Der Polizeianwalt hofft auf Zeugen, die sich an Personen erinnern können, welche im Sommer 2018 über die entsprechenden technischen Möglichkeiten verfügten und die Kryptowährungen, Kryptobörsen und Tools in dieser Kombination verwendeten. [VG]
29. November 2021: Die Polizei arbeitet weiter an der Identifizierung der Täter über deren Tatvorbereitungen und bittet erneut in mehreren Medien die Öffentlichkeit um Mithilfe. Polizeianwalt Hanssen möchte herausfinden, wo und bei wem die unbekannten Täter die Passkopie kauften, die bei der Einrichtung der Lösegeldkonten und der E-Mail-Adresse verwendet wurden: "Wir hoffen, dass wir da bei den Krypto-Ermittlungen am ehesten den Durchbruch schaffen – gerade weil hier der Übergang in die reale Welt stattfindet." Dafür sucht die Polizei erstmals nach Zeugen aus dem illegalen Darknet. [VG]
Ende 2021/Anfang 2022: Die Polizei hat einen neuen Mann im Visier. Es handelt sich um einen 32-jährigen Norweger mit sri-lankischem Hintergrund und Wohnsitz in Oslo. Ausgangspunkt ist ein Hinweis von der auf Wirtschafts- und Computerkriminalität spezialisierten Behörde Økokrim. Diese hatte bei dem Mann, der wegen Vergewaltigung und diversen Betrugs- und Fälschungsdelikten vorbestraft ist, schon im August 2020 die Ausweiskopie von Ole Henrik Golf auf einem beschlagnahmten Computer gefunden. Im November oder Dezember 2021 versendet der 32-Jährige außerdem eine Snapchat-Mitteilung, in der der Pass zu sehen ist. Aktenkundig sind außerdem eine Verwendung von Monero und Kryptobörsen sowie ein Bezug nach Lørenskog. Da der Mann um Silvester 2021 im Osloer Gefängnis sitzt, werden die Zelle und das Besuchszimmer abgehört, an einem von dem Mann angemieteten Container eine Überwachungskamera installiert und ein Bewegungsprofil des Mannes zu den tatrelevanten Zeitpunkten erstellt. [VG]
Anfang Mai 2022: Der neue Tatverdächtige wird von Polizeianwalt Gjermund Hanssen der Beihilfe zum Mord an Anne-Elisabeth Hagen beschuldigt. Es handelt sich dabei nicht um eine formelle Anklage, wie sie für Tom Hagen und den Kryptomannen erhoben wurde, sondern um einen informellen Status im Zuge der Ermittlungen. Der Verdächtige lässt sich von Anwalt Marius Dietrichson vertreten. Der Mann möchte sich zu dem Vorwurf nicht einlassen. [VG]
10. Mai 2022: Parallel dazu ein dritter Aufruf in der Öffentlichkeit: Wie die Polizei laut Verdens Gang herausgefunden hat, wurde die im Vorfeld der Tat verwendete Telefonnummer in einem "Starterpaket" des Mobilfunkanbieters Telia zwischen Mai 2017 und Dezember 2018 in einem Laden der Kette Bunnpris in Oslo verkauft. Die Pakete mit den SIM-Karten wurden dem Laden aus China geliefert und beinhalteten die zwanzig aufeinanderfolgenden Nummern +47 40 74 56 56 bis +47 40 74 56 76. Bei der Eröffnung der Konten bei den Kryptobörsen wurde die Nummer endend auf 68 genutzt. "Wir wissen bereits viel, insbesondere über die Nummern 63 bis 67. Sie wurden im Bunnpris-Laden verkauft, aber wir arbeiten an einer weiteren Eingrenzung, um den Käufer der Nummer 68 zu identifizieren", so Hanssen. Möglich sei aber auch, dass die Täter sich die Telefonnummer ausgedacht und die SIM-Karte nie besessen haben. [VG]
19. Juli 2022: Polizeianwalt Gjermund Hanssen tritt von seinem Amt zurück. De Abteilungsleiterin der Sonderstrafverfolgung im Polizeibezirk Øst, Agnes Beate Hemiø, bestätigt, dass ab Herbst jemand anderes mit dem Fall betraut ist. [RB] Laut Verdens Gang ist der Hintergrund ein Streit mit der Behördenleitung um Priorisierung und Ressourcen. Hanssen habe demnach mehr Ermittler, die nur am Fall Hagen arbeiten gefordert, als vorgesehen.
