Ist Antisemitismus wieder "in"?
17.10.2021 um 14:54
Gil Ofarim ist doch kein Weltstar, den jeder kennt. Ich wusste zwar, dass er Musiker ist, da ich das mal irgendwo aufgeschnappt habe, kann aber nicht einen Songtitel von ihm aufzählen, geschweige denn wusste ich das er dem Judentum angehört und ich denke da bin ich nicht der Einzige.
Dass er bei der Polizei aussagte, er wisse nicht mehr, ob er überhaupt seine Kette trug und dann den Medien mitteilte, dass es auch überhaupt nicht um die Kette gehe, sondern um etwas Größeres, empfinde ich schon als dreist.
In seinem Video geht es doch genau darum und ohne die Kette erscheint das Szenario doch dann auch ziemlich unwahrscheinlich.
Wenn er antisemitisch diskriminiert/beleidigt wurde, soll er das anprangern und zur Anzeige bringen aber nicht Sachen dazuerfinden, die wenn sie sich als Unwahrheit herausstellen nicht nur seine Glaubwürdigkeit in Frage stellen, sondern auch den alltäglichen Opfern von Antisemitismus einen Bärendienst erweisen, die dann damit zu kämpfen haben, dass ihnen nicht geglaubt wird.
Interessant finde ich auch, dass manch einer nun wohl dazu übergeht, irgendwelche konstruierte Möglichkeiten zu erdenken, um Gil Ofarim doch nicht im schlechten Licht dastehen zu lassen. Ob das ein: "Man kannte ihm nur mit Kette und ging davon aus, dass er sie trug", obwohl man mit eigenen Augen ja sehen konnte, dass er sie nicht trug oder ein missverstandenes "Lass hier nicht den Star raushängen" ist 😂 oder auch ihm damit zu entschuldigen versucht, dass er in der Vergangenheit Opfer von Judenfeindlichkeit geworden ist und er "nur" überreagiert hat, obwohl er sich vor dem jetzigen Zwischenfall meines Wissens nie in der Richtung geäußert hatte.
Ich kann verstehen, dass er Fans hat oder Leute für ihm im generellen Sympathie erfinden und es ihnen schwer fällt ihn zu hinterfragen aber zurzeit erscheint es mir wahrscheinlicher, dass er einfach entweder die Geschichte ausgeschmückt hat oder der antisemitische Hintergrund schlicht erlogen ist, was aufgrund der heutigen Brisanz des Themas eine riesen Sauerei wäre.
Leute, die der heutige Antisemitismus in unserer Gesellschaft an die Nieren geht, die es tatsächlich empört und die nicht nur z.B. auf Twitter gut dastehen wollen, Menschen die tatsächlich Opfer von Judenfeindlichkeit wurden und Menschen, die sich aus echter Empathie mit der jüdischen community solidarisieren, womöglich zu instrumentalisieren, um medial Beachtung zu erzeugen und vielleicht ein Buch zu promoten wäre einfach nur schäbig, abgesehen davon, dass hier dann tatsächlich Menschen (u.a. der Hotelmitarbeiter) massiv geschädigt worden sind.
Menschen reagieren nun einmal eher emotional, gerade wenn Dinge betroffenen sind, die gesellschaftlichen Sprengstoff beinhalten und poltern dann oft sofort los und in Zeiten von Social Media endet das heute schnell in Shitstorms und Vorverurteilung, dessen Schaden bei unerwarteter Wendung der Geschenissen dann leider zu häufig irreparabel ist, sofern eine Richtigstellung, bzw. eine Entschuldigung überhaupt geschied. Das sollte uns vielleicht einmal zu Denken geben, das nächste Mal vielleicht den ersten Impuls nicht nachzugeben und Loszupoltern, sondern abzuwarten, was tatsächlich passiert ist. Man kann ja seine Anteilnahme bekunden und sich im allgemeinen gegen Fremdenhass, Antisemitismus, etc. positionieren aber nicht auf Leute, wenn auch "nur" verbal einprügeln, die am Ende womöglich doch unschuldig waren.
Was da in der Hotellobby tatsächlich abgelaufen ist kann ich nicht wissen. Vielleicht wurde Herr O. Opfer, vielleicht auch nicht aber zurzeit sieht es eher mau aus mit der ursprünglichen Geschichte des Herren Ofarim. Ich werde jetzt einfach abwarten.