"Wirtschaftskiller"
29.03.2005 um 16:06Gefunden bei
http://www.3sat.de/kulturzeit/lesezeit/77519/index.html (Archiv-Version vom 01.11.2005)
>> Der heute 60-jährige Amerikaner John Perkins hat in seinem neuen Buch
"Bekenntnisse eines Economic Hit Man" ungeheuerliches enthüllt. Im Alter von 26
Jahren wurde er von der National Security Agency der USA rekrutiert und bereiste im
Auftrag der internationalen Beratungsfirma Main die Welt. Seine Aufgabe bestand
darin, mit Hilfe manipulierter, scheinbar wissenschaftlich fundierter
Machbarkeitsstudien und Wirtschaftsprognosen politische Maßnahmen umzusetzen,
um die Interessen der US-amerikanischen und internationalen Koalition von
Regierungen, Banken und Unternehmen zu fördern.
"Wirtschaftskiller, das sind hochbezahlte Profis, die Staaten um Billionen betrügen",
sagt Autor John Perkins. "Sie leiten Gelder von Organisationen wie der Weltbank und
Entwicklungshilfe in die Taschen von Groß-Unternehmen. Ihre Methoden: gefälschte
Finanzberichte, Bestechung, Erpressung, Sex und Mord. Ich muss es wissen. Ich war
ein Wirtschaftkiller." In "Bekenntnisse eines Economic Hit Man" packt John Perkins
über seine Zeit als Wirtschafts-Killer aus. In den 70er Jahren wurde er jüngster Partner
von Main, einer der großen Firmen in der Grauzone von Beratung, Bestechung und der
Vergabe von Bau-Aufträgen. Seine Spezialität: Entwicklungs-Länder mit geschönten
Gutachten für Großkredite begeistern. Oft ist das der Beginn einer Schuldenspirale.
"Nach einiger Zeit sind wir in die Länder zurück und haben gesagt: Seht doch, ihr
schuldet uns eine Menge Geld, ihr könnt eure hohen Schulden nicht bezahlen", erklärt
der ehemalige Wirtschaftskiller. "Deshalb: gebt uns billiges Öl. Oder stimmt bei der
nächsten Uno-Versammlung mit uns. Oder unterstützt uns militärisch. Kurz gesagt: Wir
forderten unsere Beute." Perkins beschreibt ein reibungsloses Zusammenspiel von
Unternehmen, Banken und US-Regierung auf der Jagd nach Geld und Einfluss.
Keine harten Beweise
Sein wohl wichtigster Coup war das Einfädeln des großen Deals mit Saudi-Arabien
nach der Öl-Krise: ein stabiler Ölpreis und teure Infrastrukturprojekte gegen den
Machterhalt des Saudischen Herrscher-Hauses. Dieser Pakt hält bis heute. Doch nicht
immer läuft alles so glatt: "Wenn unsere Mission als Wirtschaftskiller fehlschlägt,
kommen die zum Zug, die wir Schakale nennen. Das sind von der CIA genehmigte
Killer, die versuchen, Regierungen zu stürzen oder Präsidenten zu ermorden", sagt
Perkins. "Wenn auch die Schakale versagen, senden wir als letzte Stufe das Militär, wie
etwa im Fall Irak."
Harte Beweise kann Perkins für viele seiner Behauptungen nicht vorlegen. Doch dass
etwa Ecuador nach erpresserischen Ölverträgen heute erheblich schlechter dasteht als
vor Jahrzehnten ist unbestritten. Und Ecuadors Präsident Jaime Roldos, der die
amerikanischen Ölmultis bekämpfte, widerfuhr ein ähnliches Schicksal wie Omar
Torrijos, dem Präsidenten Panamas, der den US-Einfluss auf den Panamakanal
begrenzen wollte: Beide Präsidenten kamen 1981 bri dubiosen Flugzeugabstürzen ums
Leben - für Perkins, der kurz zuvor seien Job bei Main gekündigt hatte, ganz klar das
Werk der "Schakale".
Ist Perkins ein wichtigtuerischer Verschwörungstheoretiker, der aus Geltungssucht die
Machenschaften von Big Business und westlichen Organisationen übertreibt?