25. April 2024: Gut vier Jahre nach der Festnahme bahnt sich eine Entscheidung in der Anklage gegen Tom Hagen an. Öffentlich möchte die Oberpolizeianwältin Vibeke Schøyen nur "bestätigen, dass eine Empfehlung im Fall Lørenskog an die Staatsanwaltschaft Oslo weitergeleitet wurde. Darüber hinaus haben wir keine Gelegenheit, zu unserer Empfehlung Stellung zu nehmen, da diese nun zur Beurteilung beim Staatsanwalt liegt." [TV2] Laut NRK geht es in der Empfehlung jedoch im Wesentlichen um eine Einstellung des Verfahrens. Dies ist auch die Erwartung von Hagens Anwalt Svein Holden. [TV2]
18. Oktober 2024: Erwartungsgemäß stellt Generalstaatsanwalt Jørn Maurud das Verfahren gegen Tom Hagen ein. Holdens Kanzlei Hjort gibt per Pressemitteilung vorab bekannt: "Dieser Einstellungsbeschluss bedeutet, dass die Beweise mit besonderer Stärke dagegen sprechen, dass Hagen eine Straftat begangen hat. Dies ist eine vollständige Entlastung von Tom Hagen." Laut Nettavisen handelt es sich dabei tatsächlich nicht um eine Einstellung aus Mangel an Beweisen, vielmehr geht der Generalstaatsanwalt über die Empfehlung von Polizei und Staatsanwaltschaft hinaus und erklärt, dass eine Täterschaft Hagens als ausgeschlossen gelten kann. Oberpolizeianwältin Vibeke Schøyen und Polizeianwältin Guro Holm-Hansen bestätigen auf einer um 12 Uhr abgehaltenen Pressekonferenz, dass Hagen "als unschuldig anzusehen" ist. Schøyen rechtfertigt zudem die Dauer der Ermittlungen und kündigt an, dass gegen die drei anderen Verdachtspersonen weiterhin ermittelt wird: "Wir glauben nach wie vor, dass Anne-Elisabeth Hagen Opfer eines schweren Gewaltverbrechens geworden ist, und wir sind entschlossen, alles Notwendige zu tun, um herauszufinden, was mit ihr passiert ist." [Politiet]
Die Verdächtigen
Im Laufe der Ermittlungen im Fall Anne-Elisabeth Hagen hat die Polizei insgesamt vier Personen in den Beschuldigtenstatus erhoben. In diesem Kapitel sollen die öffentlich gewordenen Indizien gegen die Männer zusammengetragen und der jeweiligen Stand der Ermittlungen zusammengefasst werden.
Der erste Verdächtige
Schon drei Wochen nach dem Verschwinden von Anne-Elisabeth Hagen wurde Ende November 2018 ein Mann aus Østlandet, dem deutlich bevölkerungsreichsten norwegischen Landesteil rund um Oslo, einer Beteiligung an der Entführung beschuldigt. Gegen ihn wurde Anklage wegen schwerer Freiheitsberaubung erhoben. Die Verdens Gang berichtete als erste Zeitung erst knapp vier Jahre später darüber. Demnach war damals die Ausweiskopie von Ole Henrik Golf auf dem Computer des 20 bis 30 Jahre alten Mannes gefunden worden. Zu Beginn wurden sowohl Telefon- als auch Computerabhörmaßnahmen gegen ihn eingeleitet. Der Mann wurde außerdem verdeckt unter Beobachtung gestellt. Kurz vor Weihnachten 2018 wurde der Mann dann von der Polizei in Lørenskog mit dem Vorwurf des Identitätsdiebstahls konfrontiert und befragt. Die Ermittlungen zum Identitätsdiebstahl wurden aber im folgenden Jahr aus unbekannten Gründen zunächst eingestellt. Im Sommer 2019 wurde der Norweger zudem postalisch über die zurückliegenden Abhörmaßnahmen informiert.
Obwohl die Anklage wegen Freiheitsberaubung nie fallen gelassen wurde, spielt der Mann in den Ermittlungen wohl keine Rolle mehr, erklärte sein Anwalt Robert Antonsen dem Sender NRK: "Niemand glaubt, dass er etwas damit zu tun hat." Die Polizei habe zuletzt auch kein Interesse mehr an dem Mann gezeigt und ihn als Täter auszuschließen versucht, so Antonsen. Laut VG soll der Mann auf Golfs Namen ein Telefonabonnement abgeschlossen und den Missbrauch des Ausweises mittlerweile eingestanden haben. Im Jahr 2021 wurde eine erneute Anklage wegen Identitätsdiebstahls gegen ihn erhoben.
Der Ehemann: Tom Hagen
Tom Hagen galt lange als der Hauptverdächtige im Vermisstenfall Anne-Elisabeth Hagen. Am 27. Juni 2019 gab Ermittlungsführer Tommy Brøske auf einer Pressekonferenz in Lillehammer die Änderung der "Haupthypothese" bekannt. Man gehe nun davon aus, dass die Entführung nur vorgetäuscht und Sloraveien 4 der Tatort eines Tötungsdelikts sei. Ab diesem Zeitpunkt wurde Tom Hagen intern als Verdächtiger gehandelt. Am 28. April 2020 wurde Tom Hagen dann auf der Autofahrt zu seiner Arbeit von der Polizei abgefangen und unter dem Verdacht, seine Frau ermordet zu haben oder an der Ermordung beteiligt gewesen zu sein, festgenommen. Staatsanwältin Åse Kjustad Eriksson beantragte in der Folge wegen des Risikos der Beweisvernichtung erfolgreich eine vierwöchige Untersuchungshaft. Am 8. Mai 2020 verließ Hagen das Gefängnis wieder. Zuvor hatte das Obergericht Eidsivating mit zwei von drei Richtern einem Antrag von Hagens Anwalt Svein Holden gegen die Haft stattgegeben. Das Oberste Gericht Norwegens lehnte eine Berufung der Polizei gegen die Freilassung in zweiter Instanz ab. Ein Versuch der Polizei, Hagen sofort wieder wegen des Verdachts des Mordes in Haft zu nehmen, wurde von der Staatsanwaltschaft abgeblockt.
