MissMary schrieb:Ich glaube, wenn man ein harmonisches Verhältnis zu seinen Geschwistern hat, ist das schön - aber man stellt sich das auch zu harmonisch vor.
Genau, die Realität sieht manches Mal ganz anders aus. Ich habe mir im übrigen immer eine Schwester gewünscht, doch ich habe einen Bruder. Wer weiß, was ich mit einer Schwester erlebt hätte, wenn ich mir anschaue, was da manchmal für Zickereien unter Schwestern abgehen, ist es vielleicht gut, dass ich keine habe.
Und zu meinem Bruder kann ich nur sagen, dass ich von ihm selbst, in der Zeit wo wir gemeinsam im Elternhaus wohnten, nicht viel gemerkt habe. Er ist 5 Jahre älter und hatte immer andere Interessen als ich, hat sich mit mir nie beschäftigt. Ich kam mir, trotz Bruder, meist wie ein Einzelkind im Familienkreis vor. Er ist auch schon mit 17 Jahren von Zuhause ausgezogen, weil er zum Studium in eine andere Stadt zog (hatte mehrere Klassen übersprungen, deshalb fing er so früh an zu studieren). Unser Kontakt zueinander war dann später auch einige Jahre total abgebrochen. Wir sind nun seit 2 Jahren in einer Annäherungsphase, aber im Endeffekt ist er ein Fremder für mich, so richtig geschwisterliche Gefühle kommen da (bisher?) nicht auf.
Dazu kam, dass er durch seine außergewöhnlichen Talente in vielen Bereichen (nicht nur in der Schule) auffiel, er stand immer Mittelpunkt (hat er nicht gesucht, das waren andere Personen, die ihn dorthin gestellt habe) und ich war dadurch früher immer die "kleine Schwester von". Das war weder für meinen Bruder, noch für mich einfach und wir beiden hatten unsere eigenen Kämpfe mit den Gegebenheiten.
Ich habe mich früher oft gefragt, wie ich mich entwickelt hätte, ohne diesen Bruder, in dessen Schatten ich so oft gestellt wurde. Ich wurde so oft verglichen, es wurde gleiches von mir erwartet. Ein Lehrer hat zu mir z.B. mal gesagt, dass er enttäuscht von mir wäre, weil ich "nur" eine zwei in seinem Fach hatte, da wäre man von meinem Bruder anderes gewöhnt, der für seinen durchgehenden Einser-Zeugnisse bekannt war.
Ich habe früher viel gekämpft um diesen Erwartungen zu entsprechen, und scheiterte und scheiterte. Irgendwann habe ich kapiert, dass es keinen Sinn macht, mein eigenes Leben darauf auszurichten, so zu sein wie mein Bruder, sondern ich meinen eigenen Weg finden musste. Das Problem war nur, dass ich gar nicht wusste, wer ich eigentlich bin, was mir Freude macht, wo meinen Talente liegen. Das hat einiges gedauert, da heraus zu kommen und anfangs war ich dann auch noch auf dem falschen Weg, der so lief, dass ich das Gegenteil von meinem Bruder gemacht habe. Bis mir dann auffiel, dass ich ja trotzdem immer noch auf ihn ausgerichtet lebte und handelte.
Viele Jahre meine Lebens kurz zusammen gefasst.
Im Grunde wollte ich nur aufzeigen, dass man mit seinen Wünschen und Vorstellungen vorsichtig sein sollte und das Leben mit Geschwistern auch nicht immer Ponyhof ist.