Zumindest Jim Garrison, Experte für internationale Beziehungen, mag das nicht glauben
– und Jim Garrison gründete immerhin zusammen mit Gorbatschow das weltgrößte
Forum für Führungspersönlichkeiten nach der Uno: "Jeder, der weiß, wie die Weltbank
oder der internationale Währungsfond arbeiten, könnte bestätigen, dass das, was John
Perkins in seinem Buch beschreibt, grundsätzlich stimmt. Es gibt einen Grund, warum
unsere Entwicklungshilfe und der ganze Einsatz von Weltbank und Währungsfonds
die Lage verschlimmert und nicht verbessert: Alles ist so konstruiert, nicht den
Ärmsten zu helfen, sondern diese Länder einfach zu benutzen, um westliche
Unternehmen weiter zu bereichern. So läuft der Hase."
Fronten gewechselt
Tausende von Mitarbeitern der Weltbank oder des internationalen Währungsfonds
versuchen nach bestem Wissen und Gewissen, armen Nationen zu helfen. Doch
unbestritten ist: Zahlreiche Hilfsprojekte haben diesen Nationen eher geschadet als
genutzt – oft fährt am besten, wer die Empfehlungen aus Washington ignoriert. Interne
Kritik aber bleibt verpönt, ein ehemaliger Mitarbeiter äußert sich nur unerkannt: "Die
Weltbank geht selbst mit denjenigen, die konstruktive Kritik üben, sehr rüde um.
Deshalb herrscht hier eine Kultur der Angst und des Schweigens. Doch wenn es keine
Kritik oder neue Ideen geben kann, wird man dieselben alten sinnlosen Projekte
verfolgen, ohne dass es jemand ändern kann."
John Perkins hat nach seiner Zeit als "Wirtschaftskiller" die Fronten gewechselt, war
ein Vorreiter für umweltfreundliche Energiegewinnung in den USA und unterstützt die
Indianer in den Regenwäldern Lateinamerikas. Dass er 25 Jahre mit seiner
Enthüllungs-Biographie gewartet hat, erklärt er mit Feigheit und Bestechung. Doch der
11. September habe das geändert. "Ich bin 60 Jahre alt und habe eine 20-jährige
Tochter", sagt Perkins. "Ich weiss eines: Ich will auf meinem Totenbett – egal ob
morgen oder in 30 Jahren – zurückblicken können und sagen: Ich habe in den letzten
Momenten meines Lebens alles mir mögliche getan, um die Welt zu einem besseren Ort
zu machen, für meine Tochter und ihre Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt."
<<
Ohne weitere Worte ...
http://www.3sat.de/kulturzeit/lesezeit/77519/index.html (Archiv-Version vom 01.11.2005)
>> Der heute 60-jährige Amerikaner John Perkins hat in seinem neuen Buch
"Bekenntnisse eines Economic Hit Man" ungeheuerliches enthüllt. Im Alter von 26
Jahren wurde er von der National Security Agency der USA rekrutiert und bereiste im
Auftrag der internationalen Beratungsfirma Main die Welt. Seine Aufgabe bestand
darin, mit Hilfe manipulierter, scheinbar wissenschaftlich fundierter
Machbarkeitsstudien und Wirtschaftsprognosen politische Maßnahmen umzusetzen,
um die Interessen der US-amerikanischen und internationalen Koalition von
Regierungen, Banken und Unternehmen zu fördern.
"Wirtschaftskiller, das sind hochbezahlte Profis, die Staaten um Billionen betrügen",
sagt Autor John Perkins. "Sie leiten Gelder von Organisationen wie der Weltbank und
Entwicklungshilfe in die Taschen von Groß-Unternehmen. Ihre Methoden: gefälschte
Finanzberichte, Bestechung, Erpressung, Sex und Mord. Ich muss es wissen. Ich war
ein Wirtschaftkiller." In "Bekenntnisse eines Economic Hit Man" packt John Perkins
über seine Zeit als Wirtschafts-Killer aus. In den 70er Jahren wurde er jüngster Partner
von Main, einer der großen Firmen in der Grauzone von Beratung, Bestechung und der
Vergabe von Bau-Aufträgen. Seine Spezialität: Entwicklungs-Länder mit geschönten
Gutachten für Großkredite begeistern. Oft ist das der Beginn einer Schuldenspirale.
"Nach einiger Zeit sind wir in die Länder zurück und haben gesagt: Seht doch, ihr
schuldet uns eine Menge Geld, ihr könnt eure hohen Schulden nicht bezahlen", erklärt
der ehemalige Wirtschaftskiller. "Deshalb: gebt uns billiges Öl. Oder stimmt bei der
nächsten Uno-Versammlung mit uns. Oder unterstützt uns militärisch. Kurz gesagt: Wir
forderten unsere Beute." Perkins beschreibt ein reibungsloses Zusammenspiel von
Unternehmen, Banken und US-Regierung auf der Jagd nach Geld und Einfluss.