Als zentrales Indiz gegen Tom Hagen gilt das ihm unterstellte persönliche und emotionale Mordmotiv: Zwar sollen die Kinder die Ehe ihrer Eltern als harmonisch empfunden und keine Störungen zwischen den beiden erkannt haben. Nettavisen schreibt jedoch unter Berufung auf eigene Gespräche, dass mehrere Freunde von Anne-Elisabeth sie im Vorfeld ihres Verschwindens als "besorgt" wahrnahmen. Laut NRK nannten Bekannte die Ehe "turbulent". Dem Bezirksgericht Nedre Romerike wurden im Juni 2019 laut VG unter anderem Geburtstagskarten von Anne-Elisabeth als Indizien vorgelegt. Sie stammen aus unterschiedlichen Zeiten in der Ehe, einige davon aber auch aus den letzten Jahren vor ihrem Verschwinden zwischen 2014 und 2017, in denen sie mehrfach zum Ausdruck brachte, dass ihr die Konflikte zwischen ihnen leidtäten. In einer Geburtstagskarte zu seinem 67. Geburtstag schrieb sie, dass sie ihren Mann liebte und mit ihm zusammenleben wollte, verwies aber auch auf Schwierigkeiten. Zudem wurden in einer blauen Truhe im Haus Notizen von Anne-Elisabeth über ihr Zusammenleben mit Tom Hagen von Ende der 1960er bis in die 1980er Jahre hinein gefunden. Auch hier schrieb sie über eine schwierige Ehe.
Tom Hagen führte laut Romerikes Blad sehr ausführlich und täglich Buch und füllte damit zahllose Notizbücher. Laut VG reichen die Aufzeichnungen von Beginn der 2000er Jahre bis in die jüngste Zeit und wurden zum Teil von Hagen selbst bei den Befragungen herangezogen. Weitere von ihnen wurden nach der Festnahme im April 2019 beschlagnahmt. Hagen war die Dokumentation von detaillierten Plänen und Notizen zu seinen Aktivitäten offenbar in beruflicher wie privater Hinsicht sehr wichtig. Er selbst soll die Notizen als STG-Bücher bezeichnet haben, für strategi, taktikk und gjennomføring (Strategie, Taktik und Ausführung). Nach VG-Infos fand die Polizei darin einige sonderbare Vermerke: So hat Tom Hagen von mehreren Personen aus dem persönlichen Umfeld Informationen wie Wohnort, Arbeit und Autos erfasst. Eine dieser Personen war im Jahr 1993 ein mutmaßlicher Liebhaber von Anne-Elisabeth. Hagen teilte die Ehe demgemäß rückblickend ein in eine positive und harmonische Zeit vor dieser Ehekrise und eine konfliktbehaftete danach. Über den Mann schrieb Hagen, dass er ihn damals "langsam, aber sicher" töten wollte. Der Konflikt wurde auch polizeibekannt, nachdem es zu zwei Aufeinandertreffen im Büro und zu Hause bei dem Mann gekommen war und dieser im August 1994 bei der Polizei angab, sich mit dem Tode bedroht zu fühlen. Auch kurz nach dem Verschwinden von Anne-Elisabeth meldete sich der Mann seinerseits am 18. November 2018 bei der Polizei und wurde drei Mal angehört. In den Gesprächen zeigte er sich von der Schuld Tom Hagens völlig überzeugt. Tom Hagen wies in seinen Anhörungen trotz der Notizen Rachsucht als Motiv weit von sich. Sein Anwalt Svein Holden verwies in einer E-Mail an die VG darauf, dass Hagen selbst fast 20.000 Seiten privater Notizen an die Polizei übermittelt habe: "Er kann sich nicht daran erinnern, dass in den bekannten Dokumenten irgendetwas enthalten sein sollte, was Anlass zu der Annahme geben würde, dass er, wie behauptet wird, Rachegedanken gehabt haben soll. Wenn jemand das glaubt, dann muss es an einem Missverständnis liegen, bei dem jemand versucht, einzelne Sätze aus dem Kontext zu reißen."
Aus der Zeit der Ehekrise 1993 stammt laut VG auch eine Zusatzerklärung zu dem am 7. August 1987 geschlossenen Ehevertrag zwischen den Ehepartnern. Die Erklärung wurde vier Tage vor Heiligabend 1993 von Anne-Elisabeth und Tom Hagen sowie Zeugen unterschrieben. In der Erklärung ging es insbesondere darum, dass das Haus in Sloraveien 4 in das Sondereigentum von Tom Hagen, der zu diesem Zeitpunkt kurz vor dem Bankrott gestanden hat, übergehen sollte. Als Begründung wurde Anne-Elisabeths Erbschaft ihres eigenen Elternhauses genannt. Im Gegenzug kaufte Tom Hagen seiner Frau ein Auto, leistete eine Zahlung von 450.000 Kronen für eine nicht näher bestimmte Hypothek und finanzierte umfangreiche Gesamtrenovierungen an Anne-Elisabeths Elternhaus. Zentral für die polizeilichen Ermittlungen ist jedoch, dass Tom Hagen ab 1993 sowohl all seine Firmenanteile als auch das Familienhaus in seinem Sondereigentum wusste. Der Polizei liegt außerdem laut TV2 das Protokoll eines Arztes vor, wonach Anne-Elisabeth im Jahr 2002 ihm gegenüber angegeben habe, zur Einwilligung zu dieser Erklärung "gezwungen" worden zu sein. Nach Ansicht zahlreicher Juristen wäre dieser Ehevertrag im Scheidungsfall als stark einseitig zu Gunsten von Tom Hagen anfechtbar gewesen. Im Schreiben an das Bezirksgericht im Juni 2019 argumentierte der damalige Staatsanwalt Gjermund Hanssen laut TV2, dass der Ehevertrag von 1987 bereits "sehr unvernünftig" sei und dass die Zusatzerklärung von 1993 diesen Vertrag noch schiefer gemacht habe.
Eine Scheidung stand für Anne-Elisabeth zum Zeitpunkt ihres Verschwindens offenbar schon länger im Raum. Laut VG fand die Polizei bei Hausdurchsuchungen in Sloraveien 4 nach der Festnahme von Tom Hagen Scheidungspapiere. Das Dokument war bereits mehrere Jahre alt und nur von Anne-Elisabeth, nicht aber von Tom Hagen unterschrieben. Außerdem wurden laut Nettavisen auf ihrem Macbook Suchmaschinenanfragen gefunden, die darauf schließen ließen, dass sie nach Informationen zum Thema Scheidung gesucht hatte. Die Suchanfragen enthielten gezielt das Wort "Scheidung". Dieselbe Quelle berichtet, dass Anne-Elisabeth in einer Facebook-Gruppe Mitglied war, in der es um Mietswohnungen in ihrer Heimatgegend um Gjøvik ging. Die Informationen decken sich mit Aussagen von Bekannten, die laut NRK angaben, Anne-Elisabeth habe bereits Hilfe bei einer etwaigen Scheidung angefragt.
Der Kryptomannen
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Am 8. Mai 2020 nahm die Polizei einen 30 bis 40 Jahre alten Mann aus Romerike unter dem Tatverdacht des Mordes oder Beihilfe zum Mord fest.
Der Mann wurde Tag nach der Festnahme wieder freigelassen. Die Anklage wurde dementsprechend auf Beihilfe zum Menschenraub geändert.
Hagen erwähnt den in den Medien als Kryptomannen bezeichneten Mann erstmals in einer Befragung am 2. November. Verbrieft ist bei dem Mann eine Expertise im Bereich Kryptowährungen. Aufgrund fehlenden Kapitals konnte er diese aber nie einsetzen und arbeitete stattdessen im telefonischen Verkauf, in der Logistik und in Geschäften. Zwischen 2007 und 2019 betrug sein Jahreseinkommen nie mehr als 20.000 Euro. Im Jahr 2017 investierte der Kryptomannen umgerechnet 1.500 Euro in Bitcoin. Die Summe konnte er binnen kurzer Zeit auf knapp 10.000 Euro und später auf knapp 50.000 Euro erhöhen. In Folge eines Strategiewechsels, den ihm ein Freund empfohlen hatte, habe er den Großteil des Geldes aber binnen zehn Minuten wieder verloren. Im Sommer 2017 kam es dann zu einer Bootsfahrt zwischen dem Kryptomannen und dem Sohn von Tom Hagen. Der Sohn Hagens bezeichnete den Experten als "Rohdiamant" und verschaffte ihm ein Gespräch mit seinem Vater. Anschließend stellte der Mann Tom Hagen und seinem Sohn in den Räumlichkeiten von Hagens Unternehmen zahlreiche Investmentideen vor, die von einer Mining-Fabrik, mit der über die Zurverfügungstellung von Prozessorleistung Bitcoin erwirtschaftet werden können, über An- und Verkauf von Bitcoin bis hin zu Anlagemodellen im Wert von 500.000 bis 17,5 Millionen Euro reichten. In seinen späteren Befragungen sagte der Mann aus, Hagen sei vor allem an der Währung Monero interessiert gewesen. Schließlich schlug der Kryptomannen vor, eine Mining-Fabrik in Ägypten aufzubauen und sich beim notwendigen Strom der afrikanischen Sonne zu bedienen. Mit dem Geld könne man auch zum Beispiel ein Internat für bedürftige Kinder in dem nordafrikanischen Land gründen. Zu einer Geschäftsbeziehung kam es jedoch nicht. Zwischen Herbst 2017 und Sommer 2018 kam es zwischen dem Mann und Hagen zu mehreren Treffen. Die Anzahl ist unklar: Der Kryptomannen spricht von rund 15, die Hälfte davon seien seinerseits spontan gewesen, das letzte am 17. oder 18. August 2018. Hagen spricht von sechs bis sieben Treffen. Verdächtig wird eingestuft, dass der Mann in Internetforen noch nach dem Verschwinden von Anne-Elisabeth Hagen über die Möglichkeiten schrieb, mittels Kryptowährungen Identitäten zu verschleiern, auch im Zusammenhang mit Kapitalverbrechen.