Keine harten Beweise
Sein wohl wichtigster Coup war das Einfädeln des großen Deals mit Saudi-Arabien
nach der Öl-Krise: ein stabiler Ölpreis und teure Infrastrukturprojekte gegen den
Machterhalt des Saudischen Herrscher-Hauses. Dieser Pakt hält bis heute. Doch nicht
immer läuft alles so glatt: "Wenn unsere Mission als Wirtschaftskiller fehlschlägt,
kommen die zum Zug, die wir Schakale nennen. Das sind von der CIA genehmigte
Killer, die versuchen, Regierungen zu stürzen oder Präsidenten zu ermorden", sagt
Perkins. "Wenn auch die Schakale versagen, senden wir als letzte Stufe das Militär, wie
etwa im Fall Irak."
Harte Beweise kann Perkins für viele seiner Behauptungen nicht vorlegen. Doch dass
etwa Ecuador nach erpresserischen Ölverträgen heute erheblich schlechter dasteht als
vor Jahrzehnten ist unbestritten. Und Ecuadors Präsident Jaime Roldos, der die
amerikanischen Ölmultis bekämpfte, widerfuhr ein ähnliches Schicksal wie Omar
Torrijos, dem Präsidenten Panamas, der den US-Einfluss auf den Panamakanal
begrenzen wollte: Beide Präsidenten kamen 1981 bri dubiosen Flugzeugabstürzen ums
Leben - für Perkins, der kurz zuvor seien Job bei Main gekündigt hatte, ganz klar das
Werk der "Schakale".
Ist Perkins ein wichtigtuerischer Verschwörungstheoretiker, der aus Geltungssucht die
Machenschaften von Big Business und westlichen Organisationen übertreibt?
Zumindest Jim Garrison, Experte für internationale Beziehungen, mag das nicht glauben
– und Jim Garrison gründete immerhin zusammen mit Gorbatschow das weltgrößte
Forum für Führungspersönlichkeiten nach der Uno: "Jeder, der weiß, wie die Weltbank
oder der internationale Währungsfond arbeiten, könnte bestätigen, dass das, was John
Perkins in seinem Buch beschreibt, grundsätzlich stimmt. Es gibt einen Grund, warum
unsere Entwicklungshilfe und der ganze Einsatz von Weltbank und Währungsfonds
die Lage verschlimmert und nicht verbessert: Alles ist so konstruiert, nicht den
Ärmsten zu helfen, sondern diese Länder einfach zu benutzen, um westliche
Unternehmen weiter zu bereichern. So läuft der Hase."
Fronten gewechselt
Tausende von Mitarbeitern der Weltbank oder des internationalen Währungsfonds
versuchen nach bestem Wissen und Gewissen, armen Nationen zu helfen. Doch
unbestritten ist: Zahlreiche Hilfsprojekte haben diesen Nationen eher geschadet als
genutzt – oft fährt am besten, wer die Empfehlungen aus Washington ignoriert. Interne
Kritik aber bleibt verpönt, ein ehemaliger Mitarbeiter äußert sich nur unerkannt: "Die
Weltbank geht selbst mit denjenigen, die konstruktive Kritik üben, sehr rüde um.
Deshalb herrscht hier eine Kultur der Angst und des Schweigens. Doch wenn es keine
Kritik oder neue Ideen geben kann, wird man dieselben alten sinnlosen Projekte
verfolgen, ohne dass es jemand ändern kann."
John Perkins hat nach seiner Zeit als "Wirtschaftskiller" die Fronten gewechselt, war
ein Vorreiter für umweltfreundliche Energiegewinnung in den USA und unterstützt die
Indianer in den Regenwäldern Lateinamerikas. Dass er 25 Jahre mit seiner
Enthüllungs-Biographie gewartet hat, erklärt er mit Feigheit und Bestechung. Doch der
11. September habe das geändert. "Ich bin 60 Jahre alt und habe eine 20-jährige
Tochter", sagt Perkins. "Ich weiss eines: Ich will auf meinem Totenbett – egal ob
morgen oder in 30 Jahren – zurückblicken können und sagen: Ich habe in den letzten
Momenten meines Lebens alles mir mögliche getan, um die Welt zu einem besseren Ort
zu machen, für meine Tochter und ihre Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt."
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