Der Mann wurde erstmals am 2. Dezember 2018 durch die Polizei angehört. Hierbei machte er sich weiterhin verdächtig, indem er von sich aus von einer Entführung Anne-Elisabeth Hagens ausging und auch Monero ins Spiel brachte, obwohl die Beamten zuvor keine Details dazu preisgaben. In einer zweiten Anhörung kurz vor Heiligabend 2018 erklärte er hierzu, er habe von ähnlich gelagerten Fällen in den Vereinigten Staaten gelesen und dies aufgrund seines Hintergrunds für plausibel erachtet. Nach seiner Festnahme im Mai 2020 revidierte er diese Aussage wieder und behauptete, die Polizisten hätten doch schon zuvor selbst von einer Entführung gesprochen. Nach einem protokollarischen Gegenbeweis kehrte er dann zu seiner ursprünglichen Erklärung zurück.
Der Kryptoexperte reagierte in den Befragungen zudem verbittert auf die zynische Tatsache, dass Hagen mit dem Ankauf von Monero zur Vorbereitung der Lösegeldzahlung letztlich eine Wertsteigerung von 72 Prozent erzielen konnte, wie Polizeiquellen gegenüber Verdens Gang behaupten.
Durch einen Bericht in der Verdens Gang aus dem Februar 2022 wurde bekannt, dass die Polizei vor der Verhaftung im Mai 2020 einen verdeckten Ermittler gegen den Kryptomannen eingesetzt hatte. Ein Vermittler kontaktiere den Kryptomannen Anfang 2020 und zeigte Interesse an der Krypto-Expertise des Mannes, die dieser in einer Facebook-Gruppe "Kryptovaluta Norge" verbreitet hatte. Der Vermittler machte den Verdächtigen mit Frank bekannt. Frank gab vor, 10 Millionen Kronen in die Währung Monero investieren (oder: darin verschwinden lassen) zu wollen, und bot eine Zusammenarbeit an. Er setzte jedoch klare Bedingungen: Der Kryptomannen soll in einer Penthouse-Wohnung in der bekannten Hochhausreihe Barcode in Oslo arbeiten, er solle keine Gäste einladen und er dürfe nur das von Frank bereitgestellte technische Equipment nutzen. Der Kryptomannen sah seine Karrierechance und ging darauf ein.
Am 28. April 2020, dem Tag der Festnahme Hagens, ist der Mann mit Frank verabredet, um am Flughafen Oslo-Gardermoen einen vermeintlichen Investor unter dem Alias-Namen Tore Tangen zu treffen. Das Treffen scheitert jedoch. Auf Hin- und Rückfahrt ist die Verhaftung Hagens das Gesprächsthema zwischen den beiden. Nach seiner eigenen Festnahme und Freilassung hört der Kryptomannen dann nie wieder etwas von Frank.
Das Telefon des Mannes wurde laut VG von 6. Juni bis 3. Juli 2019 abgehört.
Ab dem 26. März 2020 wurden die vom verdeckten Ermittler gestellten Wohnung und Computer durch die Polizei abgehört.
Der vorbestrafte Monero-Händler
Bei dem vierten Verdächtigen handelt es sich um einen ungefähr 1991 geborenen Norweger mit sri-lankischem Hintergrund und Wohnsitz in Oslo. Der Mann wird seit Anfang Mai 2023 der Beihilfe zum Mord an Anne-Elisabeth Hagen beschuldigt. Die Beschuldigung gegen den zur Tatzeit 27-Jährigen wurde noch vom mittlerweile zurückgetretenen Staatsanwalt Gjermund Hanssen formuliert. Es handelt sich dabei nicht um eine formelle Anklage, wie sie gegen Tom Hagen und den Kryptomann erhoben wurde, sondern um einen informellen Status im Zuge der Ermittlungen. Der Mann soll eine umfangreiche Strafakte besitzen. Im Vordergrund steht eine Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe aufgrund der Vergewaltigung einer Frau in einem Osloer Wohngebiet vor einiger Zeit. Hinzu kommen Versicherungsbetrug, Dokumentenfälschung, schwerer Betrug und versuchter schwerer Betrug, außerdem einfacher Betrug in 16 Fällen und Betrugsversuche, neun Ausweisdiebstähle und weiteres. Im Januar wurde der Mann zuletzt nach einer Schießerei in Oslo festgenommen und inhaftiert.
Eine Rolle im Fall Lørenskog beginnt der Mai ab dem 18. August 2020 zu spielen. Abermals ist der Mann im Visier von Økokrim, der Behörde zur Bekämpfung von Wirtschafts- und Computerkriminalität. An diesem Dienstag dringen Økokrim-Beamte in ein Büro in Ulven ein, das der Mann gemietet hatte, und durchsuchen es. Von dort aus beschäftigt er sich unter anderem mit dem Kauf, Verkauf und der Lagerung von Aktien und anderen Vermögenswerten. Er wird verhaftet und unter anderem wegen schweren Betrugs und schwerer Geldwäsche angeklagt. Unter den beschlagnahmten Gegenständen aus dem Büro befinden sich ein Mac Book und ein iPhone. Zwischen Filmen, Nachrichten und dem Mietvertrag für das Büro findet Økokrim auf dem Computer auch eine Kopie des gestohlenen Reisepasses von Ole Henrik Golf, dessen Identität missbraucht wurde. Die Beamten leiten dies an die mit dem Fall Lørenskog betrauten Kollegen im Polizeibezirk Øst weiter.
Die finden heraus: Im November oder Dezember 2021, kurz nachdem die Polizei öffentlich nach Käufern der Ausweiskopie fahndete, verschickte der Mann außerdem ein Video per Snapchat an einen Bekannten, auf dem das Dokument auf seinem Computer zu sehen ist. Auf dem Video sei auch ein bei Snapchat angelegter Nutzer unter dem Namen "Ole Hendrik Golf" zu sehen gewesen. Der Empfänger des Videos habe sich anschließend bei der Polizei gemeldet und den Vorfall geschildert. Und neben dem Ausweis von Golf werden auf dem Computer auch Kommunikationsnachweise mit Banken und Kryptobörsen gefunden. Der Mann hatte demnach ein Konto bei Binance, einer der Krypto-Handelsplattformen, bei der in der Tatvorbereitung auch ein Konto auf Golfs Namen erstellt wurde. Ein noch nicht rechtskräftiges Urteil beschreibt auch die umfangreiche Nutzung von Kryptowährungen und Krypto-Tauschbörsen im Zusammenhang mit begangenen Betrügereien. Und: Die Ermittler finden Nachweise über Transfers von Monero. Monero ist die Kryptowährung, die im Fall Hagen als Lösegeldwährung verlangt wurde. Den VPN-Client NordVPN, der einen falschen Standort eines Geräts suggerieren kann, habe der 32-Jährige ebenfalls installiert gehabt. Auf dem ebenfalls sichergestellten Telefon werden von der Polizei Screenshots von verschiedenen Nachrichtenartikeln zum Fall Lørenskog entdeckt. Und eine Verbindung nach Lørenskog gibt es auch: In Losbyveien 39, fünf bis sechs Autokilometer von Sloraveien entfernt, stehen mehrere Container, die von Privatpersonen angemietet werden können. Einer dieser Container steht laut Polizei im Zusammenhang mit dem Mann.
Rund um Silvester 2021 fährt die Polizei in Folge dieser Erkenntnisse verdeckte Ermittlungen gegen den Mann hoch. Im Gefängnis, in dem der Mann sitzt, werden sowohl in der Zelle als auch im Besuchszimmer Abhörgeräte installiert. An den Containern in Losbyveien wird eine Überwachungskamera angebracht. Darüber hinaus werden anhand der Handydaten Bewegungsprofile erstellt und mit dem Tatgeschehen abgeglichen. Für relevante Termine (Tattag, Tag der Festnahme von Tom Hagen, Tag der Veröffentlichung von Golfs Personalausweis) werden sogar Daten aus den Gesundheitsapps der Telefone analysiert, um auffällige Bewegungen zu identifizieren. Die ermittelten Verdachtspunkte führen im Mai 2022, wie oben geschrieben, zu der Beschuldigung gegen den ungefähr 1991 geborenen Norweger. Zu einer formalen Anklage reichen die bisherigen Ermittlungen aber offenbar noch nicht aus.
Die Spurenlage im Haus
Nach eigenen Aussagen kehrt Tom Hagen am 31. Oktober um 13.30 Uhr in sein Anwesen zurück.
Dort findet er einige Auffälligkeiten vor. Die Spurensicherung der Kriminalpolizei kann später weitere Feststellungen machen.
NRK hat im Februar 2021 eine Karte des über 100 qm großen Erdgeschosses veröffentlicht, sodass die Spuren nach Räumen eingeteilt werden können.
Einfahrt/Haustür
- Hagen fand nach eigener Aussage im NRK-Interview bei seiner Rückkehr von der Arbeit gegen 13.30 Uhr ein Holzstück vor der Haustür des Familienhauses vor, laut dem Sender TV 2 beschrieb er es in Vernehmungen als eine rund ein Meter lange Schwarte, also ein äußeres Stück eines Baumstamms mit nur einer geschnittenen Seite; keine Polizeiquelle hat diese Spur je bestätigt
Flur
- auf einem roten Stuhl zwischen Kellertreppe und Tür zum Wohn-/Essbereich lag laut Aussage Hagens der Erpresserbrief in einem unbeschrifteten weißen Umschlag, der später geöffnet im Wohnzimmer gefunden wurde, sowie darüber hinaus der Ehering Anne-Elisabeths, ein weiterer Ring und eine Uhr
- neben dem roten Stuhl im Flur ein Ende eines Kabelbinders aus Massenproduktion, mutmaßlich erworben bei der Handelskette Biltema; innerhalb der Polizei wurde dies auch als Ablenkmanöver in Richtung einer Entführung diskutiert
- eine auf dem Boden liegende Sandale Anne-Elisabeths mit einer DNA-Spur von Tom Hagen unter dem Klettverschluss
- ein dunkles Lederfell auf dem Flurboden, das dort normalerweise nicht liegt
- insgesamt neun Schuhabdrücke eines Freizeitschuhs der Marke Sprox, Größe 45, einer davon auf der Rückseite des Lederfells; der Schuh wurde in Norwegen in den Geschäften von Spar Kjøp, aber auch in einer Vielzahl von Onlineshops verkauft
Bad
- Blutspuren von Tom Hagen an der Wand und auf dem Boden des Bades; eine Bestimmung des Alters ist allerdings nicht möglich
- Kleidungsstücke von Anne-Elisabeth, teilweise bedeckt von einem benutzten orangefarbenen Handtuch
- ein nicht näher definiertes biologisches Material, kein Blut, das von der Toilette durch das Bad als "Spur" auch in den Flur übergeht
- ein Wascheimer, der sich nach Aussagen der Kinder der Familie üblicherweise in der Toilette im Erdgeschoss befand, fehlt bis heute; im Anschluss an diese Feststellung wurden Tom Hagen und seine Kinder zu den Putzroutinen in der Familie befragt
Essbereich/TV-Zimmer/Küche
- das Handy von Anne-Elisabeth, das zuletzt um 10.07 Uhr bewegt wurde, wurde auf einem sichelförmigen Tisch links neben der Tür zum Flur bemerkt, und zwar aus Richtung des Gangs schräg hingelegt; laut Tom Hagen war diese Ablegeposition vollkommen unüblich für sie
- ihre Tasche stand auf dem Esstisch
- eine Tasse Kaffee stand auf dem Kamin im Durchgang vom Essbereich zur Küche
- eine Kaffeetasse und eine Broschüre des Musicals "The Book of Mormon" vom Vorabend auf einem Tisch neben Anne-Elisabeths TV-Sessel
- Blutspuren von Anne-Elisabeth Hagen an der Wand am unteren Ende der Treppe zwischen Erdgeschoss und erstem Obergeschoss, die offenbar weggewischt wurden; auch hier ist eine Bestimmung des Alters der Rückstände nicht mehr möglich gewesen
- in der Küche befindet sich sowohl im Hausmüll (Foto) als auch im Papierkorb je ein Papiertaschentuch, an dem später die DNA von Rindern festgestellt wird, mutmaßlich handelt es sich um Rinderkot; Tom Hagen vermutet, dass der Hund den Kot vom Kompost hereingebracht hat und dann von Anne-Elisabeth gereinigt wurde, die Polizei aber nimmt die Spur sehr ernst und lässt im Sommer 2022 Bauernhöfe in der Nähe durchsuchen
Wohnzimmer
- der Familienhund Tassen war in diesen Raum eingeschlossen
- auf dem Boden neben einem der Teppiche lag ein roter Stift; möglicherweise verursacht durch den Hund
- die Kanten zweier Teppiche lagen hochgeklappt und auch eine Tischdecke lag unordentlich; Tom Hagen vermutete später, dass Anne-Elisabeth auf diese Weise einen Urinfleck des Hundes gesäubert haben könnte, habe die Anordnung aber dennoch merkwürdig gefunden
Der Erpresserbrief
Der Erpresserbrief gehört zweifelsohne zu den größten Besonderheiten in diesem Fall. Die VG hat ihn komplett veröffentlicht.
An dieser Stelle soll sich auf die wesentlichen Kernpunkte beschränkt werden:
- der Brief ist in schlechtem Norwegisch teilweise mit englischen Einsätzen verfasst; unter Linguisten und Sprachwissenschaftlern, sowohl denen, denen die Polizei vertraut, als auch den Medienexperten ist ein Streit ausgebrochen, ob es sich bei dem Autoren um einen Muttersprachler handelt, der seine Spur verfälschen möchte, oder um einen Ausländer mit basalen Norwegisch-Kenntnissen
- der Brief ist fünf Seiten lang, wurde auf einem handelsüblichen Drucker ausgedruckt, sowohl Papier als auch Umschlag stammen aus der Produktion von Claas Ohlson, die in Norwegen serienmäßig vertrieben wird
- der Brief ist in Großbuchstaben und beginnt: "Wir haben Ihre Frau Anne-Elisabeth. Wenn Sie sie wiedersehen wollen, müssen Sie die Anweisungen akribisch lesen und befolgen."
- der Autor des Briefes fordert 9 Millionen Euro in der Kryptowährung Monero ("Ist das Leben von Anne-Elisabeth Ihnen 4% Ihres Vermögens wert?"), die Hagen über die Finanzinstitute Cumberland und DV Trading beschaffen soll
- das Geld soll auf ein Monero-Konto überwiesen überwiesen werden; um an die Kontodaten zu kommen, muss Hagen einen Link der Plattform pasted.co öffnen und das Passwort "anne" eingeben
- der Text droht mit der Ermordung Anne-Elisabeths bei der Einschaltung von Medien oder Polizei
- es wird gedroht, ein Video der letzten Minuten Anne-Elisabeths online zu stellen, sofern nicht gezahlt wird
- im Erpresserbrief wird die Überwachung des Hauses angekündigt
- zur Möglichkeit der Kommunikation stellt der Entführer mehrere Codes zur Verfügung, nämlich Summen in der Währung Bitcoin, deren Überweisungen auf ein Konto der Täter eine bestimmte Bedeutung haben, die nur entschlüsseln kann, wer den Brief gelesen hat
Für die Familie die Folgenden:- Ich bestätige, dass ich zahlen werde.
- Ich habe Geld getauscht und warte nun darauf, Moneros zu erhalten.
- Ich schicke Moneros in sieben Tagen.
- Ich habe ein Problem, ich brauche mehr Zeit.
- Ich habe Teile des Geldes geschickt, warten Sie auf mehr.
- Ich habe die vollen 9 Millionen Euro gesendet.
Für den/die Entführer die Folgenden:- Schneller, oder sie wird sterben.
- Zu spät, sie ist tot.
- Die Polizei war hier und sie wird sterben.
- Wir haben die Moneros nicht erhalten.
- Wir haben nur einen Teil erhalten.
- Wir haben das Geld erhalten und Anne-Elisabeth kommt binnen 24 Stunden frei.
Die Kommunikation
Zwischen der Familie Hagen/der Polizei und den angeblichen Entführern hat über die Formate Bitcoin und Tor-Mail ein Austausch stattgefunden.
Der Erpresserbrief wurde bei der Tatausführung am 31. Oktober 2018 abgelegt. Anschließend gab es die folgenden Nachrichten:
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Die digitale Spur
Die digitale Spur ist einer der zentralen Ansätze der Polizei in den laufenden Ermittlungen.
Die Beamten hoffen dabei auf Hinweise zu Personen, die bereits im Sommer 2018 bestimmte technische Tools nutzten, die bei der Tatplanung zum Einsatz kamen, nämlich:
- die Pastebins Hastebin sowie pasted.co, mit denen ein Unbekannter verschlüsselt die Adressen seiner Bitcoin- und Moneroaccounts teilte
- KuCoin, Binance und Huobi, drei Online-Börsen zum An- und Verkauf von Kryptowährungen
- der VPN-Client NordVPN, der suggeriert, dass sich der Unbekannte in Oslo aufhält
- Bitcoin und Monero, welche unmittelbar bei der Tat zum Einsatz kamen
- die kleine Kryptowährung Dash, die der Unbekannte im Juli 2018 bei Huobi verkaufte, um Bitcoin zu erhalten
Der oder die Unbekannten nutzten bei der Erstellung der E-Mail-Adresse und der Kryptokonten am 7. und 9. Juli 2018 die Personalien des damals 29-jährigen Ole Henrik Golf aus Sørlandet. Eine Kopie seines Personalausweises wurde mehrfach, mindestens zwischen Januar 2016 und Juni 2018, im Darknet veräußert. Golf selbst wurde verhört und konnte ausgeschlossen werden. Die Polizei sucht Kronzeugen, welche Hinweise auf die Käufer der Ausweiskopie geben können.
Neben den persönlichen Daten aus dem Personalausweis wurde die Geschäftsadresse von Ole Henrik Golf in Mandal genutzt. Diese war nur wenige Tage zuvor, am 2. Juli 2018, in dem Online-Unternehmensverzeichnis Proff veröffentlicht worden. Außerdem gaben der oder die Unbekannten die Telefonnumer +47 40745668 an. Die SIM-Karte mit dieser Nummer wurde zwischen Mai 2017 und Dezember 2018 in einer Filiale der Einzelhandelskette Bunnpris in Oslo zum Kauf angeboten. Die Nummer wurde niemals aktiviert und ihr weiterer Verbleib ist unklar - ebenso, ob der oder die Täter die SIM-Karte tatsächlich besaßen.
Die Polizei konnte trotz der zahlreichen Spuren bislang keine Person hinter den Tatvorbereitungen im Internet ausfindig machen.
Interview mit Tom Hagen bei NRK im Oktober 2020
Zum zweijährigen Jahrestag des Verschwindens äußerte sich Tom Hagen in der NRK-Sendung "Dagsrevyen" erstmals öffentlich in der Presse.
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Kritik an NRK-Berichterstattung im Juni 2020
Zu den Geschichten dieses Falls gehört auch eine Panne des staatlichen Rundfunksenders NRK im Juni 2020. Der Sender berichtete seinerzeit exklusiv, dass die Hagen-Seite am 14. Dezember 2018 eine Bitcoin-Überweisung an die Entführer tätigte und dabei die uncodierte Nachricht "cee face ae" mitschickte, um ein Lebenszeichen zu erhalten. Da sämtliche Transaktionen auf Bitcoin öffentlich einsehbar und auch per Suchfunktion auffindbar sind, war es für versierte Leserinnen und Leser problemlos möglich, sowohl den Account Hagens als auch den der Gegenseite zu identifizieren. Dadurch konnte nicht nur jede bisherige und weitere Kommunikation in dem Fall eingesehen werden, sondern auch eigens Geld an die Entführer geschickt werden.
Der norwegische Blog Kryptografen berichtete darüber nur zwei Tage nach der NRK-Meldung und legte die gesamte Kommunikation offen.
"Man muss schon auf einem bestimmten Niveau sein, so Medium plus, aber auf diesem Level gibt es viele Leute, und noch mehr, die jemanden hätten bekommen können, um die Aufgabe für sich selbst auszuführen. Im Grunde ist es so einfach wie eine Suche in der Bitcoin-Blockchain", erklärte der Blogger Torbjørn Bull Jenssen gegenüber dem Magazin Journalisten.
Svein Holden schrieb dem Magazin auf Nachfrage: "Aufgrund der Veröffentlichung ist es uns nicht mehr möglich, die Plattform zu nutzen."
NRK erklärte später in einem Statement, für technisch versierte Nutzer sei es schon vorher möglich gewesen, die Accounts auszumachen.
Die Informationen sind bis heute im Online-Artikel des Senders zu finden.